Tichys Einblick
Corona-Update 10. Mai 2021

Selbstherrlichkeit der Regierung: Merkel sagt, „wir“ hätten die dritte Welle gebrochen

Die dritte Welle ist gebrochen – aber haben "wir" wirklich einen Anteil daran? Die Kanzlerin versucht, den Rückgang der Zahlen als Bestätigung ihrer Politik zu verkaufen. Wenn das Narrativ sich durchsetzt, ist der nächste Lockdown im Herbst programmiert.

Die Zahlen sinken weiter, die dritte Welle hat offenkundig ihren Höhepunkt überschritten. Selbst Karl Lauterbach und Christian Drosten sagen nun einen guten Sommer voraus. Vor kurzem hörte sich das noch alles ganz anders an – Spiegel, Zeit, SZ & Co prognostizierten Dramatisches – etwa Inzidenzen von 1.000 und mehr.

Es ist jetzt ganz anders gekommen. Dieser offenkundige Irrtum des NoCovid-Lagers, muss diesem allerdings gar nicht unbedingt schaden. Denn Lauterbach & Co. verkaufen sich nicht wie Geläuterte, wenn sie jetzt Entwarnung geben – sondern als strahlende Sieger. Die Welle sei nur deswegen nicht so schlimm gekommen, weil die rigiden Maßnahmen gewirkt hätten – der Bundeslockdown habe die Wende gebracht. 

Merkel sagte jüngst: „In Deutschland scheinen wir auch die dritte Welle gebrochen zu haben.“ Voller Erstaunen darüber, dass selbst Merkel nun von düsteren Prognosen abgewichen ist, überliest man womöglich das entscheidende Wort in diesem Satz: „Wir“. Es soll offensichtlich heißen: die Regierung, am Ende: sie höchst persönlich. Sie hat die Welle gebrochen. Steigen die Zahlen bestätigen sie Merkel in ihrer Härte, sinken die Zahlen, bestätigen sie, dass ihr Kurs richtig war. 

Wenn sich dieses Bild verfestigt, ist der nächste Lockdown im Herbst schon programmiert. Wegen einer neuen Mutante oder drohenden Mutante oder wegen eines neuen Virus. Denn Opferzahlen in der Größenordnung einer Corona-Welle sind auch in herkömmlichen Grippe-Saisonen möglich – immerhin herrschte während fast des gesamten Zeitraums der dritten Welle in Deutschland Untersterblichkeit, weil die Grippe-Saison ausfiel.

Der Lockdown kam zu einem Zeitpunkt, an dem die Neuansteckungsraten bereits wieder zurückgingen, der Höhepunkt war bereits überschritten. Dass der Bundeslockdown gar nicht richtig gewirkt haben kann, beweist auch die Tatsache, dass die Mobilität im Land in den letzten Wochen gar nicht wesentlich zurückgegangen ist. Außerdem ist es aus wissenschaftlicher Perspektive mittlerweile erwiesen, dass Ansteckungen im Außenbereich (und darauf kann ja die Ausgangssperre nur zielen) keine bedeutende Rolle beim Infektionsgeschehen spielen. Ein ähnliches Bild übrigens wie beim harten Lockdown im Dezember – auch da wurden Maßnahmen zu einem Zeitpunkt verhängt, an dem die Welle bereits ihren Höhepunkt überschritten hatte. Hinterher können sich die  Regierenden immer als strahlende Sieger sehen. 

Bei aller Euphorie über den kommenden Sommer sollte darüber nicht hinweggesehen werden: Diese Veränderung verdankt sich nicht der Regierungspolitik. Die hängt immer noch in ihrem starren Muster fest, das sie von Anfang an gefahren ist: Lockdown nach Inzidenz. Wenn die Regierenden davon nicht abkommen, erwartet uns im Herbst oder Winter der nächste Lockdown. Spätestens nach dieser „dritten Welle“, die vom RKI-Präsidenten als die schlimmste vorhergesagt wurde, müssten die Einschätzungen der Politik ihren Nimbus verloren haben. Die Corona-Politik war eine Geschichte des Versagens, darüber können auch saisonale positive Entwicklungen im Infektionsgeschehen nicht hinwegtäuschen.

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