Tichys Einblick
"Epidemischen Lage von nationaler Tragweite“

CDU und SPD wollen Corona-Ausnahmezustand auf unbestimmte Zeit verlängern

Das Infektionsschutzgesetz soll geändert werden, die Vollmachten der Bundesregierung verlängert werden – und zwar unbefristet. Eine wissenschaftliche Begründung soll erst bis zum 31. März nächsten Jahres vorgelegt werden.

imago images / Future Image

Wir leben in einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ – zumindest rechtlich. Diese Lage war, gemäß des Infektionsschutzgesetzes, durch den Bundestag im März vergangenen Jahres festgestellt worden und diente als Grundlage für die Maßnahmen des Staates in der Corona-Krise. Die Feststellung dieser „epidemischen Lage“ liegt beim Bundestag.

Heft 03-2021
Tichys Einblick 03-2021: Es reicht.
Nun haben Union und SPD bekanntgegeben, sich auf eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes verständigt zu haben: Bei der Verhängung und der Lockerung der Maßnahmen soll in Zukunft nicht nur der Inzidenzwert eine Rolle spielen. Stattdessen sollen auch die Impfquote und der R-Wert gesetzlich berücksichtigt werden.

Der Gesetzesentwurf der Koalition sieht vor, die zeitliche Begrenzung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ einfach aufzuheben. Der Bundestag dürfe alle drei Monate erneut über die Verlängerung abstimmen. Wenig überraschend, dass die beiden Fraktionschefs Brinkhaus und Mützenich dem Parlament nur wenig Verantwortung zubilligen. Auch, dass man die Auswahl der relevanten Kriterien offenhalten will, wirkt auf den zweiten Blick eher wie der Versuch, sich neue, passendere Zahlen zu suchen: Im Hinblick auf eine bundesweite Inzidenz, die an der 50 kratzt, haben nämlich immer mehr Politiker die rechtliche Grundlage des Lockdowns in Frage gestellt, unter anderem der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP). Soll das neue Gesetz der Exekutive womöglich mehr Handlungsfreiräume schaffen, wenn die bisherigen Zahlen plötzlich nicht mehr reichen, um die „epidemische Lage“ zu untermauern?

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Eine inhaltliche oder wissenschaftliche Begründung wird nicht vorgelegt. Dafür wird festgeschrieben dass die nationale Akademie Leopoldina bis zum 31. Dezember (!) eine Untersuchung erarbeiten soll, ob noch eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ bestehe. Diese Untersuchung soll dem Bundestag zum 31. März 2022 vorgelegt werden. Wohlgemerkt fordert der Bundestag eine wissenschaftliche Begründung in einem Jahr, für seine Entscheidung von heute an.

Karin Maag (CDU/CSU) sagt zwar: „Wir Abgeordnete aus den Koalitionsfraktionen bringen den Entwurf ein.“ Aber so richtig überzeugend wird das nicht. Der Bundestag ermächtigt die Bundesregierung weiter, über lange Zeit in großen undefinierten „Konferenzen“ extreme Einschränkungen der Freiheitsrechte vorzunehmen, und fordert nichtmal eine Begründung. Das Parlament schwächt sich also selbst.

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