Zweieinhalb Jahre nach Koalitionsbeginn hat der Bundesgesundheitsminister noch immer ein Bild an den Kopf seiner Seite bei X gepinnt. Darüber steht halb ungefähr, halb unheilsschwanger: „Jetzt beginnt das eigentliche Projekt…“ Das Photo stammt aus den Koalitionsverhandlungen der Ampel. Und Habeck ebenso wie Baerbock, die auf dem Bild neben dem SPD-Politiker erscheinen, zeigen jeweils durch ein Lächeln, dass sie diese Trio-Bildung mit Lauterbach für einen Super-Deal halten, bei dem sie vielleicht sogar mehr bekommen als der Noch-nicht-Minister Lauterbach für seine Partei.
Auch als Minister macht Lauterbach seinem ökosozialistischen Engagement der ersten Tage alle Ehre. Das belegen auch die neu erkämpften Entschwärzungen von Protokollen des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, den der neugebackene Kanzler Scholz gleich am 14. Dezember 2021 berief. Bis zum 4. April 2023 kam dieser „ExpertInnenrat“ (Schreibweise der Bundesregierung) halbwegs regelmäßig zusammen und gab insgesamt zwölf Stellungnahmen ab, so zur „Einordnung der Omikronwelle“, neuen Erkenntnissen dazu, Infektionslage und deshalb „notwendigen Maßnahmen“ usf.
Schon 2022 hatte der Frankfurter Allgemeinarzt Christian Haffner das Bundeskanzleramt auf die Herausgabe aller Protokolle des Corona-Expertenrats, auch der Notizen zu allen informellen Absprachen, verklagt. Er berief sich dabei laut FAZ auf das Informationsfreiheitsgesetz, nach dem jeder Bürger einen Anspruch auf „Zugang zu amtlichen Informationen“ hat.
Ewige Pharma-Profite und eine kontrollierte Gesellschaft
Die Bundesregierung lehnte es dennoch ab, der Forderung Haffners nachzukommen, mit der Scheinbegründung, dass man auf den Rat der Experten verzichten müsse, wenn „die Vertraulichkeit der Beratungen des Gremiums entfiele“. Mit anderen Worten: Die Forscher und Fachleute waren zwar bereit zu beraten, aber nur verdeckt, von der Öffentlichkeit unbeobachtet. Dieses Inkognito wird allmählich zur Plage für diesen Staat, denn es bedeutet, dass Entscheidungen oder auch wie in diesem Fall Ratschläge nicht transparent sind, sich im Halbdunkel der Korridore abspielen und vor dem Blick der Bürger, Wähler und Steuerzahler verborgen werden. Die letztlich Anonymität ermöglicht auch allerlei krumme Details, die man vor eben dieser Öffentlichkeit nicht oder nur schlecht rechtfertigen könnte. Sie ist antidemokratisch.
Nun, mehr als ein Jahr nach dem Ende der Tätigkeit des Expertenrats, versucht die Bundesregierung sich wiederum informell, außergerichtlich aus der Affäre zu ziehen, indem sie Christian Haffner plötzlich teilweise entschwärzte Protokolle zur Verfügung stellte und damit auf die Einstellung des Verfahrens hofft, weil die Klage sich „erledigt“ habe. Das sieht der klagende Arzt aber anders. Seine Klage hat er nicht zurückgezogen.
Was durch die Teil-Entschwärzungen dennoch herauskam beziehungsweise zur Gewissheit wurde: Gesundheitsminister Karl Lauterbach plante unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Dezember 2021 eine weitere Verschärfung der Corona-Beschränkungen für „Ungeimpfte“. Sein Vorschlag damals: Streichen des Genesenenstatus, Streichen der Testmöglichkeiten für Zertifikatlose. 1G sollte diese Regelung für Gastronomie und Handel heißen, der Bundesminister war aber ab kurz vor Silvester 2021 auch für das sogenannte „2G Plus“ offen. Das wären dann Tests für alle gewesen, außer den privilegierten „Geboosterten“. Es war ein Schachzug in Richtung „aktualisierter Impfschutz“, Lauterbachs damaliges Lieblingsprojekt für ewigwährende Pharma-Profite und eine fast totalitär kontrollierte Gesellschaft.
