Wird das der finale Stoß gegen die Familie? Noch vor der Sommerpause will Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) konkrete Vorschläge für die vermutlich „größte familienrechtliche Reform der letzten Jahrzehnte“ vorlegen. Die biologische Elternschaft soll durch eine unbestimmte „soziale Elternschaft“ abgelöst und künstliche Konstruktionen wie “Mehrelternschaft” für bis zu vier Personen sowie “Mit-Mutterschaft” ermöglicht werden. Als Alternative zur Ehe ist die Einführung der sogenannten „Verantwortungsgemeinschaft“ geplant. Welche juristischen und gesellschaftlichen Folgen diese familienrechtliche „Zeitenwende“ haben wird, darüber sprach Hedwig Beverfoerde vom Aktionsbündnis DemoFürAlle mit dem Juristen und Hochschullehrer Dr. Ulrich Vosgerau.
Herr Vosgerau, wie wird Abstammung im bisher geltenden Abstammungsrecht definiert?
Ulrich Vosgerau: Gemäß § 1589 BGB sind Personen verwandt, die entweder voneinander abstammen oder die beide von derselben Person abstammen. Das wirft eben die Frage auf, was „Abstammung“ bedeutet. Menschen entstehen bekanntlich – und alternativlos, hier passt das Wort – dadurch, dass sich eine männliche und eine weibliche Keimzelle vereinigen. Also stammt ein Mensch von denjenigen Menschen ab, von denen diese Keimzellen herrühren. Jeder hat biologisch genau eine Mutter und genau einen Vater. Neueste Techniken erlauben es allerdings, einzelne Gene, die bei beiden Elternteilen gleichermaßen schadhaft sind, was zum Auftreten einer Erbkrankheit, etwa der Bluterkrankheit, führen würde, auszutauschen und durch ein gesundes „Spendergen“ zu ersetzen – da dieses dann aber nur einen unvorstellbar kleinen Anteil des Gesamtgenoms ausmacht, wäre es in diesen Fällen aber fernliegend, anzunehmen, das Kind habe eigentlich drei Eltern.
Der lateinische Rechtsspruch geht allerdings noch weiter und lautet insgesamt: mater semper certa, pater quem nuptiae demonstrant. Wer die Mutter ist, steht immer fest; Vater ist, wen die Heirat als solchen erweist!
Und dieser römisch-rechtliche Satz gilt heute noch. Vater ist, wer zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1 BGB). Wenn man nun über diesen Mechanismus Vater eines Kindes ist, aber meint, dass dieses nicht biologisch von einem abstammt, oder wenn man es nicht ist, aber meint, dass das Kind einer mit jemand anders verheirateten Frau von einem abstammt, so muss man die Vaterschaft anfechten. Dann kann die Vaterschaft aufgrund biologischer und medizinischer Gutachten festgestellt werden, so dass Biologie und Recht wieder in eins fallen.
Anders als während der Blütezeit des Römischen Rechts kann aber der obige Satz mater semper certa heute nicht mehr allgemein gelten. Durch das Phänomen der Leihmutterschaft beweist die Geburt eines Kindes von einer Frau nicht mehr denk-notwendig, dass es mütterlicherseits auch von dieser Frau abstammt.
Daher regelt § 1591 BGB: „Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.“ Da lachen die Studenten dann teils im Hörsaal, aber es ist eben heute nicht mehr selbstverständlich; die Vorschrift wurde 1998 in das BGB eingefügt. Ei- oder Embryospenden sind aber bislang verboten.
Konsequenz dessen ist, dass die Mutterschaft kraft § 1591 BGB grundsätzlich nicht angefochten werden kann. Zwischen der biologischen Mutter und dem nach Ei- oder Embryonenspende geborenen Kind besteht kein Verwandtschaftsverhältnis. (Analog dazu ist übrigens auch ein männlicher Samenspender von der Anfechtung der in ihrer Folge begründeten Vaterschaft ausgeschlossen). Hier bleiben Biologie und Recht also getrennt. Der einzige Weg, sie wieder zusammenzuführen, wäre die „Annahme als Kind“ (§ 1752 ff. BGB), also die Adoption durch den biologischen Elternteil.
