Gut die Hälfte der erwachsenen Deutschen hat sich einer Umfrage zufolge schon einmal Gedanken über das Auswandern gemacht. Im Jahr 2019 verließen 281.411 Menschen Deutschland dauerhaft oder für längere Zeit – mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr 2000. Wer ernsthaft plant, die Bundesrepublik zu verlassen, stößt früher oder später auf Christoph Heuermann. Er suchte gleich nach seinem Studium das Weite, lebt heute in Panama und verbringt seine Zeit mittlerweile größtenteils an Bord eines Katamarans, den er sich 2020 anschaffte. Seinen Lebensunterhalt verdient Heuermann mit seinem Buch über Auswanderung und Steueroptimierung „Weil dein Geld dir gehört“ – und mit individueller Auswanderungs- und Steuerberatung. Über mangelnde Nachfrage kann sich der Weltreisende nicht beklagen. Nach eigenen Angaben liegt sein Monatseinkommen bei etwa 50.000 Euro. Natürlich abgabenfrei, denn Panama verlangt keine Steuern für Einkommen, die jemand außerhalb des Landes erwirtschaftet.
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TE: Herr Heuermann, warum sind Sie ausgewandert?
Christoph Heuermann: Ich habe mich direkt nach meinem Bachelor-Abschluss an der Uni Konstanz (Politikwissenschaften) im Februar 2015 abgemeldet. Schon im ersten Semester meines Studiums stieß ich auf klassisch liberale Ideen, engagierte mich dann stark in der deutschen libertären „Szene“ und wollte natürlich auf keinen Fall für den Staat oder staatsnahe Institutionen arbeiten. Mit meinen letzten Ersparnissen reiste ich nach Mexiko und gründete dort den Staatenlos.ch-Blog. Praktisch habe ich nie in Deutschland Steuern gezahlt. Ich wollte mein Geschäft von Anfang an möglichst frei gestalten, ohne nervige Bürokratie und demotivierende Steuern. Aber das ist nicht das Einzige: die Mentalität eines Großteils der deutschen Bevölkerung, das Wetter und die im weltweiten Vergleich miserable digitale Infrastruktur taten ihr übrigens. Eigentlich wollte ich aber vor allem die Welt bereisen und meine Neugierde nach vielen neuen Ländern und Kulturen befriedigen.
Sie waren auch kurz Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten. Hat die Politik Sie nicht gereizt?
Im Studium lernte ich das Spiel der Politik detailliert und auch praktisch kennen. Stationen als Praktikant beim liberalen Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler während des Wahlkampfs 2013 und in der Politikberatung in Brüssel 2014 ließen mich in Abgründe schauen, die jede Hoffnung auf einen politischen Wandel hin zu einer freien Gesellschaft erledigten. Wie auch in einer Demokratie, bei der mehr als 80 Prozent der Menschen direkt oder indirekt abhängig vom Staat sind, also mehr von ihm bekommen als sie steuerlich einzahlen? Der Marsch durch die Institutionen und Wandel über Ideen ist ohne Zweifel sehr wichtig, ermöglicht mir aber keine Freiheit zu Lebzeiten. Deshalb liegt mein Fokus darauf, mir ein freies Leben im Hier und Jetzt zu erschaffen, was durch Strategie, unternehmerische Kreativität (zum Beispiel das Projekt Freier Privatstädte) und dezentrale Technologie (Blockchain und Krypto-Währungen) weiterhin möglich ist.
Wie lange leben Sie schon in Panama? Warum dort?
Ich habe zwar eine lebenslange Daueraufenthaltsgenehmigung in Panama seit 2017, bin aber nur wenige Wochen im Jahr dort. Mein Ziel war es immer, alle Länder der Welt zu bereisen, was ich die letzten fünf Jahre extensiv getan habe. Nach meiner Zählweise war ich schon in 211 von 266 autonomen Gebieten der Welt. Im Juni 2020 habe ich mir einen Katamaran gekauft und lebe jetzt den Großteil des Jahres auf dem Wasser. Das hat mir auch zu Corona-Zeiten ein freies Reisejahr ermöglicht. Ab Ende 2021 wird der Katamaran längere Zeit die Karibik-Küste Panamas erkunden – dann werde ich auch länger dort sein. An Panama schätze ich nicht nur die wunderschöne Natur, sondern vor allem die Dynamik eines kleinen Landes, das sich in stetiger Entwicklung befindet und die Lebensbedingungen seiner Bevölkerung verbessert, dabei aber hohe Freiheiten bietet. Panama ist das einzige Land der Welt ohne Zentralbank, es hat keine Armee und, richtig strukturiert, natürlich auch keine Steuern.
