Ja. Doch. Die CDU verfolgt die Berichterstattung von TE. Wenn wir die Luft aus der Kriegsrhetorik von Roderich Kiesewetter und Co lassen, meldet der sich und attestiert uns „diabolischen Zynismus“. Oder wenn wir am Montag schreiben, dass die CDU sich des Themas Bürgergeld annimmt, um nach rechts zu blinken, dann ruft eine Politikerin der Partei an und sagt: So gehe das nicht. Wir müssten der CDU schon die Chance lassen, konservative Positionen zu beziehen, um sich von der Ampel inhaltlich abzusetzen.
Dass die CDU unsere Berichterstattung verfolgt, heißt aber nicht, dass sie mit uns zusammenarbeitet. Anfragen zu Nancy Faesers (SPD) Angriff auf die Meinungsfreiheit ließ die Sprecherin der Partei, Isabelle Fischer, mehrfach unbeantwortet. Als wir drängelten, schob ihr Team die Anfrage an die Fraktion weiter. Wobei es nicht wichtig ist, wie gut die CDU mit TE zusammenarbeitet. Wir können über die CDU auch ganz gut berichten, wenn die kein einziges Wort mit uns wechselt.
Die christdemokratische Strategie unter Angela Merkel war und die christdemokratische Strategie unter Friedrich Merz bleibt: grün-woke Politik machen, um aus dem Stimmenpool der Ampel ein wenig abzusaugen. Zusammen mit den konservativen Stammwählern ergibt das dann eine Mehrheit. Wenn diese Stammwähler tatsächlich konservative Alternativen entdecken, heißt es: AfD? Rechtsextrem. Das erledigt der „Verfassungsschutz“. Freie Wähler? Schultasche. Das erledigt die Süddeutsche Zeitung. Werteunion? Rechtsextrem. Das erledigt der „Verfassungsschutz“. Solange alle konservativen Parteien verteufelt werden, müssen Konservative halt CDU wählen. Wenn die dann konservativen Wählern woke-grüne Inhalte liefert, ist das längst wieder die Phase, in der die Partei mit ihren Wählern ohnehin nichts zu tun haben will.
Blöd nur für die CDU: An der Partei ist so manches minderschlau. Etwa das Kommunikationsteam von Armin Laschet, zu dem Isabelle Fischer gehörte – und das nicht nur den Wahlkampf legendär verbockte, sondern sich obendrein öffentlich noch als Polizisten und Altenpfleger ausgab. Oder halt die Parteistrategen, die ihr Wahlvolk für doof verkaufen wollen. Nur ist dieses Volk halt nicht doof. Immer mehr durchschauen den Trick und springen ab. Deswegen kommt die größte Oppositionspartei trotz einer dramatisch schlecht arbeitenden Bundesregierung in den Umfragen kaum über 30 Prozent hinaus.
Im gesamten Bundesgebiet ist die CDU die größte Oppositionspartei. Doch im Osten läuft ihr die AfD den Rang ab, liegt in den Umfragen klar vorne. Dort leben schlicht weniger Leute, die schon immer CDU gewählt haben und sich gar nichts anderes mehr vorstellen können. Dort leben auch welche, die schon einmal einen Staat gespürt haben, der sich in ihrem Privatleben um sie sorgt. Sie wissen, wie gut sich das anhört – und wie schlimm sich das im tatsächlichen Leben auswirkt. Deswegen wollen sie keine Ampel. Und sie wollen auch keine rechte Partei, die sich von der Ampel an der Hand führen lässt, um gemeinsam „gegen Rechts“ zu demonstrieren.
Würde die jüngste Insa-Umfrage zu Sachsen zum tatsächlichen Wahlergebnis, dann müsste die CDU mit Sahra Wagenknecht zusammenarbeiten. Oder – was wahrscheinlicher wäre – die CDU müsste eine Koalition mit SPD, Grünen und Linke schließen. Die Partei von Konrad Adenauer in einer Regierung mit der Partei von Walter Ulbricht. Es wächst zusammen, was nicht zusammengehört.
Um die „Brandmauer“ zur AfD zu erhalten, müsste die CDU dann mit einer Partei koalieren, aus deren Reihen jene kommen, die Demonstrationen organisieren, auf denen die Auslöschung Israels gefordert wird. Aus deren Reihen jene kommen, die Sympathien für die Mörder der RAF bekunden. Eine Partei, die ihr gesamtes Programm selbst schon in zwei Slogans zusammengefasst hat: „Reichtum für alle“ und „Reichtum abschaffen“. In einem linken Land sind alle gleich – gleich schlecht dran. Geht die CDU ein Bündnis mit den Linken ein, können konservative Wähler sie nur noch wählen, weil sie es immer schon getan haben und sich nichts mehr anderes vorstellen können.
In Thüringen toleriert die CDU die Nachfolgepartei der SED bereits. Bodo Ramelow (Linke) bildet mit Unterstützung der CDU eine Minderheitsregierung. Eigentlich sollte das nur wenige Monate dauern und es dann Neuwahlen geben. Aber sich nicht um das Geschwätz von gestern zu kümmern, war schon immer der Kitt, der die CDU mit der Linken verbunden hat.
Thüringen zeigt, dass die CDU in den vergangenen zwei Jahren nichts gelernt hat. Dass Merz heute noch genau so agiert wie Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer und Laschet vor ihm. Das ganze Jahr 2019 über zeichnete sich in Thüringen eine Sperrmajorität für Linke und AfD ab. Und doch war die CDU bis zum 5. Februar 2020 nicht auf die Situation vorbereitet, dass sie entweder mit Linke oder AfD zusammenarbeiten muss oder dass es keine Mehrheit in Thüringen gibt. Das Desaster um die Wahl Thomas Kemmerichs (FDP) ist bekannt. Auch dass Merkel verfassungswidrig für eine Neuwahl im Thüringer Landtag sorgte.
Kramp-Karrenbauer musste zurücktreten, weil sie nicht auf eine Situation vorbereitet war, die sich über ein Jahr lang abgezeichnet hat. Friedrich Merz und sein Team sind nach sechs Jahren immer noch nicht auf die Situation vorbereitet. Merz geht mit der Situation so um, wie er es mit seinem Kampf gegen Merkel getan hat: hinsetzen, warten und hoffen, dass es irgendwann von alleine vorübergeht.
Blöd halt für Merz, dass Thüringen und Sachsen in der Zwischenzeit regiert sein wollen. Wird das Ergebnis so, wie die Umfragen sind, wird sich die CDU entscheiden müssen. Stand jetzt heißt das: Die CDU wird mit den Linken koalieren oder sie entscheidet sich für die Krücke der Minderheitsregierung, die der Partei Helmut Kohls ein wenig Ansehensverlust erspart. Vor fünf Jahren soll Ramelow der CDU vorgeschlagen haben, während der entscheidenden Abstimmung auf die Toilette zu gehen. Drückt sich die CDU weiter um eine Entscheidung, stehen ihr viele Jahre auf dem Klo bevor. Die Pointe, wozu die Partei dann noch gut ist, ist derbe, muss aber nicht niedergeschrieben werden – sie erschließt sich aus dem Kontext.