Tichys Einblick
Was immer das ist

CSU legt Programm für die Übernahme der Bundesregierung vor: mit „bürgerlichen Wohlstands-Projekten“

Die CSU-Landesgruppe des Bundestages hat ihr Regierungsprogramm vorgelegt. Sie verspricht darin „bürgerliche Wohlstands-Projekte“ – was immer das ist. Außerdem fordert sie „Gefängnis für Klimakleber!“ und ein „Ruanda-Modell für Asylbewerber!“

IMAGO / Revierfoto

Alljährlich trifft sich die CSU-Landesgruppe des Bundestags um den Dreikönigstag herum zu ihrer Jahresauftakt-Klausur im oberbayerischen Kloster Seeon. Die Schlagzeilen sind ihr gewiss, weil der Politikbetrieb weitgehend noch in der Weihnachts- und Neujahrsstimmung verweilt. Zentral soll es bei der von Gruppenchef Alexander Dobrindt geleiteten Tagung der 45 CSU-Bundestagsabgeordneten (2022 waren es mal 58) um die Verabschiedung eines Regierungsprogramms gehen, falls die CSU im Bund wieder an der Macht beteiligt sein sollte.

Zwei „Warming-up“-Schlagzeilen vorab

Erstes „Warming-up“-Thema: Bereits ein paar Tage vor der Klausur preschte die CSU mit der Forderung vor: „Wir brauchen ein Ruanda-Modell“ nach britischem Vorbild. Das heißt: Migranten, die die britischen Inseln irregulär erreichen, sollen nach Ruanda gebracht werden, das im Gegenzug Geld bekommt. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erklärte unlängst ein ähnliches Modell: Italien werde zwei Aufnahmezentren für Migranten errichten – und zwar in Albanien. Dort, also außerhalb der EU, würden Asylanträge geprüft und die Menschen, wenn nötig, schneller rückgeführt.

Selbstbestimmungsgesetz:
CDU/CSU-Fraktion stellt viele Fragen
Zu Gast bei der CSU-Tagung zu diesem Thema sind der dänische Migrationsminister Kaare Dybvad Bek, ein Sozialdemokrat auf CSU-Linie, und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Mit beiden wird man „Ruanda“ wohl diskutieren. Ziel, so ein CSU-Papier, sei es, „Asylverfahren unter dem Schutz der Europäischen Union in sicheren Drittstaaten außerhalb Europas durchzuführen. Und weiter: „Wir brauchen ein Ruanda-Modell für ganz Europa, um illegale Migration endlich zu stoppen und die Logik des Schleuser-Geschäfts zu zerstören.“ Damit erhöht die CSU den politischen Druck im Vorfeld der „Europawahl“ im Juni 2024 und der drei ostdeutschen Wahlen im September 2024. Man will der AfD das Thema „Begrenzung der Migration“ nicht allein überlassen.

Zweites „Warming-up“-Thema: Die CSU-Landesgruppe will über deutlich härtere Strafen für Blockierer von Flughäfen und Rettungswegen beraten. Es brauche „dringend schärfere Gesetze gegen Klima-Straftäter – mit Präventivgewahrsam und Mindesthaftstrafen“, sagte Dobrindt schon mal vorab. Und weiter: „Der Grundsatz muss gelten: Wer verhindert, dass Flugzeuge abheben, muss im Gefängnis landen.“ Denn die „Aktionen der Klimachaoten zeigen eine fortschreiende Radikalisierung“, so Dobrindt. Darauf müsse der Staat „mit Konsequenz und Härte“ reagieren: „Wer Straftaten ankündigt und wiederholt durchführt und dabei Bürger massenhaft vorsätzlich nötigt, ist ein Straftäter und kein Klimaschützer.“

Die Bild zitierte aus dem Beschlussentwurf: „Da die Klimachaoten mit ihren Straftaten regelmäßig auch Leib und Leben anderer Menschen gefährden, wollen wir die Blockade von Rettungswegen und die Behinderung von Rettungsmaßnahmen mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten bestrafen.“ Dem Papier zufolge strebt die CSU „eine bundeseinheitliche Regelung an, mit der Wiederholungstäter beim Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für neue Straftaten vorbeugend in Präventivgewahrsam genommen werden können“.

