Tichys Einblick
Pantisanos Wünsche über dem Grundgesetz?

CSD: Wie der Regierende Bürgermeister von Berlin seine Wähler verrät

Als erster Regierender Bürgermeister hatte Kai Wegner (CDU) gemeinsam mit Bärbel Bas den CSD in Berlin eröffnet. In seiner Rede versprach er: „Wir wollen den Artikel 3 des Grundgesetzes ändern.“ Damit hat er klargestellt, dass die Wünsche des Berliner Queer-Beauftragten Alfonso Pantisano (SPD) über dem Grundgesetz stehen.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Regierender Bürgermeister von Berlin Kai Wegner, Kultursenator Joe Chialo, Alfonso Pantisano, Queer-Beauftragter des Landes Berlin, Berlin, 22. Juli 2023

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Vor wenigen Tagen stand zumindest theoretisch noch die Frage im Raum, ob die Transsexuellen-Lobby in Berlin die Regierung in eine Krise stürzt. Kai Wegner hat es vorgezogen, lieber die Krise der CDU zu befeuern und einen Rekord in der Tiefe des Kniefalls vor selbiger Lobby zu vollziehen, anstatt seinem Wählerauftrag nachzukommen, eine liberal-konservative Politik im Interesse aller Berliner, auch der in den äußeren Bezirken zu machen. Dafür wurde er gewählt.

Gestern nun dementierte der Regierende Bürgermeister von Berlin seine hasenfüßige Distanzierung von dem dreisten Angriff eines Mitglieds seiner Regierung auf die Presse- und Meinungsfreiheit in Wort und Tat – und zeigte, dass er kein Problem damit hat, wenn Feministinnen als „Hündinnen“ diffamiert und Menschen, die ihre Familien ernähren und ihre Kinder erziehen wie die meisten Berliner, als Hetero-Säue beschimpft werden, und der Staatsanwalt gegen die Presse ausgesandt wird. Er zeigte das, als er mit Alfonso Pantisano – man möchte fast schreiben Arm in Arm – auf der Tribüne des Christopher Street Days erschien, anstatt ihn zu entlassen.

Damit gibt er seinen Fraktionschef Dirk Stettner der Lächerlichkeit preis, der noch tapfer getwittert hatte: „Da andere Behauptungen kolportiert werden: Herr @Pantisano agiert mit diesem Vorgehen nicht im Namen des Landes Berlin und / oder der @RegBerlin.“ Doch genau das macht er. Wegner hat gestern klar gestellt, dass Pantisanos Wünsche über dem Grundgesetz stehen.

Als erster Regierender Bürgermeister von Berlin hatte Kai Wegner auf der Bühne gemeinsam mit der Schöpferin von Bürgerräten, Bärbel Bas, den CSD eröffnet. Kein Bürgermeister einer „großen“ oder einer rot-rot-grünen Koalition ist so weit gegangen wie der Bürgermeister von der CDU. Damit erhielt der CSD zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt eine amtliche Bedeutung und darf sich Hoffnungen darauf machen, so etwas wie der 1. Mai in der DDR zu werden.

Dass das keine Übertreibung ist, bewies Wegner eilfertig in seiner Rede mit dem Versprechen, eine Initiative gegen das Grundgesetz zu starten. Er sagte: „Meine feste Zusage für diesen Berliner Senat ist: Wir wollen den Artikel 3 des Grundgesetzes ändern. Da muss die sexuelle Identität mit rein. Das ist mein Versprechen.“ Und er drohte: „Wir werden das gemeinsam mit euch auch hinbekommen.“

Dass diese Forderung im Zusammenhang mit der Diskriminierung Heterosexueller steht, hat niemand anderer als Pantisano bereits dokumentiert. Es sei daran erinnert, dass damals zwei Postkarten nebeneinander in die Kamera gehalten wurden. Auf der einen wurde die Forderung erhoben, den Artikel 3 des Grundgesetzes zu verändern, also Wegners gestriges Versprechen, und auf der anderen stand die Diffamierung: „Du Hetero-Sau!!!!!!“ Genauer kann man wohl kaum sagen, gegen wen sich die Änderung des Grundgesetzes richtet, die gestern Wegner versprochen hat, nämlich gegen die Interessen der meisten Berliner und Berlinerinnen.

Der Artikel 3 des GG benennt das Diskriminierungsverbot. Es heißt dort:

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Die Formulierung ist perfekt, ausgewogen und verbrieft die Gleichheit der Menschen. Wegner stört das oder er hat es nicht begriffen, jedenfalls beugt er sich nun den Forderungen der Queer-Lobby, gleicher in diesem Land als die anderen zu sein. Abschnitt 3.3 sagt nämlich alles aus und schließt alle ein.

