Am Mittwoch ging ich in eine Apotheke. Mein gewohnheitsmäßig vorgehaltener Ibuprofen- und Aspirin-Vorrat war aufgebraucht. Ich fragte also, ob sie ACC da hätten. Aber ja, ein Griff nach hinten ins Regal reichte. »Haben Sie auch Ibuprofen da?«, war meine nächste Frage. »Ja, wir sind eine Apotheke«, kam es zurück. »Also wenn wir jetzt kein Ibuprofen mehr da hätten, könnten wir ja auch gleich zu machen.« Auf diese launige Auskunft der bekannten Berliner Schnauze hin kam man doch gleich etwas mehr ins Gespräch. Ich ließ – eigentlich im Scherz – einfließen, dass ich ja nun nicht nach Desinfektionsmittel fragen wollte. Doch, o Wunder, auch das gab es noch in kleinen Flaschen. Ich nahm also auch noch ein Fläschchen der »viroziden« Flüssigkeit mit. Für den Notfall, man weiß ja nie, wo man es vielleicht brauchen kann.
Es scheinen anstrengende Tage in der Lankwitzer Apotheke zu sein. Vor allem ältere Kunden, so die freundliche Pharmazeutin, seien besorgt. Die Nachrichten, dass das neue Virus – genau wie die Grippe – vor allem ältere und geschwächte Patienten besonders träfe, zeigen Wirkung. Aber auch Jüngere sind nicht gefeit vor Anflügen von Panik, wie mein Fall zeigt. Aber keine Sorge, noch geht es.
Beim Robert-Koch-Institut (RKI) kommt man derweilen nicht mehr mit dem Zählen der neuen Fälle nach, wie die Bild-Zeitung berichtete. Die »sehr dynamische Situation« lässt die bundesweit vom RKI zusammengefassten Zahlen mittlerweile schon bei Veröffentlichung veraltet sein. So gab es von Mittwoch auf Donnerstag wohl etwa 150 Neuinfektionen, insgesamt also mehr als 400 Infizierte in Deutschland, davon allein 230 in Nordrhein-Westfalen. Seit Mittwoch sind dort 55 Fälle hinzugekommen.
Alltagseinschränkungen und ein »fokussiertes« Gesundheitssystem
»Es wird immer wieder darum gehen«, sagt Spahn, »die richtige Balance zu finden, zwischen einerseits notwendigen Einschränkungen zur Eindämmung des Virus und andererseits unserem Alltag, der weitergeht.« Genau, nur mancher Alltag geht gerade eben nicht voran.
Die Strategie der Regierung sei es, »die Ausbreitung von Corona innerhalb Deutschlands und in den betroffenen Regionen zu verlangsamen und einzudämmen«. Dabei komme es leider zu »Einschränkungen des Alltags, weil öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Kitas zeitweise geschlossen bleiben oder weil Großveranstaltungen, etwa mit internationalem Publikum, von den zuständigen Behörden abgesagt werden«. Schon wieder Einschränkungen: Die Internationale Tourismus-Börse in Berlin, Hannover-Messe und die Leipziger Buchmesse sind nur Beispiele. So weit, so bekannt.
Dann aber taucht Spahn einen Moment aus dem Morast der Realitäten auf und wirft einen Blick in das Universum der ungehobenen Potentiale. Eine »mögliche nächste Stufe« könne folgendermaßen aussehen: »Unser Fokus wird dann darauf liegen, unsere Kapazitäten auf Patienten zu konzentrieren, bei denen schwerere Krankheitsverläufe auftreten. Die Abläufe in den Kliniken und Praxen werden dann entsprechend angepasst und die Kräfte im Gesundheitswesen auf die akute Lage fokussiert.« Das hört sich doch sehr gut an: konzentriert und fokussiert, so sollten Ärzte und Pfleger doch immer arbeiten.
