Tichys Einblick
Corona-Herbst

Die CDU sucht nach einer eigenen Position

Die FDP bezieht derzeit massiv Prügel, weil sie Lauterbachs Aktivismus mitträgt, um den Impfdruck zu erhöhen. Die CDU prügelt mit und hofft, dass sie keiner nach ihrer Position fragt. Die gibt es nämlich nicht.

CDU-Vorsitzender Friedrich Merz und der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

IMAGO / Jens Schicke

Jens Spahn gehört zu den CDU-Politikern, die am häufigsten in einer der großen Talkshows sitzen. Immer noch. Dort spricht der ehemalige Gesundheitspolitiker über vieles: Benzinpreise, Energiepolitik oder den Krieg in der Ukraine. Doch ein Thema spart Spahn aus: Gesundheitspolitik kommt nicht vor. Mit dem Scherbenhaufen, den er hinterlassen hat, will er nichts zu tun haben. In der Politik hat Spahn nur eine Zukunft, wenn die Wähler seine Vergangenheit vergessen.

"Es war nicht alles schlecht"
Die FDP ist in der Ampel inhaltlich erledigt
Stattdessen dürfen andere Vertreter in der Partei das Themenfeld Gesundheit besetzen. Doch scheinbar will niemand so recht. Über die FDP brach die Wut der Wähler herein, die ein Ende der Maßnahmen und Augenmaß in der Corona-Politik angekreuzt, aber eine allgemeine Maskenpflicht erhalten haben – es sei denn, man spritzt sich alle 90 Tage frei und verbraucht so die Impfdosen, die der amtierende Gesundheitsminister zu viel bestellt hat.

Doch die CDU? Sie pufft ein wenig mit gegen den ehemaligen Koalitionspartner. Aber eher aus Pflichtgefühl statt aus Überzeugung. Denn der Merkel-Partei fehlt eine eigene Position in der Corona-Politik. So irrlichtern die einzelnen Vertreter der CDU umher und beschließen nur wenig Zusammenhängendes: In Nordrhein-Westfalen rät die Schulministerin Dorothee Feller den Schulen, dass die Kinder die Masken freiwillig tragen müssen. Und der ewige Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann möchte die Konferenz mit seinen Amtskollegen am Dienstag abwarten, bevor er sich auf eine Corona-Strategie festlegt. Nach 16 Jahren Angela Merkel warten CDU-Funktionäre darauf, dass irgendwann schon eine Lösung vorbeikommt. Irgendeine.

Im Bundestag hat Tino Sorge das Thema Corona für die CDU übernommen. Eine eiserne Journalisten-Regel verbietet es, Witze mit Namen zu machen. Deswegen fällt das Wort „Sorgenkind“ nur einmal. Denn auch ohne den zuständigen Fachpolitiker ist die Pandemie ein eben solches in der Union.

Als am Mittwoch Lauterbach stolz die allgemeine Maskenpflicht mit Freispritzoption verkündet und Justizminister Marco Buschmann (FDP) versucht, das zurückzuholen: Es sei nicht so, wie es aussieht und teilweise auch ist, aber ohne die FDP ja alles viel schlimmer ausfallen würde und überhaupt, das muss einmal gesagt werden, ganz deutlich … Da, in diesem Moment, gibt die größte Oppositions-Fraktion eine Pressemitteilung heraus. Wenn es den Preis für das Goldene Nichts noch nicht gibt, sollte er eigens für diesen Text eingeführt werden.

Versorgungssicherheit als "oberste Priorität"
Uniklinik Regensburg bittet ungeimpfte Mitarbeiter, nicht zu kündigen
Sorge verfasst den Text zusammen mit Sepp Müller (CDU). Die Kernthese lautet: Die „Vorschläge der Ampel klammern wichtige Punkte aus und lassen die Länder im Unklaren.“ Der Maßnahmen-Katalog sei lückenhaft, es fehlten Aussagen zur Isolationspflicht oder dazu, wie der Personal-Engpass in den Krankenhäusern aufgelöst werden solle. Nur: Was sie selbst wollen, auch in den angesprochenen Punkten, das sagen die beiden Christdemokraten halt genauso wenig.

Es braucht eine kleine Presseschau, um Sorge auf Aussagen festzulegen: Gegenüber dem Recherchenetzwerk Deutschland fordert er, dass die Impfpflicht für Pfleger Ende des Jahres nicht verlängert werden soll. In der Bild kritisiert er, dass die Vorschläge von Lauterbach und Buschmann den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission widersprächen. Das heißt wohl, dass er keinen Impfdruck auf Menschen unter 60 Jahren möchte.

Doch so deutlich drückt sich Sorge nicht aus. Nicht in seinen einzelnen Aussagen gegenüber Journalisten – und schon gar nicht in einer Pressemitteilung, in der er auch den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Müller berücksichtigen muss. Denn in einer solchen Erklärung erhielten die Aussagen den Rang einer CDU-Position – und die gibt es derzeit nicht. Immerhin spricht für die Partei, dass sie das nahezu ehrlich einräumt.

Anzeige
Die mobile Version verlassen