Wissenschaftlich nicht begründbar, politisch schon
Heraus kam am Ende die Verkürzung des Genesenenstatus auf drei Monate, die wie damals schon bekannt, keine Grundlage in der Virologie oder Epidemiologie hatte. Es war eben nur der Kompromiss zwischen dem totalitären Plan des Ministers und der sich ihm entziehenden Realität. Zugleich wurde auch die Einmal-„Impfung“ mit dem Präparat von Johnson & Johnson ungültig gemacht. Eine einfache Injektion war zu wenig für die Pharmalobby, genauso wie der Impfstoff eines Lübecker Arztes, der nie eine allgemeine Zulassung erhielt.
In einer Sitzung vom 9. Februar 2022 entsteht laut Berliner Zeitung der Eindruck, dass „eine allgemeine Impfpflicht zwar wissenschaftlich nicht begründet, politisch jedoch anzustreben“ sei. Das ist eine passende Zusammenfassung der Pandemie-Politik (PP) überhaupt, bei der das zweite P immer größer geschrieben wurde als das erste. Es wäre in der Tat ein Skandal, wenn sich Wissenschaftler und Fachleute, die von der Ungeeignetheit einer Maßnahme wussten, dieselbe dennoch aus politischen Gründen empfohlen hätten. Und worin könnten solche politischen Gründe denn bestehen? In der Verstärkung des Herdentriebs in der deutschen Gesellschaft, der ohnehin fröhliche Urstände feierte in dieser letzten, unwahrscheinlichsten „Pandemie“?
Das Hauptproblem von Politik und bestellten „Experten“ blieb laut Protokoll die stagnierende „Impfkampagne“, der Anteil der Impfgegner bleibe konstant. Auch Anreize (wie Bratwürste) bewirkten nichts. Man wollte also den Weg von „Beratung und Öffentlichkeitsarbeit“ gehen. Darüber hinaus besonders wichtig, eventuell auch für Ärzte wie Christian Haffner: „Zusätzlich muss man sich auch mit der Gruppe von Ärzten auseinandersetzen, die eine Impfung ablehnen, da Empfehlungen von Ärzten im Allgemeinen sehr deutlich wirken.“ Die Erkenntnis, dass Ärzte Multiplikatoren im Gesundheitswesen sind, ist in der Tat nicht erstaunlich. Dass es Druck auf Ärzte gab und welchen, würde allerdings noch einmal eine öffentliche Darstellung verdienen.
Am 4. Januar 2022 wurde in einer weiteren Sitzung gesagt, dass der Schutz vor einer Omikron-Infektion durch die mRNA-Präparate viel geringer war, als öffentlich behauptet. Damals hatte demnach die „Haushaltskontaktstudie aus DNK“ (ist das ein Bericht des „Deutschen Nachhaltigkeitskodex“?) gezeigt, dass „die mRNA-Booster-Impfung einen 46%igen Schutz vor Infektionen mit Omikron biete“. Die „zweifache Impfung“ bot noch weniger Schutz. Man erinnert sich: Omikron, dass war diese angeblich ansteckende, aber dann doch weitaus weniger gefährliche Variante des Virus.
Kanzleramt schützt Pharmahersteller
Doppelzüngig liest sich auch ein Aussage zur „Impfpflicht nur für ältere Menschen“, die ebenfalls kritisch gesehen wurde, obwohl doch nach allen auch offiziellen Zahlen, wenn schon, dann die Älteren durch das Virus gefährdet waren. Der Expertenrat sah eine solche spezialisierte „Impfpflicht“ kritisch, weil das „ein falsches Signal für alle anderen Altersgruppe sein könnte (als wenn diese keine Impfung mehr bräuchten)“. Es ging auch hier erkennbar um die Vermehrung der Injektionen bei Bürgern, die sie vielleicht sehr wenig brauchten, bis hin zu Jugendlichen und Kindern.