Gemeint ist aber, dass diese »konzentrierten« Pfleger dann an anderen weniger »fokussierten« Stellen fehlen werden. Das aber sagt uns Jens Spahn hier nur durch die Blume. Zum Beispiel so: »Die große Mehrheit der Infizierten mit gar keinen oder leichten Symptomen wird dann gebeten, sich zu Hause auszukurieren. Noch sind wir nicht an diesem Punkt.« Der letzte Satz klingt einigermaßen streng, dagegen hat »auszukurieren« ja wirklich etwas sehr Gemütliches an sich: Bei einer Tasse Tee und Wadenwickeln wird man die Sache schon durchstehen. Darum geht es also. Man rennt ja auch nicht gleich mit jedem Schnupfen zum Arzt. »Fest steht: Der Höhepunkt der Ausbreitung ist noch nicht erreicht.« Auch eine tröstliche Botschaft.
Eine Risikoanalyse von 2012
Wie weit der Höhepunkt noch in der Zukunft liegen mag, dazu mag auch eine Risikoanalyse der Bundesregierung Einblicke gewähren, die 2012 dem Bundestag und den Bürgern präsentiert wurde. Darin wurde neben einem anderen Katastrophenszenario (»extremes Schmelzhochwasser aus dem Mittelgebirge«) auch eine Pandemie durch einen modifiziertes SARS-Virus durchgespielt. In der offiziellen Dokumentation hieß es damals: »Ein aktuelles Beispiel für einen neu auftretenden Erreger ist ein Coronavirus (›novel Coronavirus‹), welches nicht eng mit SARS-CoV verwandt ist. Dieses Virus wurde seit Sommer 2012 bei sechs Patienten nachgewiesen, von denen zwei verstorben sind.« Außerdem sei ein Patient damals in Deutschland behandelt worden und konnte später »als geheilt entlassen werden«. Der Schreibende kann sich nicht an so etwas erinnern, vielleicht blieb diese Information auch etwas unbekannter (hier ist keine Verschwörungstheorie gemeint).
Im Gegensatz zum älteren SARS-Coronavirus von 2002/2003 war dieser real existierende »novel Coronavirus« von 2012 nur in geringem Ausmaß von Mensch zu Mensch übertragbar. Für die Risikoanalyse der Bundesregierung änderte man diese Viruseigenschaft natürlich zu »stark ansteckend« und nahm eine Rate von drei Weitergaben pro Patient an, die sich mit einem guten Anti-Epidemie-Management auf etwa die Hälfte reduzieren lassen sollte. Dabei ging die Risikoanalyse von 2012 davon aus, dass es keine speziell geeigneten Medikamente gegen das Virus gäbe, es also bei einer symptomatischen Behandlung bliebe. Das ist heute auch so. Den Impfstoff erwartete man damals allerdings erst nach drei Jahren. Dieser Erwartungshorizont hat sich immerhin inzwischen auf ein Jahr oder noch weniger verkürzt. In den USA beginnen bereits Tests an einem Impfstoff. Deutsche Forscher hoffen in Jahresfrist auf einen Abschluss ihrer Bemühungen.
Als hauptsächliches Verbreitungsgebiet des hypothetischen neuen Virus wurden 2012 Asien, Nordamerika und Europa angenommen. In Deutschland modellierte man zwei Cluster: eine Messestadt in Norddeutschland und eine Universitätsstadt in Süddeutschland. Die Verbreitung wäre dann aber bald flächendeckend in ganz Deutschland erfolgt, »analog zur Bevölkerungsdichte«. Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Epidemie sind neben der Einhaltung der Hygiene-Empfehlungen die »Quarantäne für Kontaktpersonen von Infizierten« oder »andere Absonderungsmaßnahmen wie die Behandlung von hochinfektiösen Patienten in Isolierstationen«, außerdem »Schulschließungen und Absagen von Großveranstaltungen«.
In der Modellüberlegung beginnt die Ausbreitung des Virus »im Februar in Asien«, allerdings wird dieses Ereignis »erst einige Wochen später in seiner Dimension/Bedeutung erkannt«. Im April wären dann erste Fälle in Deutschland aufgetreten. Die Ursache der Epidemie wird in Südostasien angenommen, wo »der bei Wildtieren vorkommende Erreger über Märkte auf den Menschen übertragen wurde«. Da die Tiere selbst nicht erkranken, sei nicht erkennbar gewesen, dass eine Infektionsgefahr bestand.