Woher bekommen Sie bei der Beratung von Auswanderungswilligen die meisten Anfragen?
Mein Kundenstamm ist extrem heterogen. Ich habe damals damit angefangen, Selbstständigen und Online-Unternehmern ein auf sie maßgeschneiderte Wissen zu vermitteln – also das, was sich bis dahin nur Großkonzerne und Family Offices leisten konnten. Im Gegensatz zum typischen Steuerberater kenne ich mich auch aus eigener Anschauung zu 90 Prozent mit den Steuersystemen, Einwanderungsregeln und Lebensbedingungen fast aller Länder der Welt aus. In allen attraktiven Ländern arbeite ich mit Anwälten und Steuerberatern vor Ort für die „anderen 10 Prozent“ zusammen, um die Einwanderung, Firmengründung, Kontoeröffnung und so weiter umzusetzen. Aber meine Beratungsexpertise reicht natürlich noch deutlich weiter: in den meisten Gesprächen geht es auch um Themen wie Investments, Krypto-Währungen, Versicherungen, Meilenoptimierung für Vielreisende und vieles mehr.
Wie müssen wir uns Ihre typische Kundschaft vorstellen?
Noch immer bewegt sich der typische Klient in einem Einkommensbereich von jährlich 50.000 Euro bis 500.000 Euro brutto. Mittlerweile habe ich aber auch schon einige größere Mittelständler, Family Offices und wohlhabende Privatiers beraten. Ein wichtiger Fokus in meiner Arbeit sind auch junge Familien, die dem deutschen Schulsystem entfliehen wollen. Freilerner-Familien berate ich etwa zu besonders günstigen Konditionen. Aber auch immer mehr Angestellte und selbst Beamte fragen bei mir nach ihren Möglichkeiten an, ein freieres Leben zu führen. Mittlerweile haben wir Blogs in fünf Sprachen und beraten die ganze Welt, vor allem Spanier, Franzosen, Engländer und Skandinavier.
Steuern kann man natürlich in Ländern am besten vermeiden, die nach dem Territorialprinzip veranlagen. Welche Länder außer Panama gibt es noch, auf die das zutrifft? Und gibt es auch steuerlich interessante Länder ohne Territorialbesteuerung?
Es gibt tatsächlich immer noch mehr als 70 Länder auf der Welt, wo man, wenn man seine Verhältnisse richtig strukturiert, steuerfrei leben kann. Noch besser als Territorialbesteuerung sind dabei Länder ohne direkte Steuern – man denke dabei an Monaco, die Bahamas und etliche andere Zwerg- und Inselstaaten. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate gehören dazu. Aktuell ist eine Auswanderung nach Dubai sehr beliebt, sie lässt sich schon mit 5.000 Euro Kosten pro Jahr sehr einfach abbilden.
Eine Territorialbesteuerung haben knapp 40 Länder. Panama hat dabei einen sehr schlechten Ruf als Steueroase. Thailand etwa hat ein ähnliches System, und bekommt trotzdem überhaupt keine negative Beachtung. Thailand ist ohnehin extrem populär und zieht deshalb viele Kunden an. Andere beliebte Länder mit Territorialbesteuerung sind etwa Paraguay (Permanent Residence mit nur 4.000 Euro Bankeinlage), Georgien (auch sehr einfache Einwanderung), Costa Rica, Malaysia und Uruguay. Was viele nicht wissen: auch Länder wie Chile, Neuseeland, Japan, Südkorea und Mainland China haben eine zeitlich beschränkte Territorialbesteuerung für Einwanderer (3-7 Jahre).
Kann ein Auswanderer eigentlich auch Steuern sparen, der die EU nicht verlassen will?
Selbst in der Europäischen Union plus Großbritannien bieten sich viele attraktive Optionen. Auch in England, Irland, Malta und Zypern kann man, wenn man es richtig anstellt, noch komplett steuerfrei leben. Länder wie Italien und Griechenland haben ein Pauschalsteuerregime nach dem Vorbild der Schweiz eingeführt, in dem man aber lediglich 100.000 Euro im Jahr begleichen muss. In vielen osteuropäischen Ländern liegt die Gesamtbesteuerung bei fairen 10-20 Prozent. Gerade Ungarn und Polen bieten mit ihrer geringen Körperschaftssteuer von neun Prozent auch sehr gute Optionen für deutsche Unternehmer, selbst wenn sie in Deutschland leben bleiben wollen.
