Déjà-vu heißt das Wort für das Gefühl, eine neue Situation schon mal erlebt zu haben. Die Schlagzeile „Krankenstand erreicht Rekord-Niveau“ zu lesen, wirkt wie ein Déjà-vu – ist aber keines. Denn diese Schlagzeile begleitet die Deutschen seit der Pandemie. Aber es sind keine Grippen, die den Krankenstand von einem Rekord zum nächsten treiben. Nicht einmal in der Form von „absoluten Killervarianten“.
Allerdings hat die „absolute Killervariante“ schon etwas mit dem steigenden und steigenden Krankenstand zu tun. Wie sich herausstellt, macht es etwas aus den Menschen, wenn der Staat sie zuhause einsperrt. Wenn der Staat seinen Polizeiapparat einsetzt, um Geburtstagsfeiern zu stürmen oder Kinder vom Rodelschlitten zu zerren, weil die Situation so bedrohlich sei. Und wenn Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in der größten Zeitung vor der „absoluten Killervariante“ warnt. Auf Basis einer Studie, die sagt, dass es nicht ganz auszuschließen sei, dass so etwas theoretisch möglich wäre.
In Zahlen wirkt sich das so aus: Schon im vergangenen Jahr lag der Krankenstand zwischen dem 1. Juli und dem 30. September laut DAK auf einem Rekordniveau von 4,7 Prozent. Im dritten Quartal dieses Jahres waren es 5,0 Prozent. Eine Steigerung um 0,3 Prozentpunkte – also eine Steigerung von 6,4 Prozent. Von einem Rekordniveau ausgehend.
Das bedeutet: Im Durchschnitt hatte jeder Beschäftigte fünf krankheitsbedingte Fehltage. In einem Zeitraum von 92 Tagen – von denen 27 Tage auf einen Samstag oder Sonntag fielen. Die DAK geht davon aus, dass zum Jahresende jeder Arbeitnehmer im Schnitt 20 krankheitsbedingte Fehltage gehabt haben wird. Eine Sommergrippenwelle habe es indes nicht gegeben. Auf Lauterbachs „absolute Killervariante“ warten wir alle seit anderthalb Jahren, aber es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass sie theoretisch noch möglich ist.
Es ist die Zahl der Fehltage wegen Depressionen und Angststörungen, die seit dem dritten Quartal des Vorjahres um ein Viertel zugelegt hat. Von einem Rekordniveau aus. Auch bei den Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems ist der Krankenstand ebenso stark gestiegen: „Ein Anstieg von einem Viertel gegenüber dem Vorjahresquartal ist als dramatisch, quasi als epidemisch zu bezeichnen“, sagt Professor Volker Nürnberg. Er ist Experte für Betriebliches Gesundheitsmanagement.
Der stark erhöhte Krankenstand treffe Deutschland in Zeiten eines steigenden Personalmangels und sei eng mit diesem verknüpft, sagt DAK-Chef Storm. So habe ein „Teufelskreis“ begonnen: Denn fallen die einen Kollegen aus, belastet das die anderen umso mehr. Storm fordert daher: „Die Themen Gesundheit und psychisches Wohlbefinden der Beschäftigten müssen ganz oben auf die Agenda der Unternehmen. Wir müssen den Teufelskreis zwischen steigendem Krankenstand und der Personalnot durchbrechen.“
Der Kassenchef schlägt einen runden Tisch vor – es wäre aber schon geholfen, wenn verantwortungslose Verantwortliche in der Politik nicht mehr von „absoluten Killervarianten“ und Ähnlichem schwafeln. In dem Sommer, in dem die psychischen Erkrankungen auf einen Rekordwert stiegen, zog Lauterbach eine Kampagne durch, in der er vor den Gefahren des Hitzetodes warnte. Für die einen war es ein Déjá-vu – für die anderen nur verantwortungslos.