Das Gesundheitssystem kippt
Irgendwann – so die Analysten von damals – werde ein Punkt erreicht, in dem das bis dahin funktionierende Gesundheitssystem kippt oder sich zumindest radikal umgestaltet: »Die enorme Anzahl Infizierter, deren Erkrankung so schwerwiegend ist, dass sie hospitalisiert sein sollten bzw. im Krankenhaus intensivmedizinische Betreuung benötigen würden, übersteigt die vorhandenen Kapazitäten um ein Vielfaches […]. Dies erfordert umfassende Sichtung (Triage) und Entscheidungen, wer noch in eine Klinik aufgenommen werden und dort behandelt werden kann und bei wem dies nicht mehr möglich ist. Als Konsequenz werden viele der Personen, die nicht behandelt werden können, versterben.«
Eine Fußnote klärt weiter auf: Bisher gebe es noch »keine Richtlinien, wie mit einem Massenanfall von Infizierten bei einer Pandemie umgegangen werden kann«. Diese Problematik erfordere »komplexe medizinische, aber auch ethische Überlegungen« und solle »möglichst nicht erst in einer besonderen Krisensituation betrachtet werden«. Hat man sich diese Gedanken nun bereits gemacht?
Die skizzierten Folgen für das Gesundheitssystem entsprechen etwa dem, was seit Ende Januar aus dem chinesischen Wuhan berichtet wurde: »Die personellen und materiellen Kapazitäten reichen nicht aus, um die gewohnte Versorgung aufrecht zu erhalten.« Einer »aktuellen Kapazität von 500.000 Krankenhausbetten« in Deutschland stünden im Fall der ersten Welle einer Pandemie »mehr als 4 Millionen Erkrankte gegenüber, die unter normalen Umständen im Krankenhaus behandelt werden müssten«. Der größere Teil der Erkrankten »kann somit nicht adäquat versorgt werden, so dass die Versorgung der meisten Betroffenen zu Hause erfolgen muss. Notlazarette werden eingerichtet«. Hinzu kommen die Personalausfälle durch Ansteckungen und die psychische Belastung. Es gibt Engpässe bei der Versorgung mit »Arzneimitteln, Medizinprodukten, persönlicher Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln«. Eine große Herausforderung stelle »auch die Beisetzung der Verstorbenen […] dar (Massenanfall an Leichen, Sorge vor Infektiosität)«.
Wie das italienische Beispiel zeigt, kann aber gerade die Knappheit des medizinischen Personals – wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr – verhältnismäßig rasch eintreten. In Norditalien sollen Ärzte und Pfleger bereits 12% aller Infizierten ausmachen. Aus Krankenhäusern war zudem schon früh Personalmangel berichtet worden, weil viele Mitarbeiter sich schlicht vor der Krankheit fürchteten.
»Immense Herausforderungen, die nicht bewältigt werden können«
Zuletzt erörtert die offizielle Analyse auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen einer dergestalt katastrophenartig verlaufenden Pandemie. So stieße die internationale Pharmaindustrie an die Grenzen ihrer Produktionskapazität. Personalausfälle in Landwirtschaft und verarbeitender Industrie führten zu Lebensmittelknappheit, vor allem für Privathaushalte. Hinzu kämen Ladenschließungen im Lebensmittelhandel wegen der vielen Sozialkontakte der Angestellten. In anderen Bereichen (Regierung, Justiz, Medien) müssten und könnten Personalengpässe durch Umstrukturierungen abgefedert werden. Auch der Finanzsektor könnte normal weiterarbeiten, doch das produzierende Gewerbe könnte »die Auswirkungen der Pandemie selbst bei guter Planung und Vorbereitung ggf. nicht mehr kompensieren«. Dies könnte sogar dazu führen, dass weltweit Produktionsketten zum Erliegen kommen. »Ausfälle im Bereich importierter Güter und Rohstoffe« könnten »auch in Deutschland zu spürbaren Engpässen und Kaskadeneffekten führen«.