Verdienen Sie tatsächlich etwa 50.000 Euro monatlich, wie es in vielen Artikeln heißt?
Mittlerweile ist diese Summe eher die Unter- als die Obergrenze im Monat. Mein Ziel, Einkommensmillionär zu werden, habe ich fast erreicht. Meine Blogs florieren in fünf Sprachen, werden von Tag zu Tag bekannter und wohl auch notwendiger. Die Politik macht praktisch täglich kostenfreie Werbung für mich. Die generelle Corona-Politik wie auch die sich daraus zwangsweise ergebende Digitalisierung hat mein Geschäft noch deutlich beflügelt. Allerdings habe ich mittlerweile zahlreiche andere Geschäfte aufgebaut, um mich nicht zu abhängig zu machen. Wir betreiben etwa die größte Walnuss-Plantage in Georgien oder ein Private Intelligence Startup in Brasilien neben diversen anderen, teils noch nicht öffentlichen Projekten.
Haben Sie noch den deutschen Pass oder ein anderes Papier? Können Sie frei reisen?
Ich habe nicht nur einen, sondern mehrere deutsche Reisepässe. Bei meinem Reisepensum hält selbst ein extra dicker Reisepass kaum zwei Jahre, bis ich mir einen neuen holen muss. Um eine zweite Staatsbürgerschaft bemühe ich mich mit diversen Optionen in Lateinamerika. Aktuell gibt es eine relativ günstige Möglichkeit, über ein Immobilien-Investment Brasilianer zu werden. Mir das Land unter Bolsonaro sehr sympathisch, die Reisefreiheit des Passes ist sehr hoch. Wir werden mit unserem Katamaran jetzt Anfang 2021 länger in Brasilien sein und die dafür nötigen Schritte ergreifen. Denn ich rechne stark damit, dass eine Besteuerung nach Staatsbürgerschaft ähnlich den USA kommt, sobald Linke und Grüne an der Macht sind. Dann steht es für mich bei aller Liebe zur deutschen Nation durchaus zur Debatte, meinen Pass abzugeben.
Sind Sie auch im Corona-Jahr so viel gereist wie sonst auch?
Trotz Corona habe ich 2020 insgesamt 36 Länder bereist – und keinen einzigen Test oder Quarantäne machen müssen.
Befürchten Sie Beschränkungen für die Zukunft? Schließlich gibt es Bestrebungen, „Steueroasen auszutrocknen“ – und damit verbunden möglicherweise Ideen, Leute, die sich der Hochbesteuerung entziehen, zumindest an der Bewegungsfreiheit zu hindern.
Paradoxerweise wird nach dem Versuchen der EU, Steueroasen auszutrocknen, gerade die Hälfte der Mitgliedsstaaten selbst zu Steueroasen, die mit einer Vielzahl von Vorteilen andere EU-Bürger in ihre Länder locken wollen.
Kryptowährungen scheinen ein ehr wichtiges Thema für 2021 zu werden. Wie ist Ihre Prognose?
Ich beschäftige mich bereits seit 2012 mit Krypto-Währungen und spekuliere seit Jahren regelmäßig an den Börsen. Viele Kunden bezahlen mich in Bitcoin, längerfristig halte ich aber eher sogenannte „Shitcoins“ als weniger bekannte Krypto-Währung, die sich durch wenig Liquidität und damit hohe Volatilität auszeichnet. Je nach Definition beginnt das hinter den obersten 20 oder 50 Krypto-Einheiten, gemessen an der Marktkapitalisierung.
Mein Vermögen liegt dauerhaft auf keinem Bankkonto, sondern wird als Krypto-Währung bis zu einer Summe vermehrt, bei der sie für größere Anschaffungen oder Investments in eine konventionelle Währung getauscht wird. Neben der spekulativen Ebene sehe ich in der Technologie aber natürlich viel Potential, das sowohl für als auch gegen die Freiheit genutzt werden kann. Viele können sich aktuell nicht ausmalen, was eine staatlich zentralisierte Blockchain bedeuten könnte – hin zur automatischen Abführung von Steuern in einem rein digitalen Geldsystem.
Halten Sie das für realistisch?
Ich gehe stark davon aus, dass diese Dystopie bereits in wenigen Jahren Realität sein wird. Zum Glück gibt es bis dahin wirklich anonyme, selbst vor Quantencomputern sichere dezentralisierte Krypto-Währungen, die eine Alternative darstellen werden. Bitcoin ist es für mich allerdings nicht. Ich setze auf alternativere Technologien, die außerdem deutlich höheren Wertsteigerungschancen mit sich bringen.