Nun scheint es schnell zu gehen mit dem Opportunismus, einem Opportunismus, dessen Triebfedern Ideenlosigkeit, Orientierungslosigkeit, Mutlosigkeit und Pöstchenverliebtheit heißen, und der durch die Arroganz dem Wähler gegenüber gestützt wird. In Thüringen entscheidet sich in diesen Tagen die Zukunft der Ost-CDU und nebenbei auch, ob die FDP-Fraktion im Thüringer Landtag Episode wird. Wenn Parteien das Spielchen, wasche mir den Pelz, aber mache mich nicht nass, spielen, steht gewöhnlich der Wähler als begossener Pudel dar.
Noch auf dem Kongress der Jungliberalen bezeichnete der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich die Parteien Die LINKE und die AfD als „Blöcke“, „die die politischen Ränder der Gesellschaft abbildeten“. Angesichts der Wahlergebnisse dürfte es dann in Thüringen sehr breite Ränder und eine sehr schmale Mitte geben. Allerdings sollte man als Demokrat nicht die Wähler der politischen Konkurrenz beschimpfen, sondern durch eigene Konzepte und Kompetenz die Wähler überzeugen, erst recht, wenn man mit viel Hoffen und Beten es knapp über die 5 % geschafft hat und geradeso ins Parlament gerutscht ist. Recht hat Kemmerich aber, wenn er sich vor Tagen dahingehend festlegte, dass es keine institutionalisierte Zusammenarbeit mit Dunkelrotrotgrün geben dürfe und er keine Parallel-Gremien von fünf Parteien bilden wolle. Für ihn sei der Ort der Diskussion das Parlament. Er wolle, dass die inhaltlichen Debatten offen im Parlament geführt werden. So weit so gut.
Über das ungewöhnliche Treffen berichtete der mdr: „Thüringens CDU-Chef Mike Mohring hat Vertretern von Rot-Rot-Grün Mehrheiten für bestimmte Projekte in Aussicht gestellt. Man habe bei wichtigen Themen „unvoreingenommene Prüfung“ und Gesprächsoffenheit zugesichert und „dass dort Mehrheiten gesichert werden, wo Themen notwendig sind, weil sie das Land voranbringen“. Zugleich betonte Mohring, dass „seine Partei das „ideologische Projekt Rot-Rot-Grün“ nicht verlängern wolle“, berichtet der mdr weiter. Das verstehe nun, wer will. Einerseits möchte Mike Mohring mit der Minderheitsregierung in bestimmten Projekten zusammenarbeiten, ihnen Mehrheiten beschaffen, anderseits will er das Projekt Dunkelrotrotgrün nicht verlängern, obwohl er genau das dadurch macht. Er will diese Regierung nicht unterstützen, indem er die Regierung unterstützt.
Einerseits will man Opposition sein, anderseits sichert man der Regierung vorab Mehrheiten für bestimmte Projekte zu, einerseits betont man, dass der Ort der Diskussion das Parlament sei, anderseits eilt man zu Diskussionen außerhalb des Parlaments. Mohrings Begründung, dass er damit dem Land dienen möchte und Projekte, die für das Land wichtig sind, nicht blockieren will, ist die Zeit nicht wert, die es braucht, sie anzuhören. Um einem Projekt im Landtag zuzustimmen, das man für richtig hält, bedarf es keiner Abendessen, keiner großen Gespräche, keiner semantischen Monster wie das einer Projektregierung oder einer Projektpartei, denn eine Projektpartei gerät schnell in den Sog, eine Blockpartei zu werden.
Für die unvoreingenommene Prüfung von Vorhaben der Regierung wurden CDU und FDP gewählt, nicht um die Mehrheitsbeschaffer von Dunkelrotrotgrün abzugeben. Die Aufgabe der Opposition besteht darin, die Regierung zu kontrollieren, nicht darin, ihr Mehrheiten zu organisieren.
In einem Interview mit dem mdr widerspricht sich der CDU-Landeschef in einem fort, verwirrt die Zuhörer und wohl auch sich selbst. Das Etikett „Thüringer Modell“, das Mohring gern benutzt, verfügt über keinen Inhalt. Einerseits will man keine Gremien und Treffen zwischen Minderheitsregierung und Opposition außerhalb des Plenums, anderseits gibt Mohring zu Protokoll: „Ich fände es richtig, wenn der Ministerpräsident zu Gesprächen über wichtige Projekte einlädt, die für Thüringen wichtig sind.“ Also doch Parallel-Gremien.