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Die Einfügung der sexuellen Identität erledigt den Gleichheitsgrundsatz, erledigt die Wissenschafts-, die Presse- und die Meinungsfreiheit und den Schutz der Familie. Würde die sexuelle Identität eingefügt, würde das ein Gesetz erzwingen, in dem unter Strafe gestellt wird, die naturwissenschaftliche Wahrheit auszusprechen, dass es biologisch nur zwei Geschlechter gibt. Es wäre das Gesetz, das Pantisanos Anzeige gegen Reichelt den gesetzlichen Boden lieferte. Damit wäre praktisch die Wissenschaftsfreiheit beendet, denn wer dürfte in der Biologie noch diese Grundwahrheit vertreten, dass es nur zwei Geschlechter gibt, wer dürfte das noch sagen, noch schreiben, ohne zum Verfassungsfeind erklärt, von Haldenwangs Behörde ausgespäht zu werden und sich vor dem Richter wiederzufinden, denunziert, angezeigt von Pantisano und Co.? Denn das ist der Hintergrund der so harmlos klingenden Forderung.

Der Abschnitt 2 würde vermutlich gestrichen, denn Männer und Frauen existieren dann nicht mehr, oder nur noch als marginalisierte, gesellschaftliche Randgruppe, obwohl sie die Mehrheit in der Gesellschaft bilden, Hetero-Säue eben, die den diversen Geschlechtern zu weichen haben. Den Drag Queens würde damit der Weg in die Kindergärten amtlich geöffnet, wie auch der Griff nach unseren Kindern, die Frühsexualisierung unserer Kinder zum Ziel erklärt, der gesellschaftliche Druck zu Pubertätsblockern und zu Geschlechtsumwandlung schon ab 14 Jahre würde erhöht und legitimiert. Wegner hat versprochen, das Recht auf Kindheit anzutasten. Kindheit wäre kein geschützter Bereich mehr.

Ist das Grundgesetz erst einmal so in sein Gegenteil verkehrt, dürfte man Hendrik Wüsts NRW-Meldestellen in der ganzen Bundesrepublik einrichten müssen, womit nicht nur Denunziation, Einschüchterung und Benachteiligung gefördert würden, sondern queere NGOs steuerlich in ungekanntem Maß finanziert und mit quasi hoheitlichen Aufgaben bedacht werden. Zumindest in Berlin besäße man für diese Meldestellen schon eine Adresse: die Normannenstraße.

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Mit der Änderung des Grundgesetzes würde auch das Gender-Diktat zum Gesetz erhoben. Das Gendern von Sprache wurde von den Theoretikern dieser Bewegung wie Judith Butler von Anfang an als Kampfform begriffen, als Eroberung der Sprache, der Art und Weise wie gesprochen und gedacht wird, um sich dadurch „diese eifersüchtig gehüteten Begriffe aus dem herrschenden Diskurs“ anzueignen, um sie „für eine neue politische Bewegung“ umzuarbeiten und zu resignifizieren, schrieb Judith Butler in ihrem Buch „Hass spricht. Zur Politik des Performativen“, aus dem im Übrigen nur Satz für Satz Butlers Hass auf die Heterosexualität spricht. Und es verwundert in diesem Zusammenhang kaum, dass die große Abwesende in Butlers Text die heterosexuelle Frau ist.

Judith Butler sagt es so deutlich, wie es in ihrer verschwurbelten Sprache irgend geht: „Ich möchte sogar behaupten, dass gerade darin, dass der herrschende, autorisierte Diskurs enteignet werden kann, eine Möglichkeit seiner subversiven Resignifikation liegt.“ Unter Resignifikation wird Umdeutung oder genauer Um-Bezeichnung verstanden, also das Verfahren, das man in Orwells „1984“ nachlesen kann. Allgemein gesprochen handelt es sich darum, die Begriffe umzudeuten, den Diskurs zu unterlaufen, ihn umzukehren, ihn gegen den Klassen- oder in neuer Lesart den Geschlechterfeind zu richten.

Was Judith Butler meint, wenn sie von Enteignung und Subversivität spricht, könnte man auch als linguistische Unterwanderung der Gesellschaft oder als feindliche Übernahme verstehen. Sie träumt von der „performativen Macht“, die darin liegt, „wenn man sich gerade die Begriffe aneignet, von denen man verletzt wurde“. Derjenige, für den es darum geht, „zur Geschlechter-Verwirrung anzustiften“, weil für ihn die Festlegung auf zwei Geschlechter nur der Ausdruck einer „Zwangsheterosexualisierung“ und Repräsentationen der Sprache der Macht, Performationen männlicher Herrschaft sind, der will im Grunde wie Butler eine Zwangshomosexualisierung erreichen.

