Die vom Verfassungsschutz beobachtete rechtsradikal-türkische Organisation „Graue Wölfe“ (türkisch: „Bozkurt“; ihre Anhänger nennen sich selbst „Ülkücü“ = „Idealistisch“) hat in Deutschland geschätzt 18.000 Mitglieder. Ihre Vision ist „Turan“, ein großtürkisches Reich, zu dem auch gehört, dass politische Gegner ausgeschaltet werden. Der NRW-Verfassungsschutz hält den „Grauen Wölfen“ unter anderem die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern sowie als integralen Bestandteil der Organisation einen programmatischen Antisemitismus vor. Frankreich hat die Grauen Wölfe sehr zum Verdruss Erdogans bereits 2020 verboten, Österreich untersagte 2019 die Verwendung von deren Zeichen und Symbolen. In Deutschland diskutiert man – mit bislang keinem konkreten Ergebnis – seit 2020 über ein Verbot der Organisation.
Von daher müsste eigentlich alles klar sein. Dennoch plagt sich die NRW-CDU seit Jahren mit der Frage ab, ob die Grauen Wölfe in der CDU-Satzung bzw. in CDU-Beschlüssen namentlich genannt werden sollen, wenn es um die Unvereinbarkeit einer gleichzeitigen Mitgliedschaft in der CDU geht. Im Jahr 2014 hatte der Landesparteitag der NRW-CDU einen Antrag abgelehnt, demzufolge namentlich die Mitgliedschaft in der „Ülkücü“-Bewegung nicht vereinbar sei mit einer Mitgliedschaft in der CDU. Man blieb vage im Allgemeinen und nahm die Formulierung auf, dass ein Mitglied der CDU keiner Organisation angehören dürfe, „deren Ziele nach dem sachlich gerechtfertigten Verständnis der Partei die gleichzeitige Verfolgung der Ziele und Grundsätze der Partei ausschließen…“ Die überregionale Presse hat darüber berichtet, so zum Beispiel die Welt am 11. Juli 2014.
Nicht nur am Rande: Dass die CDU auch bereit ist, die Unvereinbarkeit einer CDU-Mitgliedschaft mit der Mitgliedschaft in einer konkret und namentlich genannten fragwürdigen Organisation festzuhalten, hat sie auf ihrem Parteitag am 17. Dezember 1991 in Dresden bewiesen. Dort hat die CDU beschlossen: „Die Mitgliedschaft in der Scientology Church ist mit der CDU-Mitgliedschaft unvereinbar.“ Diesen Beschluss bestätigte übrigens am 2. Oktober 1995 das Landesparteigericht der NRW-CDU und am 24. September 1996 das CDU-Bundesparteigericht. Eine Klage betroffener CDU-Mitglieder vor dem Bundesverfassungsgericht wurde dort mit Beschluss vom 28. März 2002 gar nicht erst zur Entscheidung angenommen.
Die Affäre um Tansel Ciftci
Jedenfalls kamen in der NRW-CDU Personalien wie die folgende zustande: Das langjährige und seit Januar 2023 Nicht-mehr-CDU-Mitglied Tansel Ciftci, bis zuletzt auf CDU-Ticket auch kommunaler Funktionsträger, ist Vorsitzender des Moscheevereins der Yunus-Emre-Moschee Neuss. Diese Moschee ist eine DITIB-Moschee. DITIB wiederum ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB = Diyanet İşleri Türk İslam Birliği); sie untersteht der Leitung und Kontrolle des staatlich-türkischen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten (Diyanet İşleri Başkanlığı), das wiederum direkt dem türkischen Präsidenten unterstellt ist.
Im Zuge des laufenden türkischen Wahlkampfes hatte Ciftci nun zugunsten von Erdogan (in Deutschland leben 1,3 Millionen wahlberechtigte Türken) den AKP-Abgeordneten Mustafa Acikgöz für den 13. Januar 2023 zur Rede in die Moschee eingeladen. Dieser hatte dann in einer Hass- und Hetze-Rede unter anderem gegen Kurden vom Leder gezogen. Diese werde er „überall aus den Löchern, in die sich verkrochen haben, herausziehen und vernichten.“ Im Bild bzw. Video von dieser Rede wiederum wird Ciftci gezeigt, wie er dem AKP-Abgeordneten Mustafa Acikgöz zu dessen Hassrede in der Neusser Yunus-Emre Moschee applaudiert.