Am stärksten betroffen sein werden das Notfall- und Rettungswesen einschließlich des Katastrophenschutzes sowie das Gesundheitssystem. In einer Zusammenfassung der Analyse heißt es: »Das Gesundheitssystem wird vor immense Herausforderungen gestellt, die nicht bewältigt werden können. Unter der Annahme, dass der Aufrechterhaltung der Funktion lebenswichtiger Infrastrukturen höchste Priorität eingeräumt wird und Schlüsselpositionen weiterhin besetzt bleiben, können in den anderen Infrastruktursektoren großflächige Versorgungsausfälle vermieden werden. Nachdem die erste Welle abklingt, folgen zwei weitere, schwächere Wellen, bis drei Jahre nach dem Auftreten der ersten Erkrankungen ein Impfstoff verfügbar ist. Das Besondere an diesem Ereignis ist, dass es erstens die gesamte Fläche Deutschlands und alle Bevölkerungsgruppen in gleichem Ausmaß betrifft, und zweitens über einen sehr langen Zeitraum auftritt. Bei einem Auftreten einer derartigen Pandemie wäre über einen Zeitraum von drei Jahren mit drei voneinander getrennten Wellen mit immens hohen Opferzahlen und gravierenden Auswirkungen auf unterschiedliche Schutzgutbereiche zu rechnen.«
Italien – einen Schritt näher am Katastrophenfall
So weit ist es heute zwar noch nirgends gekommen. Doch was wir von China wissen, weist zum Teil in diese Richtung, zumal was die Überlastung des Gesundheitswesens, aber auch die Einschränkungen der produzierenden Industrie angeht. Doch auch in Italien sind schon einige der ›Vorhersagen‹ der Bundesregierung von einst eingetroffen. So sollen bis zum 15. März landesweit alle Schulen, Kindergärten und Universitäten geschlossen bleiben. Daneben sollen Sportveranstaltungen ohne Zuschauer stattfinden. Eine Sperrzone hat man seit geraumer Zeit in der norditalienischen Lombardei eingerichtet.
Inzwischen sind mehr als 3.000 Menschen im Land infiziert. Die meisten der Infizierten werden zwar wieder gesund, aber inzwischen sind auch 107 an den Folgen der Viruserkrankung gestorben. Premierminister Giuseppe Conte rief die Italiener zum gegenseitigen Abstandhalten auf. Auf Umarmungen und Handschläge zur Begrüßung sei zu verzichten, belebte Plätze seien zu meiden.
In dem über Facebook verbreiteten Appell an seine Landsleute griff Conte auch zu disziplinierenden Durchhalteformeln: »Wir sind ein starkes Land. Ein Land, das nicht aufgibt. Wir sitzen alle im gleichen Boot, und wer am Steuer ist, muss nun den Kurs vorgeben. Wir müssen uns alle zusammen noch mehr anstrengen. Ganz Italien ist dazu aufgerufen, seinen Teil beizutragen.« Zuletzt spricht Conte auch die wirtschaftliche Dimension der Krankheit an, fordert budgetäre Flexibilität von der EU und kündigt umfangreiche öffentliche und private Investitionen sowie Steuererleichterungen an, wie sie schon im Fall der eingestürzten Morandi-Brücke in Genua gegriffen hätten.
Ungebremste Epidemien in Iran, China, Südkorea
Im Iran soll die Krankheit sehr viel stärker wüten, als das autoritäre Regime der Mullahs einzugestehen bereit ist. Die offiziellen Zahlen geben also ebenso wie jene in China präsentierten Anlass zum permanenten Rätselraten. Offiziellen Angaben zufolge gibt es 107 Todesfälle und über 3.500 Infektionen im Land. Doch die Erkrankung zahlreicher Politiker – darunter die für Frauenfragen zuständige Vizepräsidentin und der stellvertretende Gesundheitsminister – wirft ein anderes Licht auf die dort herrschenden Zustände. Der Vorsitzende des Teheraner Gesundheitskomitees hatte – laut der New York Times – schon Ende Februar von 10.000 bis 15.000 Infizierten gesprochen. Nach eigenen Recherchen in den Krankenhäusern des Landes berichtete der persische Dienst der BBC von mindestens 210 Todesfällen, meist in Teheran und dem geistlichen Zentrum Qom. Dabei mangelt es vielerorts – wie in anderen Ländern der Region auch – an Labortests, um die Krankheit eindeutig festzustellen.
