Tichys Einblick
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben

In der CDU ist der Kampf um die Zukunft der Partei ausgebrochen

Der gestrige Tag hat die Konservativen und Liberalen in der Partei mit Hoffnung erfüllt – Parteiausschluss Maaßen gescheitert, Generalsekretärwechsel – und die Merkelianer mit Schrecken zurückgelassen. Bei der Vorstellung des neuen Generalsekretärs sendet Merz Altbekanntes vor und gleich wieder zurück: „Das ist ein Personalwechsel, kein Kurswechsel.“

IMAGO/dts

Viel Zeit besitzt die CDU, ihrem Niedergang zu wehren, nicht mehr. Der gestrige Tag dürfte für die Verschärfung der Auseinandersetzungen innerhalb der CDU sorgen. Zuerst entschied das Kreisparteigericht in Erfurt darüber, dass Hans-Georg Maaßen Mitglied der CDU bleiben darf und er seine Rechte und Pflichten als Parteimitglied wahrnehmen und erfüllen kann. Hans-Georg Maaßen hatte zu recht personelle Konsequenzen gefordert. Keine Stunde später wurde bekannt, dass der Parteivorsitzende Friedrich Merz seinen Generalsekretär Mario Czaja gefeuert und dafür seinen Vertrauten Carsten Linnemann auf diese Stelle berufen hat. Das war mehr als überfällig.

Denn es war Mario Czaja als Generalsekretär, der den Tweet von Hans-Georg Maaßen – in dem Maaßen auf das Ziel des Mission-Lifeline-Gründers Axel Steier, Deutschland nicht auf dem Weg der Reform und Demokratie, sondern auf dem Weg der Einwanderung, der Zerstörung der ethischen Struktur, letztlich der Entrechtung und Enteignung der Deutschen, zu verändern, geantwortet hat – skandalisierte. Czajas Vorwürfe zeigten sich nicht als besonders gut informiert und Czaja selbst nicht als ein Mann der Analysen, aber sie taten dennoch ihre desaströse Wirkung, signalisierten sie doch dem politischen Gegner, dass die CDU das Parteimitglied Hans-Georg Maaßen zum Abschuss freigegeben hat.

Neuer CDU-Generalsekretär Linnemann
Der letzte Joker von Merz
In der Folge bemühte sich Czaja, Maaßen aus der CDU zu entfernen, und boxte sogar im Parteivorstand einen absurden Unvereinbarkeitsbeschluss durch, nach dem man nicht zugleich CDU-Mitglied und Mitglied der Werte-Union sein könne. Mitglied von Greenpeace dürfte man hingegen schon sein. Czajas Selbstermächtigung dürfte parteirechtlich allerdings keinen Bestand haben, da nicht der Vorstand, sondern nur ein Parteitag diesen Beschluss fassen kann. Die Unvereinbarkeit bezüglich der Linkspartei und der AfD wurde jedenfalls vom 31. Parteitag der CDU am 8. Dezember 2018 beschlossen.

Zu den vielen Fehlern des Parteivorsitzenden Friedrich Merz zählt, dass er sich den Linken Czaja als Generalsekretär aufdrücken ließ. Czaja hat im Grunde permanent gegen Merz gearbeitet, man denke nur an die unselige Frauenquote, so dass Merz schon bald hätte seinen Hut nehmen und aus der Tür hätte gehen müssen, wenn er nicht Czaja selbige gewiesen hätte. Mit Carsten Linnemann an seiner Seite hat er nun einen Vertrauten und jemanden, der loyal ist. Doch die Abteilung Angriff, die für einen Generalsekretär wichtig ist, kann Linnemann (noch) nicht, der es auch wohl nicht allzu gut in der Diskussion versteht, Angriffe zu parieren. Doch das kann man lernen. Alles wird darauf ankommen, wen sich Linnemann, aber auch Merz als Berater holen. Dass sie den Hardcore-Grünen Fücks zu ihrem Grundsatzkonvent einluden, aber auf profilierte liberale und konservative Intellektuelle verzichtet haben, war ein schwerer Fehler, an dem sie noch lange tragen werden.

Czajas Entlassung jedoch dürfte noch zwei weitere Gründe haben, denn Czaja hatte den Merz-Gegner und Merkelianer Wohlrabe zum Kampagne-Chef gemacht. Dessen Entlassung sollte als nächstes auf Merzens Agenda stehen, wenn er einzulösen gedenken sollte, was sich die Liberalen und die Konservativen erhoffen. Der Bruch mit und die Aufarbeitung der Merkel-Zeit sind ein wichtiges Thema.