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Doch dabei dürfte er nicht stehen bleiben, sondern müsste schließlich die Hand an die Wiege legen, sprich die Erziehung der Kinder in die Hand bekommen, um ein sexuelles Normativ zu setzen, bevor Kinder ihre Sexualität selbst entdecken. Mit der durch nichts begründeten Behauptung, dass unsere Gesellschaft auf der „Zwangsheterosexualisierung“ beruht – Heterosexualität ist also nicht natürlich, sondern muss erzwungen werden –, fordert sie, dass diese Ordnung durch die Forderung nach Geschlechtervielfalt zerstört wird. Bei Butler zumindest ist die queere Gesellschaft letztendlich nur die Maske einer homosexuellen Gesellschaft, die Butler erzeugen will.

Worum es hier geht, ist ein Kulturkampf, ein Kampf, der von den Woken, zu dessen kniefälliger Diener sich der Regierende Bürgermeister von Berlin gemacht hat, schon seit geraumer Zeit betrieben und nun die Ebene erreicht hat, endlich eine woke Verfassung zu schaffen, die Demokratie und Freiheit nicht mehr, auch nicht mehr die Gleichheit vor dem Gesetz kennen wird.

Kai Wegner hat sich von seinen Wählern verabschiedet, doch neue wird er dort, wo er sich hinbegeben hat, kaum finden, denn dort wurden während seiner Rede Buh- und „Wegner muss weg“-Rufe laut. In diesem Punkt – und nur in diesem Punkt – dürften Wegners Wähler und die Queer-Lobby spätestens seit gestern übereinstimmen.

Friedrich der Große hatte einst gesagt, dass jeder nach seiner Fasson selig werden soll. Jeder soll den lieben, den er will, jeder soll nach seiner sexuellen Orientierung sein Glück und seine Erfüllung suchen, solange es nicht die Rechte anderer verletzt; in dieser Hinsicht war bisher der CSD ein fröhliches Fest queeren Lebensgefühls, ein Fest unterschiedlicher Privatheit. Der Regierende Bürgermeister und die Initiatoren des CSD haben daraus eine politische Veranstaltung gemacht, eine politische Demonstration, eine Kampf-Demo zur Durchsetzung der Wünsche der Queer-Lobby.

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Die Berliner CDU kann nun das C und das D aus ihrem Namen streichen. War es nicht Wegners politischer Freund Pantisano, der erst vor kurzem im Interview gesagt hat: „Das spezifische Problem sind Religionen … Meine Eltern hätten mir niemals diese seelische Gewalt angetan, wenn sie nicht ihr Jesus-Kreuz auf dem Nachttisch gehabt hätten.“ Denn so geht es eben auch gegen das Christentum, weil das Christentum an allem schuld sein soll – und auch das findet augenscheinlich Wegners Unterstützung.

Überdies hat der CDU-Funktionär an diesem Tag auch den Asyl-Paragraphen des Grundgesetzes auf diametral entgegengesetzte Art als sein Parteikollege Thorsten Frei in Frage gestellt, wenn er verkündet: „Berlin wird immer ein sicherer Hafen sein für Menschen, die in anderen Ländern angegriffen werden. Wir schützen queere Menschen, die in vielen Ländern bedroht werden. Wir haben eine Entwicklung auf der Welt, in Ghana, in Uganda, in Polen, das ist unerträglich.“

Unerträglicher wird allerdings für die Berliner unter Pantisanos Bürgermeister die Situation auf dem Wohnungsmarkt, in der öffentlichen Verwaltung, in der medizinischen Versorgung werden, denn der Berliner Riesenstaatsmann Wegner ist nicht mehr für Berlin und für die Mehrheit der Berliner zuständig, sondern stattdessen für die ganze Welt.

Überdies dürften Linnemann und Merz, aber auch die Ost-Verbände der CDU Kai Wegner für dieses klare Bekenntnis zur Wüst-CDU und für den Verrat am Wählerauftrag, eine liberalkonservative Politik in der Hauptstadt zu verwirklichen, danken. Wegner mag darauf spekulieren, dass das Gedächtnis der Wähler kurz ist, doch wird er wohl nichts auf den Weg bringen, das diesen Samstag vergessen lässt, sondern den Niedergang beschleunigen, der immer an diesen Tag erinnert.

Einst sagte ein anderer Regierender Bürgermeister von Berlin, dass Berlin arm, aber sexy sei. Unter Wegner wird Berlin nur noch arm sein.

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