Nachdem Armin Laschet während des Kampfes um den CDU-Vorsitz gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen in einem gemeinsam mit Jens Spahn verfassten Impulspapier für die Parteitagsdelegierten angekündigt hat, unter seiner Führung in Deutschland ein „Modernisierungsjahrzehnt“ in Gang setzen zu wollen, verspricht der derzeitige Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag, Ralph Brinkhaus, den Wählern inzwischen sogar eine „Jahrhundertreform – vielleicht sogar eine Revolution“ mit Blick auf die föderale Struktur der Bundesrepublik. Anders als bei der vom Fraktionsvorsitzenden der CSU, Alexander Dobrindt, vor der letzten Landtagswahl in Bayern angekündigten, danach aber schnell wieder eingemotteten „konservativen Revolution“ im Land, geht es bei den jüngsten Ankündigungen aus der Führungsspitze der Union vor allem um das Thema Digitalisierung und staatliche Verwaltung.
Das gilt insbesondere für Brinkhaus, der unter Verweis auf die mangelnde Effektivität und Effizienz der Corona-Politik im Zusammenspiel von Bund und Ländern für eine Zentralisierung von Kompetenzen auf Bundesebene plädiert. Gleichzeitig will er die öffentlichen Verwaltungsprozesse stärker digitalisieren, automatisieren und vereinheitlichen, um so die länderübergreifende Zusammenarbeit etwa im Bereich der Bildung zu verbessern. Dass Brinkhaus ein solches Reorganisations- und Optimierungsvorhaben, das in (Groß-)Unternehmen schon lange mehr oder weniger zum Tagesgeschäft gehört, als „eine Jahrhundertreform“ oder gar als „eine Revolution“ bezeichnet, wirft freilich die Frage auf, warum sich die öffentlichen Verwaltungsstrukturen und -prozesse nach fast sechzehn Jahren ununterbrochener CDU-Kanzlerschaft im Bund in einem derart miserablen Zustand befinden, dass sie einer radikalen Reformierung bedürfen.
Mit derlei Allgemeinplätzen und Worthülsen spiegelt Laschets Impulspapier wohl nicht nur seine eigene, sondern ebenso die politische Sichtweise und Stimmungslage all derjenigen Funktionäre der CDU wieder, die ihn auf dem Parteitag zu ihrem Vorsitzenden gewählt haben. Sie ist von keinem Geist des Aufbruchs und schon gar nicht von einem grundlegenden Reformwillen auf einem der zehn genannten Themenfelder geprägt. Sondern von der Absicht, die eigene Programmatik so allgemein, diffus und unspezifisch zu gestalten, dass die tatsächliche Politik dem jeweiligen Zeitgeist und den koalitionären Opportunitäten flexibel angepasst werden kann. Laschets CDU steht, wie schon Merkels CDU, nicht für die Umsetzung ehrgeiziger programmatischer Ziele oder die Durchsetzung schwieriger, manchmal auch unpopulärer politischer Reformen wie etwa Schröders Agenda 2010, sondern für eine Politik des Fahrens auf Sicht, bei der jederzeit überraschende, manchmal auch radikale Richtungswechsel möglich sind.
Das wissen auch Laschet und Brinkhaus. Sie versuchen daher, mit Schlagworten wie „Modernisierungsjahrzehnt“ oder „Jahrhundertreform“ die christdemokratischen (Stamm-)Wähler zu mobilisieren, indem sie die CDU als eine wegweisende Programm-Partei etikettieren, die sie seit Merkel freilich weniger denn je ist. Was sich hinter solchen Etiketten mit Blick auf die Bundestagswahl verbirgt, werden wir erst wissen, wenn das Wahlprogramm der CDU vorliegt. Es ist allerdings zu befürchten, dass auch anhand dieses Programms die Wähler nicht sicher sein können, dass sie mit einem Kreuz bei der CDU gegen grüne „Modernisierungsansätze“ wie die Aufhebung der Schuldenbremse, Eurobonds, die Öffnung des Asyl- und Aufenthaltsrechts für „Klimaflüchtline“, den Ausbau von Frauenquoten, die Einführung von Migrantenquoten, die Verschärfung von Klimazielen, das Verbot von Familienhäusern und des Fleischkonsums und die Zentralisierung der EU gestimmt haben.
Anders als sein Amtskollege Markus Söder von der CSU bestreitet Laschet inzwischen zwar, eine „spannende“ Projekt-Koalition mit den Grünen anzustreben, um Ökonomie und Ökologie miteinander zu versöhnen. Er weist aber gleichzeitig darauf hin, dass er eine Koalition mit den Grünen jederzeit eingehen würde, sollte das Wahlergebnis dies rechnerisch ermöglichen und nahelegen. Angesichts solcher Perspektiven wäre es für die Wähler schon von Interesse, aus dem Wahlprogramm der CDU unter anderem zu erfahren, wo ihre roten Linien gegen den weiteren Ausbau der schon laufenden grünen „Modernisierung“ des Landes konkret verlaufen. Möglicherweise wird es diese Linien im Wahlprogramm von Armin Laschet aus Gründen der politischen Flexibilität aber auch gar nicht geben. Das wäre für die Wähler dann auch eine aufschlussreiche Information.