Bürger-Erwachen
Gegen freiheitsfeindliche Ampel und Totalausfall der Union
Zudem hatte der Meldestellen-Ministerpräsident von NRW, Hendrik Wüst, vor kurzem in einem Nadelstreifenputsch Merz an den Rand zu schieben versucht, in dem er Angela Merkel banalisierte, um sich als neuen starken Mann der CDU und als Kanzlerkandidat zu empfehlen. Wüst mag auf Junge-Union-Niveau zu taktieren verstehen, ihm dürften auch beim Schmieden von Bündnissen keine tieferen Überzeugungen im Wege stehen, dennoch hat er sich verzockt. Sein Angriff kam zu eitel, zu selbstverliebt – und vor allem zu früh.

Bis zu den nächsten Wahlen ist es noch lange hin, während mit Blick auf den Wahltermin die Regierung ihre beste Zeit hinter sich hat, hat die Opposition ihre beste Zeit vor sich. Auch hatte Wüst nicht bedacht, dass man zwar den Verrat, nicht aber den Verräter liebt. Nicht er hätte sich – und dann auch noch auf so plumpe Art – empfehlen dürfen, sondern er hätte empfohlen, er hätte gerufen werden müssen. Dass ihm diese Fehler unterliefen, deutet darauf hin, dass er auf die Mehrheit der Merkelianer im Parteivorstand und auf den Generalsekretär der Partei, Mario Czaja, setzte. Es ist daher denkbar, dass Czaja von dem Sturm, den Wüst im Wasserglas entfachte, etwas wusste.

Jetzt konnte Merz, wenn er nicht gleich zurücktreten oder Zaungast seiner eigenen Demontage werden wollte, nicht mehr am Elefanten im Raum vorbeischauen. Merkels Nachlassverwalter Wüst jedenfalls schickte sich an, die Partei zu übernehmen, wer weiß, von wem alles ermuntert. Von Günther? Von Laschet, den für eine durch und durch grünrote Rede im Bundestag die Grünen vor kurzem über den grünen Klee lobten? Wäre es nicht ehrlicher, die Partei zu wechseln? Von Güler?

Überraschender Wechsel
Czaja raus - Merz macht Linnemann zum neuen CDU-Generalsekretär
Jetzt musste Friedrich Merz, wenn auch zu spät, Mario Czaja entlassen. Bezeichnend ist die Trauer, die sich bei den Grünen über die Entlassung ihres Mario Czajas einstellte. Eines dürfte Merz klargeworden sein, dass er seine Position nur retten kann, indem er in die Initiative geht. Doch weitere müssen folgen. Das ist erst der Anfang eines langen, schwierigen Weges, der eines besonderen Charakters, einer besonderen Klugheit, einer besonderen Unerschrockenheit und eines besonderen Teams bedarf, wenn man ihn erfolgreich zurücklegen will. Hier ist vor allem Carsten Linnemann in der Pflicht. Zu dem Team zählen nicht die Leute von gestern, nicht die Wolhrabes und auch nicht Konservative, die aus dem rheinischen Konservativismus der achtziger Jahre nicht heraus und deshalb nicht in den Liberalkonservativismus unserer Zeit hineinfinden, so ehrenhaft sie auch sein mögen.

Der gestrige Tag hat die geschundenen Konservativen und Liberalen in der Partei mit Hoffnung erfüllt, hingegen die Merkelianer, die CDA-Leute um Dennis Radke, die Klima-Union um Thomas Heilmann, die CDU-Parteiabzeichenträger, die geistig den Grünen angehören, mit Schrecken zurückgelassen. Sie werden mobilisieren. Die Auseinandersetzung in der CDU wird stärker, wird unversöhnlicher werden.

Manch einer wird sagen, lasst doch die Toten ihre Toten begraben. Warum soll man sich mit der Union befassen? Das Argument hierfür ist ganz einfach, die Union ist nach wie vor die stärkste Partei. Die Mehrheit in Deutschland will eine bürgerliche Politik Mitte-Rechts – und das meint auch Mitte-Rechts. Dass Deutschland links regiert wird, liegt nicht an der Stärke von SPD und Grüne und Linke, sondern daran, dass die bürgerlichen Parteien CDU/CSU und FDP ihre Wähler verraten, in der Ansicht, dass diese Wähler, ganz gleich, was CDU/CSU und FDP unternehmen, keine Alternative zu ihnen haben und sie am Ende deshalb doch wählen müssen. Das ist vorbei. Es existiert eine Alternative, die immer mehr an Schrecken verliert, umso größer der Schrecken wird, den die Ampel unter Mithilfe von CDU/CSU verbreitet. Mit diesem Kurs geht die CDU in den Untergang, auch wenn Wüst, Laschet, Güler und Günther augenscheinlich nicht in der Lage sind, das zu begreifen.