Welche Rückschlüsse auf die Definition von Elternschaft und Familie lassen sich also aus dem deutschen Recht bzw. der Rechtsprechung ableiten?
Das deutsche Abstammungsrecht geht bislang grundsätzlich von biologischen Gegebenheiten aus. Wo die biologischen Gegebenheiten und die rechtliche Anschauung auseinanderfallen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit der hiervon Betroffenen, vor Gericht die Anpassung des rechtlichen an den biologischen Zustand zu verlangen. Die Möglichkeit der Anfechtung der Vaterschaft zeigt, dass sich im Konfliktfall die Biologie gegen bloß rechtliche Konstruktionen durchsetzen soll.
Dies gilt aber dann nicht, wenn die Herbeiführung der biologischen Tatsachen schon als solche rechtswidrig war (wie bei der Ei- oder Embryospende) oder aber die biologische Vaterschaft nach den Umständen des Einzelfalles von vornherein nicht als rechtliche Vaterschaft gelten soll, wie eben bei der Samenspende.
Gibt es ein Recht auf ein Kind?
Nein, natürlich nicht. Wenn heute zum Beispiel auch homosexuelle Männer Kinder adoptieren können – ein Vorgang, der früheren Generationen gänzlich unvorstellbar war – so wird dies ja nicht mit einem „Recht auf ein Kind“ begründet, sondern mit dem Recht auf Gleichbehandlung unabhängig von der sexuellen Orientierung.
Aber im deutschen Adoptionsrecht geht es von Haus aus immer nur um das Kindeswohl, nicht um die Wünsche und Interessen kinderloser Erwachsener und schon gar nicht „Minderheitenschutz“. Der Einzige, der im Adoptionsrecht irgendeinen Schutz genießt, ist das möglicherweise zu adoptierende Kind, alles andere darf überhaupt gar keine Rolle spielen.
Heute wird die Rede vom „Recht auf ein Kind“ allerdings eher in anderen Zusammenhängen gebraucht. Da geht es dann etwa um die sozialrechtliche Frage, ob und inwieweit die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet sein soll, reproduktionsmedizinische Maßnahmen für kinderlose Paare zu bezahlen, oder ganz allgemein darum, welche Techniken und Praktiken erlaubt sein sollen. Wenn Frauen zum Beispiel ihre Eizellen einfrieren lassen.
Umgekehrt: Hat ein Kind ein Recht auf Eltern? Auf seine leiblichen Eltern womöglich?
Nein, es hat allenfalls das Recht, nicht willkürlich oder rechtswidrig oder gegen seinen oder deren Willen von ihnen getrennt zu werden, wenn Eltern da sind. Nach Art. 7 der UN-Kinderrechtskonvention – das ist kein unmittelbar geltendes Recht, sondern eine politische Selbstverpflichtung der beteiligten Staaten – hat ein Kind „soweit möglich das Recht, seine Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden“. Nach Art. 9 soll ein Kind nicht gegen deren Willen von seinen Eltern getrennt werden, es sei denn, dies ist zu seinem Wohl erforderlich.
In Deutschland hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren das Recht von Kindern – bei den Klägern handelte es sich dann freilich um junge Erwachsene – gestärkt, den Namen der wirklichen Mutter oder des wirklichen Vaters zu erfahren – ersteres im Falle der Freigabe zur Adoption, letzteres, wenn eine ledige Mutter ihrem Kind den Namen des Erzeugers nie verraten wollte.
Embryonen- oder Keimzellspenden sind, wie gesagt, bis auf weiteres illegal, insofern gibt es schon deswegen keine flankierenden Rechte; bei der Samenspende wird durch institutionelle Vorkehrungen dafür gesorgt, dass der Spender nicht rückverfolgt werden kann.
Welches Konfliktpotential besteht bei der geplanten Reform des Abstammungsrechts in Hinblick auf das Grundgesetz?