Doch auch die offiziellen Zahlen künden von der raschen Verbreitung des Virus. Die Rede ist von einer Zunahme der Infektionen um 60%, der Todesfälle um 30% in kurzer Zeit. Der unterschiedliche Anstieg der beiden Werte führt zu einer Normalisierung der Todesrate im Iran, die früher einmal bei etwa 10% lag und sich nun auf 3,4% einpendelt. Genau diesen Wert hat jüngst auch die Weltgesundheitsorganisation als weltweiten Durchschnitt herausgegeben. In den Iran war das Virus vermutlich direkt aus China eingeschleppt worden. Denn die beiden Länder unterhalten enge Wirtschaftsbeziehungen. Vermutlich vom Iran aus hat sich die Krankheit dann in die Golfstaaten und andere Nachbarstaaten verbreitet. Seltsamerweise noch nicht in die Türkei – aber auch da könnte es an Test-Kits mangeln.
Auch im Iran hat man alle Schulen und Universitäten bis zum persischen Neujahr am 21. März geschlossen. In Teheran und 22 weiteren Städten wurden fürs erste die Freitagsgebete abgesagt. Das gleiche gilt für sämtliche Kultur- und Sportveranstaltungen. Angeblich ist man darauf vorbereitet, rasch provisorische Krankenhäuser zu errichten, wenn notwendig. Demnach könnten rasch 2000 bis 3000 Betten benötigt werden, wenn man der Epidemie nicht Herr wird. Nun hat die Regierung auch vor der Verwendung von Banknoten und Münzen gewarnt, diese »könnten eine Gefahr sein«. Man desinfiziert nun öffentliche Verkehrsmittel, Straßen und Behördeneingänge und führt Fiebertests vor Einkaufspassagen durch.
Die BBC berichtet zudem von erstaunlichen Maßnahmen und Dingen: So sollen 54.000 negativ getestete Häftlinge zeitweilig gegen Kaution freigelassen worden sein, um die Ausbreitung in den Gefängnissen des Landes einzudämmen. In Qom haben zwei Männer an einem heiligen Schrein geleckt: der eine um seine Unbesorgtheit zu zeigen, der andere angeblich um andere Pilger vor den Viren zu schützen. Beide wurden festgenommen, ihnen drohen nun Gefängnisstrafen und Peitschenhiebe. Doch auch im Iran – wie schon in China – vermischt sich der Krankheitsausbruch mit der allgemeinen Unruhe über das diktatorische Regime.
Keine Entwarnung auch in China und Südkorea: Nach einem zeitweiligen Abfall der Infektionsrate in der Region Wuhan gab es am Mittwoch wieder einen leichten Anstieg bei den Neuinfektionen. 139 neue Diagnosen wurden gestellt. Insgesamt sollen mehr als 80.000 Menschen in China mit dem Virus infiziert sein. Knapp 3.000 Patienten sind angeblich durch Covid-19 gestorben. Dagegen wurden in Südkorea am Dienstag 600 neue Fälle gemeldet. Dort soll es jetzt über 6.000 Infizierte und bislang 35 Todesfälle geben. Die Regierung versucht mit maximaler Transparenz zu antworten – und durchleuchtet das Leben der Bürger förmlich.
Einzelne Herde in Israel, Griechenland, Mitteleuropa
Inzwischen erreicht die Krankheit auch das östliche Mitteleuropa: In Slowenien wurde ein Marokkaner, der über Italien eingereist war, positiv getestet und in einer Spezialklinik in Ljubljana isoliert. In Bosnien-Herzegowina wurde ein Mann, der in Italien arbeitet, mit leichtem Fieber ins Krankenhaus eingeliefert. In Ungarn wurden zwei iranische Studenten mit Covid-19 diagnostiziert und »ins Krankenhaus gebracht«, so Viktor Orbán.
Eine griechische Reisegruppe, die von einer Pilgerfahrt nach Ägypten und Israel wiederkehrte, hat die Zahl der Infektionen in Griechenland rasant erhöht. Nachdem ein 66-jähriger Pilger sich im Krankenhaus untersuchen ließ, wurden alle 21 Mitglieder der Gruppe positiv auf den neuen Coronavirus getestet. Davor waren die Infektionen im Land einstellig gewesen.
