Tichys Einblick
CDU-Parteitag

Alles Merkel, oder was?

Vor dem Parteitag zeigen sich die führenden Köpfe so uneins wie nie. Während NRW-Wüst gern auch im Bund mit den Grünen koalieren würde, flirtet Günther einmal mehr mit der Linkspartei, Prien mit dem BSW. Merz rudert vor und zurück, steht für nichts und Linnemann schließt aus, aber mit Hintertür. Deutlich wird nur: Wer CDU wählt, wird linker oder grüner bekommen.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Der Wechsel ins Showbusiness tut der CDU wirklich gut, man fühlt sich gut unterhalten, ohne das alles allzu ernst nehmen zu müssen, was da aufgeführt wird. Am Montag trifft sich die CDU erst einmal zum Parteitag, am Dienstag will sie über ihr funkelnagelneues Programm sprechen.

Generalsekretär Carsten Linnemann hat bereits im Vorfeld gekraftmeiert, dass er mit „diesen Grünen“ überhaupt nicht zusammen regieren möchte. Doch CDU-Landeschef in Schleswig-Holstein Daniel Günther kann sich kaum etwas Schöneres vorstellen, als mit den Grünen zusammen zu sein, denn die Grünen sind „auf Landes-, aber auch auf Bundesebene ein Koalitionspartner, mit dem die Union sehr gut regieren kann“. Allerdings gewinnt man den Eindruck, dass Günther auch schon länger lieber mit der SED oder der PDS oder den Linken regieren möchte, denn er findet Bodo Ramelow von den Linken so richtig knorke. Schließlich gäbe es keine „Äquidistanz zur Linkspartei und zur AfD, und Bodo Ramelow ist keine Gefahr für die Demokratie.“

Wie übrigens auch Walter Ulbricht keine Gefahr für die Demokratie war; wäre es anders gewesen, hätte Günthers Parteifreund Otto Nuschke nicht so sehr für die Blockwahl gekämpft, um als Partei Blockpartei und er selbst unter dem früheren Sozialdemokraten Otto Grotewohl stellvertretender Ministerpräsident der DDR zu werden. Bei allem Engagement Günthers für den „klugen Kollegen“ Bodo Ramelow, den er sehr „schätzt“, sollte man für Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten das „Otto-Nuschke-Ehrenzeichen“ neu stiften.

Linnemann gegen Schwarz-Grün
Krach in der CDU: Wüst will unbedingt Koalition mit den Grünen, Merz angeschlagen
Allerdings könnte er dann wirklich mal mit seiner Bildungsministerin Karin Prien aneinander geraten, denn die will ganz und gar nicht mit den Linken kooperieren, weder auf Länder- noch auf Bundesebene. Aber sie kann sich zumindest vorstellen, mit dem BSW von Sahra Wagenknecht in irgendeiner Form zusammenzukommen, aber nur auf Landesebene, denn auf Bundesebene könne sie „im Augenblick keine Zusammenarbeit“ sehen. Und auf Landesebene käme es dann schon auf das Personal an.

Aber diese kleinen Unterschiede in der Bewertung der Linken muss man natürlich nicht allzu ernst nehmen, denn die Nostalgie vereint die Bildungsministerin und den Ministerpräsidenten, wenn sie traulich vor der Wärmepumpe sitzen und von der schönen Zeit schwärmen, als Angela Merkel noch alles dafür tat, die Turbomigration in die deutschen Sozialsysteme und die Inaugurierung der Corona-Maßnahmenpolitik voranzutreiben. Und wenn man Günther vor der Wärmepumpe stöhnen hört: „Angela Merkel fehlt der Politik insgesamt“, kann man das sehr gut verstehen, denn schließlich hat sie eine demokratische Wahl rückgängig gemacht und in einem Akt, der Walter Ulbricht und Otto Nuschkes würdig war, den „klugen Kollegen“ Bodo Ramelow in die Thüringer Staatskanzlei zurückgebracht, aus dem ihn die Thüringer schon herausgewählt hatten. Irgendwie kann man sich nämlich nicht des Eindrucks erwehren, dass bei einigen Politikern der demokratischen Parteien die Vorstellung Raum greift, dass Wahlen, besonders wenn sie frei sind, Mist sind.