Ich erkläre das mal beispielhaft am Fall des bereits erwähnten § 1592 Nr. 1 BGB. Gegen den gibt es jetzt konkrete Normenkontrollanträge zweier Obergerichte zum Bundesverfassungsgericht.
Der Gesetzgeber will, wie gesehen, dass im Regelfall biologische und rechtliche Abstammung zusammenfallen, und nur in Ausnahmefällen nicht. Auch die Vorschrift aus § 1592 Nr. 1, nach der also Vater ist, wer zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, setzt voraus, dass dieser Mann üblicherweise auch der biologische Vater sein wird.
Daher ist auch nach Öffnung der Ehe für alle eine Analogie in dem Sinne, dass nun eben die mit der Mutter verheiratete Frau ebenfalls qua Gesetz „Mutter“ wird, nach ganz herrschender Meinung nicht möglich. Denn es handelt sich eben um einen ganz anderen Fall als den, den der Gesetzgeber geregelt hat, und nicht um einen ganz ähnlichen Fall. Denn die mit der Mutter („qua Geburt“) verheiratete Frau wird nie und nimmer die biologische Mutter des Kindes sein, es sei denn, sie hätte Zelle oder Embryo gespendet, und das wäre verboten.
Die familienrechtlichen Senate des Kammergerichts, das ist also das „Oberlandesgericht Berlin“, und des Oberlandesgerichts Celle halten daher die Vorschrift nach Öffnung der „Ehe für alle“, die ja nach dem Durchgangsstadium der „eingetragenen Lebenspartnerschaft“ seit 2017 heute besteht, für verfassungswidrig, weil verheiratete Frauen einer heterosexuellen Ehe nicht gleich behandelt werden. Sie meinen, es müsse jetzt auch die Ehefrau der Mutter automatisch „Mutter“ werden – wenn schon nicht Vater.
Dies ist eine merkwürdige Rechtsauffassung. Denn diese Gerichte tun so, als sei die „Ehe für alle“ ein Gebot des Grundgesetzes, das im Familienrecht noch nicht hinlänglich umgesetzt worden ist.
Aber wenn im Grundgesetz eben steht, „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“, so ist damit die Einehe zwischen Mann und Frau gemeint. Denn der Text wurde bereits 1949 formuliert.
Natürlich ist das Grundgesetz auch für modernisierende Interpretationen offen – wenn zum Beispiel Art. 2 Abs. 1 GG vom Sittengesetz spricht, wird nicht für alle Zeiten das Sittlichkeitsempfinden von 1949 festgesetzt, sondern es ist das jeweilige, gegenwärtige sittliche Empfinden gemeint. Diese Methode der modernisierenden, zeitgemäßen Auslegung des Grundgesetzes findet ihre Grenzen aber dort, wo die Intention der Väter und Mütter des Grundgesetzes in ihr Gegenteil verkehrt wird. Dadurch würde nämlich der Mechanismus der Verfassungsänderung mit Zweidrittel-Mehrheiten im Bundestag wie im Bundesrat umgangen. Keiner der Väter oder Mütter des Grundgesetzes hat es für denkbar gehalten, dass eine Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen geschlossen werden kann; man müsste also das Grundgesetz klarstellend ändern.
Entsprechend kann auch das Gleichheitsgebot aus Art. 3 GG nicht die Verfassungswidrigkeit von § 1592 Nr. 1 BGB begründen. Für das Grundgesetz ist Ehe nur die Ehe zwischen Mann und Frau, die dem Grundgedanken nach auf die Produktion von Kindern ausgerichtet ist.
Dieser Maßstab gilt dann aber auch im Rahmen des Gleichbehandlungsgebots. Parallelfall: wenn Art. 12a die Wehrpflicht nur für Männer erlaubt, so verstößt das auch nicht gegen die Gleichbehandlung von Mann und Frau, weil es eben eine abweichende Verfassungsentscheidung war. Entsprechend kann Art. 6 nicht an Art. 3 GG gemessen werden, da beide Rechtsnormen gleichrangig sind. Sie müssen im Geiste „praktischer Konkordanz“ – so nennt man das – verstanden werden. Daher ist die Ehe im Sinne des Grundgesetzes nach wie vor die Ehe zwischen Mann und Frau, und eine Ungleichbehandlung der „Ehe für alle“ verstößt daher bis auf weiteres nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot. Das könnte erst dann der Fall sein, wenn die „Ehe für alle“ wirklich im Grundgesetz stünde.
