Da das Image der CDU als Wirtschaftspartei schon so sehr in Vergessenheit geraten ist, dass selbst die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft von einer im Völkerrecht ausgesprochen erfahrenen Spitzenpolitikern der Grünen im Bundestag der SPD zugeschrieben wurde, dachte man sich möglicherweise in der CDU, dass es gut wäre, wenn das Jahr 2023 mit einem wirtschaftspolitischen Paukenschlag für die CDU beginnen würde. Deshalb diskutierte auf seiner Klausurtagung der Bundesvorstand der CDU vom 13. bis 14. Januar eine „Weimarer Erklärung zur Wirtschaftspolitik, Energiepolitik und Klimapolitik“.
Der CDU-Vorstand hatte auch Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, zum Vortrag eingeladen, was vielleicht keine so ganz gute Idee war, denn sie kam zu der seltsamen, jedenfalls undemokratischen Auffassung: Politik muss Vereinbarungen und Ziele umsetzen, nicht daran herumkritisieren. Zumindest zeigt eine Geschichte der Wissenschaft auch, wie oft sich „Wissenschaft“ geirrt hat und welcher Unterschied zwischen Wissenschaft als Wissenschaft und Wissenschaft als Religion besteht.
Würde man eine Umfrage starten und fragen, von welcher Partei folgender Satz stammt: „Wir wollen Klimaschutz ‚Made in Germany‘ zum Exportschlager machen“, würden die meisten auf die Grünen tippen – und genau darin besteht das Problem des Papiers, dass es im Großen und Ganzen auch so vom Vorstand der Grünen hätte beschlossen werden können.
Damit die Kopie nicht ganz so auffällt, hat man ein paar Floskeln von Freiheit und Wettbewerb eingefügt und sich gegen eine Planwirtschaft ausgesprochen, doch auch die Grünen wollen ja keine Planwirtschaft. Die Grünen wollen der Wirtschaft ja nur die Richtung weisen, in die sie dann freiwillig geht. Denkt man nur an Merkels famose Energiewende oder an das Erneuere-Energien-Gesetz (EEG), hat sich die CDU in der Regierung doch sehr für den „freien“ Wettbewerb eingesetzt.
Apropos „wettbewerbsfähige Steuern und Abgaben“: Wem oblag denn die Steuerpolitik noch bis vor einem Jahr? Apropos bezahlbare Energie: Wer hat denn die CO2-Steuer eingeführt?
Übrigens, weil wir „mehr Markt benötigen“, setzt die CDU immer mehr staatliche Elemente und Phantasieprodukte ein, wie den Emissionshandel? Weil die Bürokratiefessel gelöst werden soll, „brauchen“ wir „Sonderregelungen für Krisenfälle“? Im Entwurf stand statt Sonderregeln noch Sondergesetze für Krisenfälle. Möglich, dass das Wort Sondergesetz zu sehr an das unter einer CDU-Kanzlerin beschlossene Infektionsschutzgesetz, das „als Sondergesetz für den Krisenfall“ propagiert wurde, erinnerte?
Richtig grün wird die CDU in der Frage der Technologie, denn wir „haben damit alle Potenziale, um ein echtes ‚Wasserstoffland‘ zu werden.“ Die CDU teilt Habecks „Wasserstoff-Utopie“, auch wie es scheint, den Namibia-Plan. Wenn die CDU gleich darauf dann den banalen Satz markig tremoliert: „Nicht Ideologen werden unser Klima retten, sondern Ingenieure“, wird ihr auch hierin Robert Habeck nicht widersprechen, denn auch er meint, dass die freie Marktwirtschaft wichtig sei, aber nur, wenn der Staat dafür sorgt, dass „die großen Kräfte der Märkte, der Marktwirtschaft in die richtige Richtung laufen – und dann brauchen wir alle die Freiheit der Märkte, die Kreativität der Unternehmerinnen und Unternehmer“.
Und wie einst die SED allen Bürgern versprochen hat: „so wie wir heute arbeiten, so werden wir morgen leben“, so überrascht uns die CDU mit der messerscharfen Feststellung: „Was wir heute nicht erforschen, kann uns morgen nicht helfen, unsere Probleme zu lösen.“
Im Entwurf auf Seite 5 hieß es noch: „Wir brauchen gerade in der jetzigen Situation eine Politik, die alle verfügbaren Energiequellen ans Netz bringt. Dazu gehört auch die Nutzung der noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke bis mindestens Ende 2024 und eine vorurteilsfreie Prüfung des Baus neuer Kernkraftwerke der modernsten Generation.“ Der Satz ragte wirklich aus dem Entwurf der Wirtschaftsstrategie hervor.
Doch nicht lange, denn die Strategen der CDU haben noch rechtzeitig den Dissens mit den Grünen erkannt und den letzten Satzteil gestrichen. Jetzt steht nur noch in der Weimarer Erklärung: „Dazu gehört auch die Nutzung der noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke bis mindestens Ende 2024.“ Und nicht nur das. Zum Abschluss der Klausurtagung formulierte Friedrich Merz klar und deutlich: „Wir sprechen uns ausdrücklich nicht für den Neubau von Kernkraftwerken aus.“