Haffner bleibt aus einem einfachen Grund bei seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin: „Es ist bei so gravierenden Einschränkungen der Grundrechte wichtig zu wissen, dass das Ganze im Interesse der Bevölkerung ist und nicht im Interesse einer Industrie.“ Und dieses Beharren ist richtig. Denn die Namen zu den einzelnen Wortbeiträgen (egal ob von ständigen Mitgliedern oder Gästen des Expertenrats) sollen laut Bundeskanzleramt geschwärzt bleiben. Daneben sollen auch Passagen unleserlich bleiben, die „Rückschlüsse auf eine Bewertung bestimmter Pharmahersteller, Pharmapräparate (Medikamente oder Impfstoffe) beziehungsweise Bezugsquellen von Medikamenten zulassen“. Hier steht auch eindeutig das Gesundheitsministerium hinter dem Kanzleramt.
Und daneben ist der „Schutz der bilateralen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur Volksrepublik China“ der Ampel plötzlich wieder etwas wert; Habeck war den roten Mandarinen ja immer näher als Baerbock. Textpassagen, die etwa „Wertungen zum chinesischen Regierungshandeln beinhalten“, bleiben daher hinter schwarzen Balken verborgen.
Lauterbach gerät derweil parteiübergreifend unter Druck, noch mit der Ausnahme seiner SPD. Sogar einzelne Grüne sind zuletzt in einer Sache von ihm abgerückt: Der Weg von Lauterbachs „Impfkampagne“ unter dem Titel „Ich schütze mich“ ist mit Unstimmigkeiten gepflastert, wie zuletzt der Bundesrechnungshof ermittelt hatte. Bestechlichkeit und Untreue werden Lauterbach vorgeworfen, der zuvor vor allem mit einem frisierten Lebenslauf (à la Baerbock) Schlagzeilen erzeugt hatte. Nun soll er am offiziellen Vergabeweg vorbei den Auftrag für die genannte Kampagne – wiederum ein Mittel zur Vermehrung und Verewigung der mRNA-Injektionen – an die SPD-nahe Werbeagentur BrinkertLück vergeben haben soll, für mehr als 750.000 Euro.
Weiter mit Einschränkungsbestrebungen für andere
Und nun zeigt sich Lauterbach auch wieder in Öko-Technokraten-Montur. In dem Moment, in dem das „Team Merz“ aus der CDU behauptet, von der grünen „Klimapolitik“ abrücken zu wollen, widerspricht Lauterbach: Mit neuen Erfindungen – solchen, die effizienter mit Energie umgehen – sei es nicht getan. „Auch Erfinder können nichts daran ändern, dass wir zu viel Fleisch essen, zu viel Auto fahren, zu viel reisen und zu viel konsumieren“, schrieb Lauterbach auf X. „All dies gilt besonders für Einkommensstarke wie [den CDU-Vorsitzenden] Merz oder mich.“ Ohne Einschränkung werde es nicht gehen.
Es bleibt also dabei: Karl Lauterbach glaubt nicht an Technik und Erfindergeist, er glaubt an Kontrolle und Einschränkungen als Mittel zukunftsweisender Politik. Das ist allerdings so fraglich wie nur etwas. Nicht einmal die „Pandemie“ ließ sich auf diesem Wege überwinden. Das gelang nur dank der Natur, die das Virus in eine Variante mutieren ließ, mit der Geimpfte wie Ungeimpfte keine Probleme haben. Insofern haben Lauterbach und alle „Zusperrer“ den Gang der Dinge nur aufgehalten, nicht verbessert, sondern im Gegenteil viele Kollateralschäden in Wirtschaft, Gesellschaft und Medizin erst hervorgerufen. Der Vergleich mit Schweden wirkt hier immer informierend.
Und nun gehen die Kontrollphantasien erneut in eine andere Richtung. Den Bürgern soll ihr Fleischkonsum geschmälert werden und die freie Mobilität gemindert werden. Bald sind für den Transport der Menschen Forderbänder zuständig. Auch reisen und konsumieren wir zuviel, linke Influencer wie Lauterbach allerdings zuerst. Viele fliegen zum Eisessen nach Kalifornien, Instagram hat es an den Tag gebracht. Die Miles-and-more-Konten von Grünen und FFF-Spitzenkräften dürften bemerkenswerte Zahlen aufweisen.