Dann ist die 2017 eingeführte „Ehe für alle“ also verfassungswidrig?
Das weiß man letztlich nicht, weil das Bundesverfassungsgericht nie darüber entschieden hat. Um eine solche Prüfung auf Verfassungsmäßigkeit zu ermöglichen, müssten 25% der Abgeordneten des Bundestages oder wenigstens ein Bundesland eine Normenkontrollklage zum Bundesverfassungsgericht erheben. Es haben sich damals keine Kläger gefunden.
Noch nicht einmal das Bundesland Bayern, das sonst immer geklagt hat, gegen die Liberalisierung des Abtreibungsrechts oder gegen die Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft, hat sich getraut!
Die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ hat das Bundesverfassungsgericht 2002 immerhin für verfassungslegitim erklärt. Geklagt hatten die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. Hat das Ergebnis damals noch überrascht?
Das kann man wohl sagen! Die Mehrheit der Staatsrechtslehrer, also durchaus auch Linke und Progressive, rechneten damals eigentlich damit, dass die Normenkontrollklage der Länder Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen erfolgreich sein würde und die „eingetragene Lebenspartnerschaft“ für verfassungswidrig erklärt werden würde, ähnlich, wie bereits 1975 und 1993 Versuche der Liberalisierung des Abtreibungsrechts am Bundesverfassungsgericht gescheitert waren. Aber diesmal ging es anders aus.
Art. 6 Abs. 1 GG gebietet den „besonderen“ staatlichen Schutz für Ehe und Familie. Daraus hat die ganz herrschende Staatsrechtslehre immer ein „Abstandsgebot“ abgeleitet – mögliche alternative Lebensformen dürften vom Staat niemals in einer Weise begünstigt werden, die an den Schutz von Ehe und Familie erinnere.
Das Bundesverfassungsgericht hat dann aber 2002 eher überraschend gesagt, die eingetragene Lebenspartnerschaft berühre den „besonderen Schutz“ nicht, da die eingetragene Lebenspartnerschaft von vornherein etwas ganz anderes sei als die Ehe.
Nun war diese rechtliche Sichtweise damals vielleicht überraschend, aber nicht per se unvertretbar, immerhin waren eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe damals zwei Paar Schuhe, wenn sie auch recht ähnlich waren.
Problematisch ist aber, dass das Gericht, das die Verfassungslegitimität der eingetragenen Lebenspartnerschaft auf den Gedanken gestützt hatte, diese sei etwas ganz anderes als die Ehe – anders wäre es auch nicht gegangen, eine „alternative Ehe“ hätte das Abstandsgebot eindeutig verletzt – in der Folgezeit rasch und konsequent für eine Angleichung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe sorgte, nunmehr mit der Begründung, beides sei mehr oder weniger dasselbe, weswegen eine Ungleichbehandlung nicht länger gerechtfertigt sei.
Nun hat sich das alles aber erledigt. Seit 2017 gibt es die „Ehe für alle“. ist diese also verfassungswidrig?
Ich meine, ja, solange das Grundgesetz nicht klarstellend geändert wird. Die meisten Juristen – falls sie sich überhaupt mit der Frage auseinandersetzen – sehen das heute offenbar anders und meinen, der Zeitgeist habe sich eben seit 1949 durchgreifend geändert, so dass es mittlerweile nicht mehr ausgemacht sei, dass unter einer Ehe begrifflich nur die zweigeschlechtliche Ehe zu verstehen ist.