Ciftcis Doppelspiel als kommunalpolitisch aktives CDU-Mitglied sowie gleichzeitig als hochrangiger Funktionär einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisation ist den Neusser CDU-Oberen dann nach acht Jahren doch zu viel geworden. Anfang Februar 2023 ist er auf deren Drängen aus der CDU ausgetreten. CDU-Fraktionschef Sven Schümann meinte dazu: „Am Ende hat Herr Ciftci seinen Austritt aus der CDU erklärt. Er beendet damit auch seine bisherige Arbeit als sachkundiger Bürger im Ausschuss für Anregungen, Beschwerden und Bürgerbeteiligung.“ Naja, was lange währt…
Auch die Duisburger CDU scheint ein ungelöstes Problem mit einem CDU-Ratsherrn zu haben, der eine Nähe zu den Grauen Wölfen praktizierte. Es ist Sevket Avci, der bei der Kommunalwahl 2020 CDU-Ratsherr in Duisburg wurde. Über eine mögliche Nähe von Sevket Avci zu den Grauen Wölfen gab es bereits 2014 Vermutungen. Es waren Bilder kursiert, die Avci auf Versammlungen der Grauen Wölfe zeigen. Auf Nachfrage der WAZ beteuerte die Duisburger CDU, ihr seien keine entsprechenden Äußerungen von Sevket Avci bekannt. Als der damalige CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet darauf angesprochen wurde, behauptete er, Graue Wölfe würden aus der CDU ausgeschlossen. „Da gibt es klare Regeln“, sagte er. Naja Nummer 2!
Schielen auf Stimmen der „Wölfe“?
Ganz frei von gewissen Sympathien für die „Grauen Wölfe“ scheint die Neusser CDU auch sonst nicht immer gewesen zu sein. Ende April 2022, kurz vor der NRW-Landtagswahl, kursierten Bilder des Neusser CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Jörg Geerlings, der sich zum „Fastenbrechen“ in den Räumen der „Grauen Wölfe“ aufgehalten hatte. Der Jurist Geerlings (*1970) ist CDU-Stadtverordneter der Stadt Neuss, mit Unterbrechungen seit 2010 NRW-Landtagsabgeordneter, aktuell Justiziar des CDU-Fraktionsvorstandes sowie Mitglied im Innen- und im Rechtsauschuss des NRW-Landtages. Geerlings‘ CDU-Parteifreund Yasar Calik hatte nun am 29. April 2022 auf Facebook Bilder von dessen Besuch in den Räumen der „Grauen Wölfe“ gepostet. Im Bild zu erkennen waren drei Halbmonde und ein Wolf in einem Halbmond. Geerlings meinte dazu, er habe die Symbole in seinem Rücken nicht wahrgenommen. „Und ich hätte sie wahrscheinlich auch nicht erkannt.“ Wölfe, nicht wahrgenommen? Ansonsten beeilte sich Geerlings zu sagen: Es sei bemerkenswert, dass dieses Thema unmittelbar vor der Landtagswahl von politischen Mitbewerbern in den sozialen Medien gespielt werde. Und: „Das Thema Integration ist so wichtig, dass wir es nicht für Wahlkampfzwecke missbrauchen sollten.“ Ein drittes Mal: Naja!?
Und noch ein viertes Naja! Immer wieder fielen CDU-Mandatsträger in NRW durch Besuche bei Vertretern der „Grauen Wölfe“ auf, so etwa CDU-MdL Frank Boss 2017 in Mönchengladbach. Aber jedesmal, wenn das öffentlich wurde, hieß es, man habe nicht gewusst, bei wem man da überhaupt war. Gerade in Wahljahren schien man sich die „Wölfe“ warmhalten zu wollen. Bei der NRW- Kommunalwahl 2020 kandidierten „Wölfe“ sogar auf CDU-Listen, etwa in Duisburg.
