Die Stunde der Wahrheit schlägt im Mai 2019 bei der „Europa“-Wahl, die nationale Wahlen in den EU-Ländern sind.
Die mit 51,75 Prozent der Stimmen äußerst knappe Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen CDU-Vorsitzenden mag bei ihren Wählern und auch medial so manchen Jubel ausgelöst haben. Dieser Jubel kann aber nicht verdecken, wie düster es in der zweiten Riege der CDU ausschaut. Die fünf bisherigen Stellvertreter Merkels wurden zwar alle wiedergewählt, diesmal als Stellvertreter Kramp-Karrenbauers. Und zwar jeweils ohne Gegenkandidaten!
Berauschend waren diese fünf Ergebnisse nicht. Volker Bouffier (90,04 Prozent) und Julia Klöckner (86,0) zogen sich noch relativ gut aus der Affäre. Armin Laschet kam mit 75,62 Prozent knapp über die Schmerzgrenze. Aber dann folgten die Abstürze: Thomas Strobl (59,34 Prozent) und Ursula von der Leyen (57,47 Prozent) erreichten – nochmal: ohne Gegenkandidaten! – gerade noch das rettende Ufer. Dabei kommen Strobl und von der Leyen doch aus dem zweit- und drittgrößten CDU-Landesverband.
Geschlossenheit schaut anders aus. Darüber kann das Parteitagsmotto „Zusammenführen. Und zusammen führen.“ nicht hinwegtäuschen. Vor allem aber ist das neue Personaltableau ein dünnes Eis, auf dem die CDU ins Jahr 2019 startet. Zum Beispiel finden dann Landtagswahlen in Bremen (26. Mai), Sachsen, Brandenburg (jeweils 1. September) und Thüringen (27. Oktober) statt. In Bremen kann die CDU ohnehin keinen Blumentopf gewinnen. Zuletzt lag sie 2015 bei den Bürgerschaftswahlen bei 22,4 Prozent.
Ja, und dann die Wahlen in drei „neuen“ Ländern, die in der vordersten CDU-Riege formell bislang durch Merkel, nun aber gar nicht mehr vertreten sind: Sachsen hat die 50-Prozent-Plus-Ergebnisse eines Kurt Biedenkopf längst hinter sich. Zuletzt erreichte die Sachsen-CDU bei den Landtagswahlen 2014 zwar noch 39,4 Prozent; bei der Bundestagswahl 2017 aber fiel sie auf 26,9 Prozent und damit ein Zehntelprozent hinter die AfD. Brandenburg war noch nie ein CDU-Pflaster; 2014 hatte die CDU 23,0 Prozent bei den Landtagswahlen. Thüringen schließlich: Dort erreichte die CDU bei der Landtagswahl 2014 zwar 33,5 Prozent. Aber gegen einen mittlerweile recht volkstümlich agierenden Ministerpräsidenten Bobo Ramelow (LINKE) mit seinem rot-rot-grünen Bündnis wird sie auch 2019 kaum ankommen.
All diese Wahlen mögen nur regionale Bedeutung haben. Miserable Ergebnisse dort wird man der neuen CDU-Bundesvorsitzenden – wie schon bei Merkel – nicht in die Schuhe schieben. Aber etwas anderes steht der CDU und ihrer neuen Vorsitzenden drohend bevor: die Wahl zum EU-Parlament am 26. Mai 2019. Diese Wahl mag bislang – siehe stets niedrige Wahlbeteiligung – im öffentlichen Bewusstsein keine große Rolle gespielt haben. Diesmal allerdings wird es anders sein. Denn alle arrivierten Parteien sind – anders als eine breite Wählerschicht – EU-Sympathisanten. Selbst die über Jahre hinweg EU-kritische CSU hat sich in die Reihe dieser Sympathisanten eingereiht, stellt sie doch mit Manfred Weber diesmal den Spitzenkandidaten der Europäischen Volksparteien und damit der CDU/CSU insgesamt.
Das heißt: Die einzige EU-kritische Partei bei der so genannten Europawahl 2019 (es ist ja eigentlich eine Wahl innerhalb der EU) wird die AfD sein. Das wird ihr – Populismusvorwürfe hin oder her – so manche zusätzliche Stimme bescheren. Wenn der Wähler dann auch noch sieht, wie man sich in Italien gegen die EU stellt, sie gleichzeitig aber ausnimmt; wenn der Wähler sieht, wie das Frankreich des Merkel-Zöglings Macron aus den Fugen gerät; wenn der Wähler wahrnimmt, wie lässig der CDU-Parteitag den umstrittenen Migrationspakt beim Parteitag am 7. Dezember um 22 Uhr mit großer Mehrheit durchgewinkt hat, dann wird sich die AfD so manche Wahlkampfaktion sparen können.
Dann könnte es ein Ergebnis geben, bei dem die AfD in den 15 deutschen Ländern außerhalb Bayerns nahe an die CDU herankommt oder sie sogar übertrifft. Und dann könnte es eng werden für Kramp-Karrenbauer und für die EU-Königin Merkel.