Die CDU zeigt wieder, wie es nicht geht. Mit einer typischen Merz-Volte korrigiert sie ihren eigenen Kurs. Weil linke Medien oder ein SPD-Chef Lars Klingbeil einen Satz im CDU-Grundsatzprogramm kritisierten, rudert die Partei zurück. Stein des Anstoßes war eine Äußerung zur Inklusion muslimischer Mitbürger. Er hieß: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“
Das ist im Prinzip ein guter Satz. Denn er bestimmt positiv, wer inkludiert wird. Statt eines negativen Statements – etwa: Der Islam gehört nicht zu Deutschland – drücken die Christdemokraten damit in erster Linie ein Bekenntnis zu etwas aus. Es verhält sich wie bei positiver und negativer Freiheit. Für Menschen ist es anziehender zu hören, wozu sie Freiheit haben, als zuerst die Eingrenzung zu hören, wann sie nicht gegeben ist.
Doch bereits kurz nach Vorstellung des Programms hieß es, der Satz würde Teile der Gesellschaft ausschließen. Zwangsläufig müsste dann aber die Frage lauten: Gehören zu Deutschland also auch kriminelle und nicht auf dem Boden der Verfassung stehende Muslime, vulgo: Islamisten? Die aufgepeitschte Stimmung klammerte diese Schlussfolgerung aus. Stattdessen ging es dann nur noch um Islamophobie und AfD-Nähe. Dabei dürften auch viele Muslime, die den Islamismus als schädlich empfinden, ähnlich denken.
Die CDU ließ sich einschüchtern. Nun steht an derselben Stelle: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“ Das ist ein negatives Bekenntnis. Und er schließt die Formel ein, dass der Islam prinzipiell schon zu Deutschland gehöre – eben unter gewissen Auflagen. Damit ist die Union den Linken auf den Leim gegangen. Denn einzelne Individuen – eben Muslime – können durch ihre persönlichen Ansichten auch, wenn sie einem konservativen Islam angehören, auf dem Boden der Verfassung stehen und Deutschland als Heimat empfinden.
Beim „Islam“ sieht das anders aus. „Der“ Islam (das gilt für alle Spielarten) gehört weder historisch zu Deutschland, noch ist sein Gesellschaftsbild mit vielen der historisch in Deutschland gewachsenen Satzungen vereinbar. Dann wäre der Satz allerdings sinnlos. Denn „einen Islam“, wie die Union postuliert, mag es angesichts der vielen verschiedenen Rechtsschulen tatsächlich nicht geben; dass aber irgendeine Form davon mit der westlichen Demokratie vereinbar wäre, muss sich erst noch zeigen. In keinem muslimischen Land, in der man wenigstens ansatzweise versucht hat, Rechtsstaat und Demokratie zu verbinden, ist dieser Spagat gelungen. Selbst die Türkei, die einst als Musterbeispiel der Säkularisierung galt, kann heute kaum noch dazu dienen, um das Gegenteil zu beweisen.
Zusammengefasst: Dadurch, dass die Union nicht mehr das Individuum, sondern eine Ideologie in den Vordergrund rückt, verwässert sie nicht nur die eigene Position; sie baut damit einen Widerspruch in ihr Programm ein, da es den postulierten Islam gar nicht gibt. Dass es in Deutschland viele praktizierende Muslime gibt, die sich integriert haben, liegt nicht an einer besonderen Form des „Deutsch-Islams“, sondern an Individuen, die sich persönlich dazu entschieden haben, so zu leben. Demnach war die erste Version nicht nur in der Formulierung richtig. Sie hätte auch die Leistung dieser Individuen gewürdigt.
Die Angst vor einer vermeintlichen AfD-Nähe und Exklusionsvorwürfe haben die Merz-Partei wieder zögern und einknicken lassen. Wie in den Merkel-Jahren versucht sie, sich anzubiedern. Doch weder der SPD-Chef noch die grünen Pressevertreter werden ihr Kreuz bei der Union machen. Der eigentliche Adressat wird übersehen. Mit ihrer Pirouette vergraulen sie nicht nur konservative Wähler. Sondern auch Muslime, die ihre persönliche Vita als wichtiger empfinden als eine Spielart des Islams, die gar nicht existiert.