Aber wenn das richtig wäre, dann gäbe neben dem im Grundgesetz vorgesehenen Verfahren zu Änderung des Grundgesetzes – eben: Zweidrittel-Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat – noch ein anderes Verfahren, mit dem grundgesetzliche Normen ohne Abstimmung in ihr vollkommenes Gegenteil verwandelt werden können, nämlich wenn in den Medien oft genug verkündet worden ist, der Zeitgeist habe sich gewan-delt. Aber Verfassungen sind immer auch dazu da, dem Zeitgeist zu trotzen, gerade deswegen ja die besondere Festschreibung!
Wenn man hört, dass Verfassungsrecht offenbar auch etwas mit dem Zeitgeist zu tun hat, denkt man natürlich auch an die Reform des Abtreibungsrechts.
Das ist ein besonders drastisches Beispiel für eine „Verfassungsrevolution durch Umdeutung“. Denn die einschlägigen Verfassungsnormen – also vor allem die Menschenwürdegarantie – wurden ja nie auch nur im mindesten verändert. Die praktische Relevanz der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes lag bis Mitte der 1990er Jahre vor allem darin, dass die Abtreibung nicht einfach legalisiert werden durfte. In seiner ersten Abtreibungsentscheidung (1975) hatte das Bundesverfassungsgericht sogar den Satz aufgestellt, Abtreibung müsse eine Straftat bleiben; in seiner zweiten Abtreibungsentscheidung (1993) hat das Gericht dies so nicht mehr aufrechterhalten, wohl aber die Pflicht betont, der Staat müsse Abtreibung möglichst bekämpfen und dürfe sie nicht für rechtens erklären, sondern allenfalls für unter bestimmten Umständen entschuldigt oder straffrei.
Ohne dass sich seither insofern am Wortlaut der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes etwas geändert hätte, gilt jedoch heute bereits seit Jahren eine gemischte Fristen- und Rechtfertigungslösung nach Beratung, das heißt in der Sache gibt es ein „Recht auf Abtreibung“.
Da die Menschenwürdegarantie im Hinblick auf die Abtreibungsproblematik insofern also arbeitslos geworden ist, suchen progressive Juristen für sie nun eine Art Anschlußverwendung. Neuerdings wird behauptet, aus der Menschenwürdegarantie in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz folge die Pflicht, die Grenzen offenzuhalten und Einwanderung nicht von der Tüchtigkeit abhängig zu machen, sondern allenfalls von der Bedürftigkeit. Aber das ist ein anderes Thema.
„Verfassungsrevolution durch Umdeutung“? Könnte man hier Parallelen bei der geplanten Reform des Familienrechtes sehen? Welche „Revolution“ könnte sich hieraus entwickeln?“
Es geht bei den seitens der Ampelkoalition nun in Angriff genommenen Reformen immer um eine Durchbrechung und Abschaffung der biologischen Grundierung des Familienrechts jedenfalls im Regelfall. Verwandtschaft soll vom Willen abhängig sein und nicht von den Genen.
So sollen den wirklichen Eltern bis zu zwei „soziale Eltern“ an die Seite gestellt werden können, die ein sogenanntes „kleines Sorgerecht“ ausüben; Verabredungen darüber sollen schon vor der Empfängnis möglich sein.
Die „doppelte Mutterschaft“ von miteinander verheirateten Frauen soll der Regelfall sein, wenn ein Kind geboren wird, auch sollen Embryo- oder Eizellspende legalisiert werden. Auch sind Verantwortungsgemeinschaften geplant, in denen sich mehr als zwei Personen egal welchen Geschlechts verbinden können.
Ist das die „Einführung der Polygamie durch die Hintertür? Wie auch die „Mehr-Elternschaft“?
Ich glaube nicht, dass der Staat bzw. der Gesetzgeber dies in erster Linie im Sinn hat, was hätte er davon? Hintergrund der Mehrelternschaft wie der „Verantwortungsgemeinschaft“, sei sie nun polygam oder platonisch, dürfte eher sein, dass der Staat neue Unterhaltstatbestände schaffen will, um nicht so viel Hartz-IV zahlen zu müssen.
