Tichys Einblick
Ergrünter CDU-Genosse

Daniel Günther für „liberalere Haltung“ der Union bei Zuwanderungsfragen

Ministerpräsident Daniel Günther kündigte nach der letzten Landtagswahl in Schleswig-Holstein die Jamaika-Koalition auf und macht seitdem auf „Schwarz-Grün“. Sein schwarz-grüner Schmusekurs bricht auch in einem Interview mit einer Tageszeitung durch, als es um die Zuwanderungsfrage geht.

Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein

IMAGO / Political-Moments

Schleswig-Holsteins grün-grüner, pardon: schwarz-grüner Ministerpräsident Daniel Günther (CDU!) irrlichtert mal wieder durch die Presselandschaft – und durch seine Partei! Soeben hat er die WELT (Ausgabe vom 27. Dezember) in einem Interview wissen lassen, wie er so tickt und wie die CDU ticken soll.

Dort, wo es so richtig spannend würde, bleibt Günther im Ungefähren. Zum Beispiel bei der Frage, ob die Bundesregierung der Ukraine Leopard-Panzer zur Verfügung stellen solle. Günthers Antwort wischiwaschi: „Deutschland muss alles tun, die Ukraine auch militärische bestmöglich zu unterstützen. Dennoch sollten wir weiterhin besonnen und abgewogen reagieren.“ Ende der Durchsage dazu.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Wischiwaschi, wenn nicht gar hinterhältig gibt sich Günther auch dort, wo es um sein Verhältnis zum CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz geht. Die WELT fragte: „Aber ein Gegenmodell zu Friedrich Merz sind Sie schon, oder?“ Günthers zweifach ansetzende Antwort: „Wir ziehen an einem Strang. Bei bestimmten Fragen haben wir aber einfach unterschiedliche Positionen, wie das in einer Volkspartei üblich ist. Und natürlich sind wir unterschiedliche Typen – auch das ist völlig in Ordnung.“ Dann folgt noch der Satz: „… ich arbeite mit Friedrich Merz ausgesprochen gut zusammen. Das war sicher keine Liebe auf den ersten Blick, das ist ja hinlänglich dokumentiert. Aber wir haben im vergangenen Jahr unter Beweis gestellt, dass ein gutes und konstruktives Miteinander auch auf den zweiten Blick gelingen kann.“

Nun, Freunde werden die beiden nie. Günther brennt vor Ehrgeiz, er weiß, dass er selbst 49 Jahre und Merz 67 Jahre alt ist. Und Günther will um alles in der Welt Schwarz-Grün bzw. Grün-Grün mit ein paar schwarzen Einsprengseln. Das sagt er unverhohlen wie folgt: „… in Zeiten, in denen es darum geht, dem Klimawandel zu begegnen und gleichzeitig unseren Wohlstand zu erhalten, bietet ein Bündnis zwischen CDU und Grünen aus meiner Sicht die beste Basis, diese Ziele auch zu erreichen.“ In Schleswig-Holstein hat er nach der letzten Landtagswahl vom 8. Mai denn auch die bisherige Jamaika-Koalition aufgekündigt und auf „Schwarz-Grün“ gemacht.

Dieser schwarz-grüne Schmusekurs bricht dann auch im WELT-Interview durch, als es um die Zuwanderungsfrage geht. Die WELT fragt: „Merz warnt vor einem erleichterten Zugang zum deutschen Pass. Man dürfe die Staatsbürgerschaft nicht verramschen. Hat er recht?“ Günther antwortet: „Das hat er so nicht gesagt und sich von dieser Art der Sprache deutlich distanziert. Es geht um Menschen und da verbietet es sich für eine christliche Partei, ein solches Thema in dieser Form zu debattieren. Da bin ich mir mit Friedrich Merz einig. In der Sache selbst, bei der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, habe ich eine offenere Position.“

Und dann der umwerfende Satz, der die CDU wohl über kurz oder lang aus dem Rang einer Volkspartei hinauskatapultieren wird: „Insgesamt steht es der Union gut zu Gesicht, wenn sie bei Zuwanderungsthemen eine liberalere Haltung einnimmt … Mit gezielter Anwerbung und mit einem modernen Staatsbürgerschaftsrecht. Das aktuelle Regelwerk ist dafür nicht ausreichend.“

Notorisch-nostalgischer Merkelianer

Was führt Günther hier im Schilde? Der unverbesserlich-nostalgische Merkelianer will die CDU offenbar ins 20- bis 25-Prozent-Ghetto verbannen. Dorthin, wo die SPD Platz gefunden hat, weil sie den Willen der Mehrheitsgesellschaft in Sachen Multikulturalität und Zuwanderung ignoriert. Günther tut im Grunde auch subversiv das, was Anfang Dezember 18 CDU-Bundestagsabgeordnete um den CDU-Ex-Kanzler-Kandidaten Armin Laschet getan haben, als sie bei der Abstimmung über das „Gesetz zum Chancen-Aufenthaltsrecht“ ihrem Funktions- und Parteichef Friedrich Merz die Gefolgschaft verweigerten und den Gesetzesvorschlag der „Ampel“ mit Stimmenthaltung adelten.

Zuwanderung und Einbürgerung
Abstimmung im Bundestag: Merkelianer meutern gegen Merz
So tickt die CDU mittlerweile im zweiten Glied, wo man kräftig mit den Hufen scharrt. Man bildet sich ein, dass der Wähler die CDU als grünes Imitat und nicht das grüne Original wählt. Dass dies nicht funktioniert, musste die CDU 2011 schmerzlich erfahren, als Merkel nach „Fukushima“ die Atomkraftwerke abschalten ließ und meinte, damit die damalige Landtagswahl in Baden-Württemberg zu gewinnen. Zur Erinnerung: Das „Ländle“ wird seitdem von einem „grünen“ Ministerpräsidenten regiert. Die CDU landete erst in der Opposition und ist nun kleiner Juniorpartner.

Daniel Günther ficht all das nicht an. Mit den Grünen in Schleswig-Holstein macht er alles eifrig mit, was als „woke“ gilt: Queerpolitik, Gendersprache usw. Und es ist gar nicht so lange her, dass Günther zwar mit Verve eine Brandmauer „gegen rechts“ forderte, aber ostdeutschen CDU-Verbänden nahelegte, über Koalitionen mit der Mauerbauerpartei SED/PDS/LINKE nachzudenken. Von daher auch sein Name „Genosse Günther“.

Nun, seit Franz Josef Strauß wissen wir: Wer nach allen Seiten offen ist, der ist nicht mehr dicht. Und was im Kopf von Friedrich Merz vorgeht, wenn er von Daniel Günther hört oder liest, können wir auch erahnen: „Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.“ Oder die Klimax: „Feind. Todfeind. Parteifreund.“


Die mobile Version verlassen