Unterdessen versucht Israel sich von dem europäischen Krankheitsausbruch abzuschotten. Auch Einreisende aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Österreich und der Schweiz müssen nun 14 Tage Quarantäne über sich ergehen lassen. Für Reisende aus China, Italien und Singapur galt diese Regelung schon länger. In Israel sind bisher nur 15 Menschen infiziert.
Neue Studien
Neue wissenschaftliche Studien geben indessen auch weiterhin zu denken. So könnte es zum einen, wie chinesische Forscher gefunden haben wollen, zwei Virus-Typen geben: einen aggressiveren L-Typ und einen sanfteren S-Typ, der zwar weniger ansteckend ist, aber auch länger ohne Symptome und also unerkannt bleibt. Dieser mildere S-Typ soll für die weltweite Verbreitung des Coronavirus eine größere Bedeutung haben, da man den L-Typ durch die entschiedenen Maßnahmen in Wuhan und Umgegend effektiv eindämmen konnte.
Der milde Typ soll sich schon seit Januar im US-amerikanischen Bundesstaat Washington ausgebreitet haben, ohne zunächst weiter erkannt worden zu sein, wie der amerikanische Virologe Trevor Bedford anhand von Genom-Analysen vermutet. Doch auch zum europäischen Epidemieverlauf hat Bedford neue Erkenntnisse gesammelt. Dabei kam der Forscher zum Schluss, dass der Infektionscluster um die bayerische Firma Webasto zu weiteren unerkannten Infektionen führte und damit letztlich am Ursprung der Krankheitsherde in Norditalien, Finnland, der Schweiz und sogar Mexiko stehen soll.
Milder Verlauf oder doch Drama?
Ein Berliner Biochemiker und Hersteller von Test-Kits für das neue Coronavirus glaubt jedenfalls nicht an die Theorie vom »mildem Verlauf«, zumindest nicht in China. 3.000 Todesfälle kommen ihm angesichts der Meldungen von überlasteten Krematorien zu wenig vor. Er geht vom Zehn- und Zwanzigfachen aus. In seinem Betrieb kommt er bereits jetzt an seine persönlichen Grenzen, kann aber zugleich auf eine Vervielfachung seines Jahresumsatzes hoffen. Fast täglich trudeln neue Bestellungen von Laboren, Behörden, Ministerien und Botschaften ein. Der Covid-19-Test kostet bei Landt dabei nur 2,50 Euro. Die offiziellen, dem Gesundheitssystem entstehenden Kosten von 300 Euro kann der Unternehmensgründer Olfert Landt daher nicht nachvollziehen.
Ihm selbst sei Geld egal. Stattdessen bewege ihn das »Drama« der Epidemie, wie er dem Tagesspiegel gesagt hat. Der WHO und an arme Länder liefert er zum halben Preis. In den Iran darf er es aber nicht – eine Ausnahmegenehmigung der Bundesregierung war nicht zu bekommen. Der Biochemiker rät zu einer gut ausgerüsteten Notfallapotheke. Seinen erwachsenen Kindern rät er von Club-Besuchen und ähnlichem ab: »Überall wo Menschen in zufälliger Zusammensetzung zusammen kommen, ist eine Ansteckungsgefahr gegeben.«
Dagegen glaubt der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes, René Gottschalk, dass man die Infektionskette des Virus ohnehin nicht mehr unterbrechen kann. »Das ist bei der Vielzahl an Fällen nicht zu leisten«, sagte er am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Das sei aber auch »nicht weiter tragisch, weil die Erkrankung nicht schlimm« sei. »Jemanden 14 Tage zu kasernieren wegen einer Erkrankung, die verläuft wie ein Schnupfen, ist völlig unverhältnismäßig«, meint Gottschalk. Es gehe jetzt darum, die Öffentlichkeit zu informieren und eine Panik zu vermeiden.
Welche der beiden Möglichkeiten gilt für Sie? Wählen Sie selbst. Es ist wohl eine Frage des Temperaments.