Das Problem und den Versuch seiner Lösung gibt es auch in anderen Ländern. Ein Familienrechtler hat mir berichtet, dass man in manchen US-Bundesstaaten das Unterhaltsproblem nicht mit Mehrelternschaft oder der Anerkennung polyamouröser Gesamtkomplexe angeht, sondern eher auf die puritanische Art. Hat dort ein Mann vor geraumer Zeit einmal bei einer Frau übernachtet und lag seine Zahnbürste vor ihrem Badezimmerspiegel, dann sagen sie dort, das war eine Lebensgemeinschaft. Wird die Frau dann später bedürftig, soll der Mann unterhaltspflichtig sein, und umgekehrt natürlich auch. Also egal, was Zahnärzte sagen – regelmäßiges Zähneputzen hat nicht nur Vorteile!
Welche Folgen hätte eine „Mehr-Elternschaft“ für das Sorgerecht?
Also, jedenfalls wird dadurch nichts einfacher. Schon heute gilt ja – viele wissen das gar nicht – dass, wenn es in der Ehe Kinder gibt, man sich gewissermaßen nicht mehr wirklich scheiden lassen kann. Denn durch das gemeinsame Sorgerecht, dass heute, anders als früher, auch nach der Scheidung in aller Regel aufrechterhalten bleibt, muss man sich weiter, jedenfalls bis zur Volljährigkeit der Kinder, mit dem Ex-Partner laufend abstimmen. Ob entsprechendes auch für die sozialen Mit-Eltern gelten würde, ist noch nicht heraus. Das sogenannte „Kleine Sorgerecht“ für Stiefkinder erlischt heute jedenfalls mit dem Ende der Beziehung.
Weiter gefasst: Welche Folgen hätte eine „Mehr-Elternschaft“ für die vielen rechtlichen Vertretungen, die Eltern für ihre minderjährigen Kinder im Alltag übernehmen?
Also, wenn ich es richtig verstehe, sollen diese sozialen Mit-Eltern offenbar das sogenannte „Kleine Sorgerecht“ haben, § 1687b BGB. Dabei geht es darum, dass der Ehegatte eines Elternteils, der das alleinige Sorgerecht an seinem Kind aus einer früheren Beziehung hat, mit dessen Einverständnis zur „Mitentscheidung in täglichen Angelegenheiten des Kindes“ befugt ist.
Das heißt, Sie halten diese Neuerungen – anders als die „Ehe für alle“ und den Wandel des Abtreibungsrechts entgegen der jahrzehntelangen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – nicht für sonderlich revolutionär?
Doch, wenn auch eher potentiell als aktuell. In der Tat sehe ich die Versuche der „Entbiologisierung“ der Elternschaft mit großer Sorge. Denn wenn man jetzt für bestimmte Teile der Bevölkerung sagt, Elternschaft hat nichts mit Biologie zu tun, sondern ist ein rein rechtliches Konstrukt – wie will man dann sicherstellen, dass diese Sichtweise nicht früher oder später auch auf die „Normalbevölkerung“ übertragen wird? Heißt es dann irgendwann: Du bist nicht Mutter des Kindes, nur weil Du es geboren hast – sondern wer seine Mutter ist, entscheiden die Behörden?
Der Satz am Anfang des Grundgesetzes, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, gilt erkennbar nur, wenn man diese Menschenwürde streng naturrechtlich auffasst, auch wenn das heute bei den Kollegen nicht mehr modern ist. Denn ginge dieser Satz weiter: „was aber ein Mensch ist, das bestimmen jeweils die einfachen Gesetze, die Rechtsverordnungen und die Verwaltungsentscheidungen“ – dann gäbe es keine Menschenwürde mehr.
Nichts anderes gilt aber von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht“. Wenn das überhaupt etwas bedeuten soll, muss man es naturrechtlich verstehen. Wenn man hingegen ergänzt: „das Recht mag natürlich sein – aber was über-haupt Eltern sind, das bestimmt die Politik!“, dann gibt es kein entsprechendes Grundrecht mehr.
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