Angriffe gegen Christen und christliche Kulturgüter erregen selten Aufsehen. Dass die Köpfung der Krippenfiguren in Rüsselsheim nun doch die Gemüter wenigstens kurzzeitig erregt, hat wohl weniger mit neu erwachtem christlichem Glaubenseifer zu tun als vielmehr mit emotionaler Anhänglichkeit: Jeden Winter suchen auch hartgesottene Modernisten Zuflucht bei der Nestwärme und Vertrautheit christlicher Adventstraditionen und Weihnachtsbräuche.
Doch mögen wir dies in erster Linie als Angriff auf die Besinnlichkeit verstehen: Angriffe auf christliche Gebäude und Kulturgüter haben in Deutschland und Europa ein beunruhigendes Maß angenommen, und werden doch immer noch bagatellisiert und unter der Wahrnehmungsschwelle gehalten. Wer die regionale Presse verfolgt, wird immer wieder auf zerstörte Kruzifixe und Heiligenfiguren, gestohlene Tabernakel und mit Graffiti beschmierte Kirchenmauern stoßen.
Erst im November hatten zwei internationale Berichte deutlich gemacht, dass Hassverbrechen gegen Christen signifikant zugenommen haben. Zu diesem Ergebnis kommt nicht nur der erst im November veröffentlichte Jahresbericht des Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe, sondern auch der zeitgleich erschienene Hate Crime Report des Menschenrechtsbüros der OSZE. Brandstiftung, Schmierereien, Diebstähle, Zerstörung von Statuen und Bildern – all das ist in Europa und Deutschland vielleicht noch nicht an der Tagesordnung, aber doch weit verbreitet.
Es ist verführerisch, diese Entwicklung der Migration in die Schuhe zu schieben. Tatsächlich machen seit Jahren vor allem in Italien immer wieder Fälle Schlagzeilen, in denen (meist schwarzafrikanische) Migranten in Kirchen randalieren. Sicher täten europäische Stellen zum Wohle aller gut daran, aufzuarbeiten, wo hier die Motive im Einzelnen liegen – aus der Herkunftskultur tradierter Christenhass, Psychosen, PTSD, Drogenmissbrauch? Dennoch machte man es sich zu leicht, hier migrations- oder islamkritische Phrasen zu dreschen.
Gerade im Hinblick auf den Islam muss man attestieren, dass der grundsätzliche Respekt vor religiösen Stätten bei den meisten Muslimen deutlich intakter ist als beim europäischen Durchschnittsgetauften. Dementsprechend ist der Anteil an muslimisch motiviertem Vandalismus noch eher gering, auch wenn sie im Rüsselsheimer Fall durchaus nicht unwahrscheinlich ist: Das Köpfen ist eine Art Signatur islamistischer Gewalttäter; da dies allgemein bekannt ist, kann es sich aber auch um eine Anleihe handeln, die das Erschrecken maximieren soll.
Die Täterschaft generiert sich vor allem aus Linksextremisten, verwahrlosten Jugendlichen und Trittbrettfahrern, die aus Lust an Zerstörung und Provokation agieren:
Anfang Dezember etwa wurde die Wallfahrtskirche Maria in der Kupfergasse zu Köln Opfer einer Attacke, bei der die Täter eklektische Botschaften an den Wänden der Gnadenkapelle hinterließen, die von völligem Nonsens über „666“ bis zu „Allah Akbar“ (sic) reichten: reine Provokation, die weder mit echtem Satanismus noch mit Islamismus zu tun hat. In einer funktionierenden Gesellschaft, gleich welcher kulturellen Prägung, würden derartige Übergriffe gegen geweihte Orte nicht geduldet. Dies verweist auf das eigentliche Problem: Die Erosion des sozialen Friedens, der – säkulare Ohren mögen dies nicht gern hören, aber es ist der historisch vielfach verbürgte Lauf der Dinge – auf den Verlust der Ehrfurcht vor dem Heiligen zwangsläufig folgt.
Der zunehmende Vandalismus ist letztlich nur die gewalttätige Ausformung der Gleichgültigkeit gegenüber der Transzendenz. Sie mündet in Gleichgültigkeit gegenüber dem Gemeinwesen und der sozialen Ordnung. Dies zeigt sich in unserer Gesellschaft auf jeder Ebene in vielfältigen Formen: in korrupten Politikern, im Unterlaufen der Grundrechte, in der geradezu planmäßigen Zerstörung der Familie. Ein Abgrund, den die steigende Gewaltbereitschaft nicht verursacht, sondern nur sichtbar macht.
Die Gewalt wird in dem Maße zunehmen, in dem die Erosion des Gemeinwesens voranschreitet. Es ist nur folgerichtig, dass sie sich vorrangig gegen das Christentum richtet, ist es doch das Fundament der europäischen Gesellschaften. Es reicht also nicht, monothematisch Islam, Migration oder soziale Verwahrlosung als Übel zu diagnostizieren. Die zerstörte Krippe in Rüsselsheim zeigt uns, dass unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten zerstört wird. Auch ein tiefer Blick ins Glühweinglas wird uns nicht davor bewahren, dass wir diese Realität nicht mehr lange werden verdrängen können.