Die Flops des Armin Laschet
Welche Rolle dabei im Hintergrund jeweils Armin Laschet spielte, ist nicht transparent. Siehe oben sein Herumeiern bei der namentlichen Benennung einer mit der CDU unvereinbaren Mitgliedschaft bei den „Grauen Wölfen“ Aber irgendeinen Grund könnte es schon gegeben haben, warum Laschet bereits als NRW-Integrationsminister (2005 bis 2010) den Spitznamen „Türken-Armin“ bekam. Von 2017 bis 2021 war Laschet dann NRW-Ministerpräsident, von 2012 bis 2021 CDU-Landesvorsitzender und in eben dieser Zeit auch Vize-Vorsitzender der Bundes-CDU, ehe er für gerade einmal zwölf Monate (Januar 2021 bis Januar 2022) CDU-Bundesvorsitzender wurde und bei der Bundestagswahl vom 26. September 2021 mit 24,1 Unionsprozenten (inkl. CSU-Anteil) als CDU-Kanzlerkandidat scheiterte.
Jedenfalls ist hinreichend belegt, dass Laschet gerne – bei Wahlen aber offenbar eher erfolglos! – nach türkischstämmigen CDU-Mitgliedern Ausschau hielt und einige von ihnen auch in führende Mandate brachte. Die von Laschet geförderte türkischstämmige Serap Güler zog zwar 2021 über einen von Laschet begünstigten guten Listenplatz in den Bundestag ein, verfehlte aber das Direktmandat in Leverkusen mit 20,4 Prozent haushoch ausgerechnet gegen Karl Lauterbach (SPD), der auf 45,6 Prozent kam. Wie sehr daneben Laschets Förderung von Personen mit türkischem Hintergrund gehen kann, hat er auch erfahren müssen, als seine vormalige Redenschreiberin (2005 bis 2007) Ferda Ataman, die Deutsche schon auch mal als „Kartoffel“ bezeichnete, von der Ampel zur Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung bestellt wurde.
Schluss mit Naivität gegenüber „Grauen Wölfen“ im Schafspelz!
Man kann nur hoffen, dass die CDU in der jetzt angebrochenen Post-Laschet-Ära jede Gemeinsamkeit mit den Grauen Wölfen endlich kappt und all ihren Mitgliedern und Funktionsträgern deutlich macht, was die Grauen Wölfe darstellen. Naivität und Schielen nach Wählerstimmen sind hier völlig fehl am Platz.
Das gilt aber auch für so manch andere Institution und politische Kraft. Nur ein Beispiel: Die Stadt Köln, namentlich Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), hatte einer hochaktiven „Grauen Wölfin“ im Sommer 2022 öffentlich den mit 1.000 Euro dotierten „Miteinander-Preis für Demokratie und Vielfalt“ für deren Einsätze zugunsten von Obdachlosen überreicht. Recht und schön – aber auch wieder ein Stück clevere Unterwanderung. Die Geadelte ist Canan Durna (49), eine Aktivistin der AKP und der Grauen Wölfe. Die Stadt Köln hatte es nicht einmal unternommen, das öffentlich zugängliche Facebook-Profil der Dame einzusehen. Sonst hätte man sofort erkennen müssen, dass Cana Durna sich gerne in rechtsextremer und antiisraelischer Pose gibt. Wölfe im Schafspelz eben.
Diese Informationen und weiterführende Analysen zum Thema „Islamismus und Gesellschaft“ finden sich auf der Website https://vunv1863.wordpress.com/,
speziell zum Thema „Graue Wölfe“ und CDU unter
https://vunv1863.wordpress.com/2023/02/16/ciftci-cdu-neuss/ (Graue-Wölfe-Funktionär tritt aus CDU aus) und https://vunv1863.wordpress.com/2023/01/02/graue-wolfe-funktionarin-in-der-cdu-und-im-zmd-vorstand/ (Graue-Wölfe-Funktionärin in der CDU und im ZMD-Vorstand)