Programm für die Zeit nach einer Regierungsübernahme durch die Union

Die Themen „Ruanda-Modell“ und „Klimakleber“ sind aber nur „Eye Catcher“. Denn es geht der CSU bei ihrer Klausurtagung um viel mehr, nämlich um ein Programm für den Fall, dass die CSU wieder an der Bundesregierung beteiligt sein wird. Dobrindt ging hier gleich in die Vollen: Der „Welt am Sonntag“ sagte er, man stehe bereit „für eine Politik für Wohlstand, Wachstum und Wiederbelebung nach dem Ende der Ampel“. Und: Man sei „keine Variante der Ampelpolitik“, sondern „der politische Gegenentwurf“ (siehe hier).

Rat- und Richtungslosigkeit der Ampel
Neuwahlen 2024: Es bleibt nur dieser Weg, um die Endlosmisere in Berlin zu beenden
Kern dieses Konzepts ist laut „Welt am Sonntag“ und dpa eine Liste mit „bürgerlichen Wohlstands-Projekten“, die die CSU unmittelbar umsetzen möchte, wenn die Union das Kanzleramt zurückerlangt hat. Aufgeführt werden auch „Ampel-Ideologieprojekte“, die die CSU in Regierungsverantwortung sofort wieder rückgängig machen wolle. Zurückdrehen will die CSU das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), das von der Ampel eingeführte Bürgergeld, die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke, die Schaffung von 5.000 neuen Verwaltungsstellen für die Kindergrundsicherung sowie die von der Koalition beschlossenen Maßnahmen zur schnelleren Einbürgerung. Auch das Selbstbestimmungsgesetz, das die Änderung des Geschlechtseintrags erleichtern soll, und die geplante Cannabis-Legalisierung sollen aus Sicht der CSU gestrichen werden. Der Mittelstand soll steuerlich entlastet werden.

Steuererhöhungen, wie sie die Ampel-Koalition unter anderem zur Sanierung des Haushalts vorsieht, lehnt die CSU strikt ab. Vielmehr soll es „Steueranreize für Leistungsbereite“ geben, indem Überstunden steuerfrei gestellt werden. Geplant ist auch, dass Besitzern von Eigenheimen die Kosten für die energetische Sanierung in voller Höhe von der Erbschaftsteuer abgezogen werden können. Zu den Themen „innere“ (Polizei) und „äußere“ Sicherheit (Bundeswehr) haben wir bislang keine CSU-Aussagen gefunden. Auch nichts Konkretes zum jüngsten Vorstoß Söders, eine Wehrpflicht von 7 Monaten wieder einzuführen.

Rückenwind für Merz?

CDU-Chef Friedrich Merz steht nicht auf der offiziellen Gästeliste. „Gast“ ist auf jeden Fall CSU-Chef Markus Söder. Söder wird in Seeon nicht die graue Maus geben. Denn Söder wäre nicht Söder, würde er nicht mit stolzgeschwellter Brust ins ehemalige Benediktinerkloster reisen. 41 Prozent würde die CSU derzeit laut GMS-Umfrage einfahren und damit alle anderen weit hinter sich lassen, zum Beispiel die Freien Wähler (FW) mit 16 und die AfD mit 14 Prozent, ja gar alle drei „Ampel“-Parteien, die derzeit in Bayern in der Summe mit 22 Prozent gerade einmal etwa auf die Hälfte der CSU-Anteils kämen: Grüne 13, SPD 6, FDP 3 Prozent (siehe hier).

Da darf man gespannt sein, wie Söder die mit Gewissheit anstehenden Fragen nach der Kanzlerkandidatur der Union umschifft. Bis zum Bundesparteitag im Mai 2024 will die Union laut Friedrich Merz bekanntgeben, wann sie über die Kanzlerkandidatur entscheidet. Söder hatte vor einer zu frühen Festlegung auf einen Kanzlerkandidaten der Union für die Bundestagswahl 2025 gewarnt. „Wir sollten uns in der Union nicht von außen mit einer verfrühten Diskussion ablenken lassen“, sagte Söder der Bild am Sonntag. „Es ist wie beim Elfmeterschießen: Wer zu früh anläuft, der verschießt.“

Aktuell (!?) sieht Söder den CDU-Vorsitzenden Merz als ersten Anwärter auf die Kandidatur: „Selbstverständlich ist der Vorsitzende der größeren Partei unter den Unionsschwestern ein natürlicher Kandidat. Würden wir jetzt (sic!) wählen, wäre er auch der klare Favorit. Und ich plädiere ja für eine Neuwahl so schnell wie möglich.“ Söder versprach, dass es zu keinem neuen Streit um den Kanzlerkandidaten kommen werde: „2021 wird sich nicht wiederholen.“ Söder hatte sich im August 2023 dafür ausgesprochen, den Unionskandidaten erst nach den Ost-Wahlen zu küren. Im September 2024 werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Landtage neu gewählt.

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