Tichys Einblick
Mitgliederentscheid statt Funktionärsgekungel

Merkelianer unterliegen im Streit über Form der Laschet-Nachfolge

Die mögliche Rückkehr zur Kernenergie oder notwendige Änderungen der Migrationspolitik dürften zu Zerreißproben der Union werden. Für wen sich die Basis der CDU auch entscheidet, auf die oder den Neuen an der Spitze wartet eine Mammutaufgabe.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Armin Laschets Gesicht sprach ebenso wie das seines Noch-CDU Generalsekretärs Paul Ziemiak Bände, als sie vor die Presse traten. Kein Parteitag wird also über den neuen Parteivorsitzenden entscheiden, sondern die über 400.000 Mitglieder der CDU. Einflussnahmen auf Delegierte, Vorab-Kungeleien und persönliche Karrierehoffnungen der – von Parteigremien/Funktionären entsandten – Parteitagsdelegierten werden keine Rolle spielen. Also Basisdemokratie pur?

Wenn es bei den letzten Abstimmungen über die Spitze der Partei dieses Verfahren schon gegeben hätte, wäre die CDU mit Friedrich Merz in die Bundestagswahlen gegangen. Doch das war gestern, und heute ist bekanntlich der letzte Tag vor dem Morgen. Die CDU müsste sich nach 16 Jahren des „Systems Merkel“ komplett erneuern. Wie ein bleiernes Tuch hat sich die Hand der Königin im Kanzleramt über die einst recht rege Partei Adenauers und Kohls gelegt. Kritik an den Beschlüssen da oben war unerwünscht und wurde postwendend abgestraft.

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Schon vor ihrer Kanzlerschaft hatte die Frau aus dem Osten die CDU mit äußerster Härte von alten liberal-konservativen Elementen gesäubert. Roland Koch, Friedrich Merz und Günther Oettinger sind nur die bekanntesten Namen. Ohne jeden Skrupel hatte sie den schwächsten Moment während der Spendenaffäre Helmut Kohls genutzt, um den „Kanzler der Einheit“ eiskalt abzuservieren. Ein Meisterstück wie aus der Feder Machiavellis.

Derartiges Verhalten erzeugt in der Folge immer Anpassungsdruck und vorrauseilenden Gehorsam. Was gern als innerparteiliche Harmonie gepriesen wurde, war letztlich die „Stille der Friedhofsruhe“. Viele in der Union trugen im Herzen Merkels Verschiebung der Statik der Partei nach links nur mit geballten Fäusten mit. Ebenso verstand es Merkel mit einer akribisch ausgewählten Entourage, auch nach jedem immer schlechter werdenden Wahlergebnis, die Frage nach den Ursachen zu unterdrücken. Ein besonderes Machtmittel bot der Kanzlerin ihre Medien-gemachte Beliebtheit bei den Leuten in Deutschland, weit über das CDU-Klientel hinaus. Mit ihrer Unterkühltheit und der ihr eigenen Distanz verschaffte sie sich eine Form von Akzeptanz, die man sonst nur aus Monarchien kennt. So kam es, dass sich auch eigentlich linke Stimmen, nicht zuletzt von Frauen, bei der Frau aus der Uckermark wiederfanden.

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Die Unzufriedenheit der eigenen Anhängerschaft konnte man zuerst an zurückgehender Wahlbeteiligung, dann allerdings auch an der rückläufigen Zustimmung für die CDU bei Wahlen erkennen. Schließlich führte Merkels Kurs zu dem, was die Urgesteine der Konservativen, Franz Josef Strauß und Helmut Kohl, als absolutes Tabu betrachteten. Niemals dürfe es in Deutschland eine Partei rechts der CDU/CSU geben. Mit der AfD ist diese mit Angela Merkel als Hebamme zur Welt gekommen. Es müsste jetzt die erste Aufgabe einer neuen, alten CDU sein, diese Wähler von dort zurück zu gewinnen.

Die CDU hat eine harte Wegstrecke vor sich. Sie müsste sich neu erfinden und vom ersten Tag an eine schlagkräftige Opposition sein. Dazu gehören klare Positionen ebenso wie eine starke Führungspersönlichkeit. Besonders aus den öffentlich-rechtlichen Medien tönen jetzt Ratschläge vermeintlicher Freunde für die Union. So empfahl eine Phoenix-Redakteurin, die neue Nummer eins der CDU wäre gut beraten, wenn eine Generalsekretärin unterschiedlicher politischer Tendenz berufen würde. Ein wahrlich tödlicher Wunsch! Gleichgültig in welcher Partei, zwischen den Vorsitzenden und dem Generalsekretär darf kein Blatt Papier passen. Auch der so „gut gemeinte“ Hinweis, ein Team solle anstelle einer Person das Schiff der CDU steuern, ist kein Rat von Freunden. Dauernde interne Kämpfe und ein Wirrwarr von Stimmen wäre die Folge. All das kann die CDU sich in absehbarer Zeit nicht leisten. Ändert sie ihre Programmatik nicht und wird wieder eine klar erkennbare konservative politische Kraft, wird auch eine Frauenquote sie nicht vor dem Untergang bewahren.

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Erschwerend kommt hinzu, dass jederzeit mit dem Bruch der Ampel-Koalition gerechnet werden muss. Die anstehenden großen Herausforderungen erfordern Mut und Durchsetzungskraft . Die Grünen, aber auch die FDP, könnten da schnell an die Grenze ihres Selbstverständnisses stoßen. Die Union müsste darauf vorbereitet sein! Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass die Themen Energie und Umwelt, ebenso wie militärische Sicherheit und die Zukunft der Renten zu nationalen Debatten werden. Das gilt auch für notwendige Änderungen in der Migrationspolitik und für die Überprüfung aller staatlichen Förderungen für ideologische Zwecke im Bildungssektor.

Allein die wahrscheinliche Rückkehr zur Kernenergie oder der Streit über die Zukunft der Bundesrepublik in der Nato können zu Zerreißproben für unser Land werden.
Egal für wen sich die Basis der CDU auch entscheidet, auf die oder den Neuen an der Spitzen der Union wartet eine Mammutaufgabe.


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