Der CDU-Landeschef kann sich vorstellen, zehn Projekte vorab festzuklopfen. Ohne die Fraktion, ohne die Abgeordneten zu befragen? Wozu benötigt man die Fraktion noch, wenn der CDU-Landeschef vorab Projekte verabredet?
Lässt man alles Wortgeklingel beiseite, stellt sich die einzig zielführende Frage, um das Verwirrspiel zu ordnen: Wenn der Abgeordnete, der nur seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist, im parlamentarischen Verfahren Projekten der Regierung oder auch der Opposition zustimmt oder sie ablehnt, wenn Projekte der Regierung, die für das Land wichtig und richtig sind, im Plenum, am Ort der Diskussion und der Entscheidung also, aus diesem Grund die Zustimmung erfahren können, wozu bedarf es dann des ganzen Theaters, das manchen schon als eine Schmiere anmutet, wozu der mediale Aufwand? Worum geht es eigentlich?
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich nur festhalten, einerseits hat Dunkelrotrotgrün vier Stimmen zu wenig, um Bodo Ramelow zum Ministerpräsident zu wählen, andererseits hat Ramelow die wichtigste Entscheidung bereits in der letzten Legislaturperiode verabschieden lassen, nämlich den Haushalt. Er kann also, auch ohne gewählt zu sein, weiterregieren. Aber das stellt neben der fehlenden Regierungsmehrheit seine Achillesverse dar. Bekommt Ramelow die CDU nicht in ein Projektbündnis oder überzeugt er nicht die FDP doch noch auf die eine oder andere Art, die vier Stimmen zu liefern, um gewählt zu werden, bleibt er nur geschäftsführend im Amt.
Bekommt Ramelow die CDU nicht in ein Projektbündnis oder überzeugt er nicht die FDP, doch noch auf die eine oder andere Art, die vier Stimmen zu liefern, indem vier CDU oder FDP Abgeordnete ihn wählen oder sich der Stimme enthalten, bleibt er nur geschäftsführend im Amt. Um das klar und deutlich zu sagen: Wenn alle Abgeordneten der CDU, der FDP und der AfD bei der Wahl des Ministerpräsidenten in allen Wahlgängen mit „Nein“ stimmen, wird Bodo Ramelow nicht zum Ministerpräsidenten gewählt und verbleibt nur geschäftsführend im Amt. Diese Wahl wird dokumentieren, ob CDU und FDP Opposition sein wollen.
CDU und FDP haben also eine ausgesprochen günstige Position für eine konsequente Oppositionsarbeit, die sie durch die Wahl Bodo Ramelows zum Ministerpräsidenten verabschieden würden. Mit der Vorabfestlegung von Projekten würden sie zudem die Oppositionsrolle verweigern.
Bodo Ramelows Ziel ist klar, rational und verständlich. Er will die CDU oder die FDP oder beide erstens gewinnen, dass sie ihm die fehlenden Stimmen zur Wahl zum Ministerpräsidenten beschaffen, wie sie ihm zweitens auch weiterhin Mehrheiten liefern sollen. Mit dieser Konstellation könnte er nebenbei auch die Grünen in der Regierung in Schach halten.
Nur werden CDU und FDP, wenn sie in die Falle von Dunkelrotrotgrün laufen, die entweder mit dem Etikett „breites gesellschaftliches Bündnis“, das man auch für einen Euphemismus für Nationale Front halten kann, oder mit dem dubiosen Gütesiegel „konstruktive Opposition“ versehen wird, den Hasen in Ramelows Hase-und-Igel-Spiel abgeben.
Wer beim Fahren nur in den Rückspiegel schaut, um herauszufinden, wie dicht die AfD bereits aufgefahren ist, wird den Wagen gegen die Wand steuern, während die AfD an ihm vorüberzieht.
Die CDU hat nur eine Chance, weil sie nur eine Aufgabe hat, Opposition zu sein und Bodo Ramelows Minderheitsregierung immer wieder zu stellen.