Tichys Einblick
Bundestagssitzung zum Ukraine-Krieg

Christine Lambrecht oder die Regierung der Getriebenen

Das Parlament hat sich auch ein wenig berauscht daran, seit langer Zeit der Realität Rechnung zu tragen, daran, dass es über die eigenen Ideologeme gesprungen ist. Doch noch gestaltet die Regierung nicht die Realität, sondern wird von ihr gestaltet. Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin müsste entlassen werden.

IMAGO/photothek

Alles, was die Regierung am Sonntag zu Protokoll gegeben, beschlossen und sich vorgenommen hat, hat sie nicht aus freien Stücken, sondern der Not gehorchend getan, einer Not übrigens, die sie selbst verschuldet und Putin durch seinen Krieg gegen die Ukraine, gegen das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Bürger, offenbart hat. Diese Not ist Resultat der Politik einer politischen Klasse, die das sanfte Leben in der Illusion der Erkenntnis der rauen Realität vorgezogen hat, die in ihren Träumen nicht gestört werden wollte. Alle diejenigen, die auch nur entfernt an den Träumen rüttelten, wurden marginalisiert oder als rechts verschrien. Die Rechnung für diese Träume wird nun den Deutschen präsentiert.

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Symptomatisch ist Christian Lindners heuchlerische Kritik an der CDU, die in ihrer Regierungszeit unsere Verteidigungsbereitschaft nicht allein demontiert hat. Ausgerechnet die Liberalen saßen mit der Union am Regierungstisch, als die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. Die SPD hat mit der CDU die Politik fortgesetzt und die Moral der Truppe untergraben, indem sie die Bundeswehr mit immer neuen Hexenjagden gepeinigt hat. Es entstand schon der Eindruck, dass die Bundeswehr Deutschlands gefährlichster Feind wäre.

Die Liste des Regierungsversagens der Union, der SPD, der FDP und schließlich auch der Grünen ist lang. Olaf Scholz war Finanzminister der letzten Merkel-Regierung. Nicht der Bundeswehr, sondern für den Kampf gegen rechts, wobei als rechts alle Positionen rechts von denen der Grünen und denen der SPD gelten, spendierte er aus dem Steuertopf 1,1 Milliarden Euro. Aufgerüstet wurde nicht die Bundeswehr, aufgerüstet wurden die NGOs als Fußtruppen der Rotgrünen. Was hören wir eigentlich von Frank-Walter Steinmeier, der an Schröders Seite und später als Außenminister Wladimir Putin und Dimitri Medwedew sehr gewogen war?

Die Sondersitzung im Bundestag gestern kann man als historisch bewerten – obwohl das Attribut inzwischen so banalisiert ist, dass schon die Öffnung eines Briefkuverts durch einen Minister als historisch gilt –, man kann es auch als Übersprungshandlung aus schlechtem Gewissen oder als peinlich ansehen. Nicht peinlich hingegen war die Rede von Olaf Scholz, die substantiiert und wohltuend zurückhaltend im Gebrauch von Pathos, doch letztlich unvollständig blieb. Konstruktiv auch Friedrich Merz.

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Christian Lindner und Robert Habeck wollten so gern in ihren Reden ein Winston Churchill sein – und man sah nur, dass ihnen alles dazu fehlte. Sie berauschten sich am eigenen Pathos. Beide waren insofern schlechte Redner, weil sie vor allem sich selbst begeisterten und wahrscheinlich sich beim Reden auf einer Barrikade in Kiew sahen. Lindner allerdings brachte seine Rede ohne grammatikalische Fehler und schiefe Bilder im Gegensatz zu Habeck nach Hause, mit Ausnahme des allerdings gewaltigen Patzers, dass erneuerbare Energien Freiheitsenergien seien, wenn er es nicht in dem Sinne meinte, dass erneuerbare Energien das Land vom Wohlstand befreien. Womit man beim Kardinalproblem angelangt ist.

Es ist eine Lüge, an der bereits von grünwilligen Medien gestrickt wird, dass die Energiepreise hoch wegen des Krieges seien; noch sind sie hoch wegen der falschen Energiepolitik der Regierung. Solange die Regierung diese Politik nicht revidiert, sich nicht von der grünen Lebenslüge von den erneuerbaren Energien befreit, ist nichts gewonnen, solange wird die Regierung eine Regierung der Getriebenen sein, getrieben davon, stets ihre Fehler reparieren zu müssen. Frei nach Goethe: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft?

Das Parlament hat sich gestern auch ein wenig berauscht daran, seit langer Zeit wieder einmal der Realität Rechnung zu tragen, daran, dass es über die eigenen Ideologeme gesprungen ist. Doch noch ist es nicht im 21. Jahrhundert angekommen, noch gestaltet die Regierung nicht die Realität, sondern wird von ihr gestaltet. Minister wie Christine Lambrecht als Verteidigungsministerin, die so offenkundig falsch besetzt ist, müssen in dieser ernsten Situation entlassen werden.

Das Verteidigungsministerium ist über Nacht von einem Park- zu einem Schlüsselministerium geworden. Dem muss der Bundeskanzler Rechnung tragen, am besten dadurch, jemanden mit Wehrerfahrung zu berufen, zur Abwechslung mal einen Fachmann.

Innere und äußere Sicherheit und die Energiesicherheit erweisen sich als die zentralen Aufgaben der Regierung Scholz, die muss der Kanzler anpacken, allen Widerständen zum Trotz. Zu entscheidenden Themen sind die Kohleverstromung und die Atomenergie geworden. Manfred Haferburg hat die deprimierende Situation klar und deutlich beschrieben, doch teile ich seinen Pessimismus nicht – vieles kann sehr schnell gelöst werden – wenn man den Stier bei den Hörnern packt, wenn man die Sache angeht und Hindernisse entschlossen beseitigt, wenn man gestalten will und nicht, wie es bis jetzt noch der Fall ist, ständig von der Realität zu Kurskorrekturen gedrängt wird. In der Übergangszeit, in der der Energiepreis hochschnellt, hat der Staat nicht daran mitzuverdienen, müssen die Mineralölsteuer und die Mehrwertsteuer auf Energie gesenkt und die CO-2 Steuer ausgesetzt werden.

Nicht Angela Merkel, sie nur als Fußnote, sondern Olaf Scholz wird in die Geschichtsbücher eingehen, so oder so, als Getriebener oder als Gestalter, er hat es in der Hand. Deutschland steht am Rubikon. Geschichte ist keine arithmetische Reihe.


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