Wenn Sie nicht wissen, wie man das zweithöchste Amt im Staat ergattert, hier ein Ratschlag: Laufen Sie, wie Claudia Roth, bei einer Demo mit, bei der „Deutschland, Du mieses Stück Scheiße“ skandiert wird. Dann ist Ihnen der Stuhl des Bundestagsvizepräsidenten sicher. Bundeskanzlerin wird man am sichersten, wenn man am Wahlabend die Deutschlandfahne entfernt. Die Hauptstadt regiert man am besten, wenn man vorher seine Doktorarbeit gefälscht hat. In die CSU-Spitze kommen Sie über den Umweg des Verkehrsministers, wenn Sie einen Doktortitel geführt haben, der in Deutschland gar nicht erlaubt ist. Für ein hohes Ministeramt sollten Sie sich gemein machen mit Urkundenfälschern. Zumindest, was den Lebenslauf und Ihre Bücher betrifft.
Sollten Sie jedoch in einem Lokal verkehren, in dem jemand sitzt, der jemanden kennt, der mit jemand verwandt ist, der eine Kollegin hat, deren Onkel die AfD gewählt hat, dann haben sie schlechte Karten. Noch schlimmer derzeit: Wenn Sie auf einer harmlosen Demo harmloser Leute zu einem harmlosen Zweck gesichtet werden, dann ist Schluss mit lustig. Für die FAZ zum Beispiel sind Geimpfte, die für das Leben ihrer Kinder demonstrieren, Corona-Leugner, die „von rechts“ gesteuert werden. Für die in Selbstauflösung befindlichen Kirchen verstoßen sie gegen die Goldene Regel der Bibel: „Impfe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Sie gehören ausgestoßen, ausgemerzt.
Mir schreibt einer der bekanntesten jungen (!) Naturwissenschaftler Deutschlands, dass er nie im Leben daran gedacht hätte, jemals auf eine Demo zu gehen. Und dass es nötig sein sollte, im Deutschland des Grundgesetzes ein Plakat durch Wasserwerfer und Pfefferspray zu tragen mit dem Motto „My body, my choice — Nein zum Impfzwang“, so der Professor. Hoffentlich hatte er eine Ganzkörpermaske auf. Wenigstens lebt er nicht in Bayern, dem Musterland des politischen Opportunismus und des Entsorgens von Freiheitsrechten und Kritikern.
Die mutmachendsten Nachrichten erreichen mich allerdings aus „dem Osten“, dem „Dunkeldeutschland“ (Gauck), das noch nicht „in der Demokratie angekommen ist“ (CDU-Star Wanderwitz). Viele erinnern die Hunderte, ja Tausende von winzig kleinen bis Massen-Demos an 1989. Da gingen Leute auf die Straße, denen man es nicht zugetraut hätte. Auch jetzt dasselbe Phänomen: Die Menschen schauen aus ihrem Fenster, sehen Kerzen und friedliche Demonstranten und reihen sich ein. Alle eint das Motto der Hamburger Massen-Demo: „Das Maß ist voll! Hände weg von unseren Kindern!“ Ärzte, Lehrer, Erzieherinnen, Polizisten (vermummt natürlich, falls Söder zuschaut), Großeltern, viele, viele Jugendliche. So sehen also „Nazis”, „Irrgläubige” oder „Abschaum” und „Krebsgeschwür” aus, denke ich beim Betrachten der Bilder. Interessant!
Als zu Beginn des ersten Lockdowns gegen den Tod eines amerikanischen Kleinkriminellen demonstriert wurde, da nahm Corona Rücksicht auf die tapferen, von der Gerechtigkeit ihrer Sache beeindruckten, Arm in Arm nach Kirchentagsmelodie singenden Friedensbeseelten. Polizei? Die schaute ergriffen zu. Ebenso beim Christopher-Street-Day. Hunderttausend lagen sich weithin maskenfrei in den Armen, und nachts anderswo. Wir sind schließlich alle eine Familie. Auch als die SPD-Bundestagsfraktion ihr Familienfoto machte, war Corona abwesend. Bei der AfD hätte sie aber sowas von gnadenlos zugeschlagen.
Intelligent wie es ist, weiß Corona auch, dass die riesigen Demos vom Teufel sind, die es wagen, eben jenes Corona und die Maßnahmen nicht tot(!)ernst zu nehmen. Da gehören Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt, so eine Bundestagsabgeordnete der Grünen. Das sind rechtsradikale Hotspots, die sauberen obrigkeitshörigen Bürgern den sicheren Tod bringen. Sie zumindest aber mit solch einem Unfug infizieren, dass nämlich Alte und Kinder zu psychischen Krüppeln gemacht werden oder dass die Stiftung Warentest gerade ermittelt hat, dass 15 von 16 getesteten Kinder-Maskentypen „wenig geeignet“ sind. Peanuts, sagt sich der panische Deutsche und frönt dem Egoismus der eigenen Lebenserhaltung. Den Impf- und Maßnahmen-„Beipackzettel“ zu lesen, ist ein Verbrechen.
Wie zur Bestätigung fordert jetzt die Gewerkschaft der Polizei, Einschränkungen des Versammlungsrechts aufzuheben. Die Menschen dürften nicht das Gefühl haben, „dass die Polizei als Ersatz des politischen Meinungsstreites missbraucht wird“. Richtig! Aber wir warten noch auf einen Harald Jäger, jenen mutigen Volkspolizisten, der am 9. November ’89 befehlswirdrig an der Bornholmer Straße den Schlagbaum öffnete und die „Demo“ ziehen ließ.
Während ich diese Zeilen schreibe, meldet sich ein Undercover-Nazi-Irrgläubiger Kollege aus München: „Habe gestern eine fröhlich-friedliche Demo in der Altstadt für die Zukunft unserer Kinder erlebt. Nur berichten tut keiner davon.“ Und eine Familie aus dem Erzgebirge schreibt: „Kerzen und Gebete haben schon mal geholfen. Vielleicht steht die Rentnerin mit dem goldenen Handschlag bald in ihrem Margot-Honecker-Büro am Fenster und ruft den vorbeiziehenden Massen zu: Ich liebe Euch doch alle.“ Tja, hoffen wir das Beste …