Schleswig-Holstein setzt einen Gegentrend zum Saarland. In beiden Ländern war ein CDU-Ministerpräsident angetreten, in beiden Ländern war dieser mit harten Bandagen gegen Ablehner der Corona-Impfung aufgefallen, in beiden Ländern handelte es sich um einen Merkel-Erben. Offenbar hatte in beiden Fällen nicht so sehr das bundesdeutsche Geschehen als die Landespolitik den Ausschlag gegeben. Der Kandidat der Sozialdemokraten, Thomas Losse-Müller, galt zudem als schwach.
Dabei ist die Frage, wie das Ergebnis zustande gekommen ist, nur von zweitrangiger Bedeutung. Seine Signalwirkung ist bedeutender. Die CDU will darin einen großen Sieg verbuchen, eine erste Niederlage der Ampel. Doch die Konstellationen in Kiel geben das nur bedingt her – hier regieren Grüne und FDP mit der Union, und die Gründe, weshalb Grün und Schwarz zulegen, aber Gelb verliert, dürften eine norddeutsche Angelegenheit sein. Wollte man das Ergebnis bundesdeutsch deuten, dann heißt der Wählerauftrag: Schwarz-Grün.
Triumph von Kiel ist ein Triumph der Merkelianer
Es ist nicht so wichtig, ob der CDU-Vorsitzende tatsächlich das Ziel einer Neuorientierung verfolgt, oder diese nur inszeniert. Machttaktisch stellt Günther ein Problem für die CDU dar, will sie neue Akzente setzen. Der Weg des geringsten Widerstands ist zu verlockend. Und Günther könnte sich in Zukunft auf dieses Rezept berufen, das der CDU 16 Jahre lang den Kanzlerposten zusicherte. Als Ministerpräsident von Schleswig-Holstein hätte er zwar keine Machtbasis wie manch anderer Landesfürst – dafür ist das despektierlich genannte „Schläfrig-Holstein“ zu unbedeutend.
Die „Transformation“ der CDU entpuppt sich als Farce
Doch nach dem Ende von Tobias Hans im Saarland könnte sich Günther als wichtigster Vertreter des einstigen Merkel-Flügels positionieren, Stimmungen steuern und Anhänger um sich scharen. Wenn ihm auch der Griff nach der eigentlichen Macht innerhalb der Partei verbaut ist – ein Störfaktor dürfte er werden, will die Union ihre eigene „Transformation“ absolvieren, um nicht dasselbe Schicksal wie die italienische Democrazia Cristiana (DC) zu erleiden.
Über der lag bis zuletzt der Schatten des siebenfachen Premiers Giulio Andreotti, der erheblichen Anteil am Erfolg und Niedergang der DC hatte. Bisher bleibt fraglich, ob die deutsche Schwesterpartei lernt, diese tödliche Umarmung zu beenden. Dass Merkels Knappe seinen Posten im Norden behält, spricht gegen eine solche Aufarbeitung. Der Wahlsieg könnte für die Partei zum vergifteten Geschenk werden. Die „Transformation“ der CDU entpuppt sich als Farce.