Parteistrategische Überlegungen
Weshalb Günther die „Öffnung“ der CDU gegenüber der Linkspartei fordert
Daniel Günther ist, das darf man nicht unterschätzen, Politikwissenschaftler und daher weiß er genau, dass Angela Merkel „als Naturwissenschaftlerin die Dinge immer sehr strukturiert angegangen“ sei, wie er auch ganz genau weiß, dass es „keinerlei wissenschaftlichen Zweifel daran“ gäbe, „dass die Klimaziele“ eingehalten werden müssen. Naturwissenschaftlich ist das zwar Quatsch, aber politikwissenschaftlich mag das wohl stimmen. Und Daniel Günther ist Politikwissenschaftler, der an Angela Merkel bewundert, dass sie wusste, „wie man Lösungsschritte plant“. Vermutlich hatte Günther sich nur versprochen und Auflösungsschritte gemeint.

Doch beide, Karin Prien und Daniel Günther, sind gegenwärtig mit Friedrich Merz sehr zufrieden, der vor kurzem erst wieder betont hat, welch tolle Wandlung Robert Habeck durchgemacht habe und wie schnell die Grünen in der Lage seien, Realitäten anzunehmen. Bei so viel Lob für eine Partei, die Friedrich Merz noch im vorigen Jahr als „Hauptgegner“ ausmachte, erstaunt es nicht, dass die CDU ihre Aufgabe als Opposition quittiert hat und Robert Habeck schont. Beim Atomausstieg hat man es mit einem der größten Skandale der Bundesrepublik zu tun. Dass die CDU aber statt Aufklärung zu fordern und durchzusetzen, sich in die Büsche schlägt, ist der vielleicht noch größere Skandal. Auch wenn sich Karin Prien, Hendrik Wüst und Daniel Günther als Merkelianer verstehen, dürfte Friedrich Merz inzwischen ihnen den Rang ablaufen und wohl der größte Merkelianer werden, den die CDU jemals hatte. Es ist also klar: Wer CDU wählt, wählt grün.

Glosse über eine ARD-Dokumentation
Friedrich Merz und ein Schwank aus der Muppet Show
Aber hatte nicht der sehr wendige Herr Linnemann gerade gesagt: „Aber diese Grünen, mit denen geht es nicht.“ Naja, wenn es „diese“ Grünen gibt, dann findet man sicher auch die „anderen“ Grünen. Und wenn sich die CDU am Kabinettstisch doch mit den Grünen wiederfindet, dann ist die FDP schuld, denn: „Liebe FDP, strengt euch an, sonst kriegen wir keine bürgerliche Mehrheit. Ich glaube, die braucht es jetzt. Und dafür braucht es auch eine starke FDP“, meint Linnemann. Und dass für die FDP der Drops gelutscht ist, wie man hemdsärmelig formulieren könnte, weiß nicht nur Christian Lindner, sondern weiß auch Carsten Linnemann. Man gewinnt den Eindruck, als haben die in der CDU ein neues Vorstandsspiel, das sie mit wachsender Begeisterung spielen. Es heißt: Führe den Wähler hinter die Fichte.

Und schließlich meint Carsten Linnemann zwar in Bezug auf Markus Söder, doch das dürfte auch für die Grünen und für seine und für Merzens Äußerungen über die Grünen gelten: „Und dass man da mal ein bisschen Spaß macht und hier und da mal zuspitzt, gehört dazu. Ich meine, wir sind ja nicht in einer Puppenstube (…).“

Doch Schwarz-Grün wird noch ein Stück Arbeit für die Grünen kosten, möglichst viel Abtauchen für die CDU und noch mehr Mühen für Thomas Haldenwang und Correctiv, die Wahlergebnisse für die AfD zu reduzieren, denn, die Union liegt in der neuesten Umfrage von INSA zwar noch bei 30 Prozent, die AfD noch bei 18 Prozent, was eine Mehrheit wäre, die SPD bei 15 Prozent, die Grünen bei 12 Prozent, BSW bei 7 Prozent und die FDP kann froh sein, wenn sie noch drin ist, bei 5 Prozent.

Doch jetzt ist erstmal Parteitag und Carsten Linnemann schon sehr, sehr motiviert, denn für Ursula von der Leyen „macht die CDU den Auftakt in die heiße Phase des Europawahlkampfes. Einen eigenen Tag haben wir dafür (…) bestimmt, den letzten Tag des Bundesparteitages. Dort wird sie eine große Rede halten (…).“ Alles Merkel, oder was?

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