CDU-Parteiausschluss gescheitert
Die Merkelianer werden Hans-Georg Maaßen nicht los
Will die CDU eine Zukunft haben, muss sie eine Grundwahrheit verinnerlichen: Der politische Gegner steht links. Versucht sie sich weiter an die Grünen anzupassen, wird sie weiter an Zuspruch verlieren. Nach der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl, die Ipsos heute veröffentlicht, kämen die CDU/CSU auf 26 Prozent, die AfD auf 22 Prozent , die SPD auf 18 Prozent, die Grünen auf 14 Prozent, die FDP auf 7 Prozent, „Die Linke“ auf 5 Prozent, heißt, das bürgerliche Lager würde 55 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, die linken politischen Kräfte nur 37 Prozent.

Beide Zahlen, die die Größe der politischen Lager links der Mitte und Mitte-Rechts angeben, 37 Prozent und 55 Prozent, sind in den verschiedenen Umfragen ungefähr gleich. Verschiebungen finden nur innerhalb der Lager statt: Bekommt die SPD einen Prozentpunkt mehr, verlieren die Grünen einen Prozentpunkt – und umgekehrt. Ausgeschlossen ist es jedoch nicht, wenn die desaströse Politik der Ampel, die sich vor allem gegen die sogenannten „kleinen Leuten“, gegen die untere und die mittlere Mittelschicht richtet, längst aber schon die obere Mittelschicht erreicht, die die Zumutungen nur besser abfedern kann, weiter vorangetrieben wird, dass dann die SPD noch weiter Wähler an die CDU und vor allem an die AfD verliert.

Wobei wir bei der eigentlichen Frage sind: Was muss Friedrich Merz tun, um die Union zu befähigen, Deutschland wieder auf Erfolgskurs zu bringen?

  1. Voraussetzung ist der Grundsatz: Der politische Gegner steht links, in der Hauptsache sind es die Grünen.
  2. Merz und Linnemann müssen ein modernes liberales und konservatives Team zusammenstellen, sowohl als Mitarbeiter als auch als Berater. Das Beraterteam muss auch Medienexperten umfassen.
  3. Merz muss durch einen gründlich vorbereiteten Mitglieder- und nicht Funktionärsparteitag die Zusammensetzung des Vorstandes ändern. Die Dominanz der Merkelianer im Apparat muss gebrochen werden.
  4. Er muss deshalb den notwendigen Richtungsstreit geplant beginnen, indem er ein klares Konzept besitzt, dass sicherstellt, dass er die Initiative in dem Streit behält, Angreifer und Spielmacher bleibt.
  5. Alle Statements, Initiativen und Aktionen sind, minutiös medienstrategisch vorzubereiten. Für bestimmte Vorhaben und Vorstellungen wird es den Gegenangriff der Medienmacht der Grünen geben. Deshalb ist es erforderlich, eine eigene Kampagneplanung zu besitzen, die auch neue und unkonventionelle Medien nutzt.
  6. Merz muss ein Bündnis mit den Liberalen und den Konservativen – und mit der Parteibasis eingehen.
  7. Der Generalsekretär sollte nicht danach streben, geliebt zu werden.

Die CDU wird sich erneuern oder sie wird nicht sein. Gegenwärtig stehen weder Spaltungen noch Parteiausgründungen an. Doch die Auseinandersetzungen sind unvermeidlich. Sollten jedoch die Konservativen und die Liberalen gegen die Grünen in der Partei verlieren, auch weil Friedrich Merz und Carsten Linnemann zu wenig den Ernst der Stunde begriffen haben und nicht klug und beherzt genug ans Werk gehen, dann sind Spaltungen und Parteiausgründungen nicht mehr undenkbar, dann dürften sie auf die eine oder andere Weise geschehen. Es ist letztlich die Realität, nicht der Ehrgeiz oder die Wünsche einzelner, die diese Entwicklung befeuert.

Bei der Vorstellung des neuen Generalsekretärs sagte Friedrich Merz: „Das ist ein Personalwechsel, kein Kurswechsel.“ Man könnte spöttisch fragen, welchen Kurs Merz meint, denn außer dass man mehr oder weniger bockig den Grünen hinterhertrottet, ist kein Kurs zu erkennen, denn den müssen Merz und Linnemann erst entwicklen und ausarbeiten. Allerdings ist die CDU in intellektueller Hinsicht auch eine – freundlich formuliert: – nur pragmatische Partei. Posten sind wichtiger als Positionen. Vielleicht ist das auch das Schwerste für die CDU, und vielleicht scheitert diese Partei, wenn sie scheitert, vor allem daran.

Überall in Europa findet ein konservativer und liberaler Aufbruch statt, nur in Deutschland nicht, weil FDP und Union sich weigern, Partei für diesen Aufbruch zu sein. Wie sagte Michail Gorbatschow doch 1989 in Berlin? Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

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