Tichys Einblick
Die Kanzlerin rupft die CDU

CDU-Führung opfert Rest – Markenkern

Die Kanzlerin war bereit, der SPD drei Schlüsselressorts zu überlassen, als diese mit einem Abbruch der Verhandlungen drohte, sollte sie nicht für die Themen Finanzen, Arbeit und Soziales sowie Außenpolitik die Federführung erhalten.

© Sean Gallup/Getty Images

Dank eines Interviews, das Horst Seehofer der Abendschau des Bayerischen Rundfunks gegeben hat, wissen wir inzwischen etwas genauer, wie es zur Fortführung der bisherigen christ-sozialdemokratischen Verlierer-Koalition mit veränderten Ressort-Zuständigkeiten gekommen ist. Entscheidend war, dass sich die Kanzlerin bereit fand, der SPD drei Schlüsselressorts zu überlassen, nachdem diese mit einem Abbruch der Verhandlungen gedroht hat, sollte sie nicht für die Themen Finanzen, Arbeit und Soziales sowie Außenpolitik die Federführung erhalten. Die CSU erhob auf die entsprechenden Ressorts zwar auch Anspruch, verband dies aber nicht mit der Drohung des Scheiterns der Verhandlungen. Von irgendwelchen Forderungen seitens der CDU, eines oder mehrere der drei Schlüsselressorts zu besetzen, ist in dem Interview keine Rede.

SPD ade
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Seehofers Argument, man habe die Verhandlungen nicht an der Frage der Ressortverteilung scheitern lassen wollen, trifft somit offenkundig nur für die christdemokratischen Verhandler zu; die sozialdemokratischen Verhandler waren dagegen bereit, die Verhandlungen zu beenden, sollten ihre Forderungen auf Führungsverantwortung in drei von vier zentralen Politikfeldern nicht erfüllt werden. Mit dieser Forderung ist keineswegs in erster Linie der Wunsch nach Posten für SPD-Aspiranten, sondern der Anspruch verbunden, in der Finanzpolitik, der Arbeits- und Sozialpolitik sowie der Außenpolitik für die kommenden Jahre die Richtung zu bestimmen. Andernfalls hätten die Verhandler der SPD nicht das Scheitern der Verhandlungen in Kauf genommen. Sie erwiesen sich von daher als die eindeutig stärkeren, weil entschiedeneren Verhandlungspartner, während sich CDU und CSU mit ihrem bedingungslosen Wunsch zu regieren der SPD gegenüber erpressbar machten.

Trotz der weitreichenden Sozialdemokratisierung der Merkelschen Regierungspolitik seit dem Jahr 2005 verteidigte die CDU bislang noch eine Art christdemokratischen Rest-Markenkern insbesondere in dem Bereich Finanzpolitik, teilweise auch in den Bereichen Arbeits -und Sozialpolitik sowie in dem Bereich Außen- und dort vor allem in der Europapolitik. Diese Politikfelder hat sie nun federführend den Sozialdemokraten übergeben, die sie im Interesse des eigenen Überlebens auch jenseits eventueller Einschränkungen im Koalitionsvertrag nach ihrem Gusto gestalten werden. Die CDU-Führung ist somit offenkundig dazu entschlossen, die verbliebenen Reste christdemokratischer Politik auf dem Altar der Kanzlerschaft der SPD zu opfern. Die ohnehin schon beachtliche liberale bzw. national-konservative „Repräsentationslücke“ wird dadurch noch größer und der FDP wie der AfD weiter Auftrieb geben, sofern diese beiden Parteien es verstehen, die geschaffenen Lücken zu füllen.

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Die Kanzlerin und ihre Verhandler wurden jedoch nicht nur von den Verhandlern der SPD, sondern auch von denen der CSU in erheblichem Maße gerupft. Mit der Übernahme des Innenministeriums ist es Seehofer gelungen, die Federführung für eine endgültige Abkehr von Merkels Flüchtlings- und Migrationspolitik zu übernehmen. Das bringt er in dem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auch ebenso unumwunden wie stolz zum Ausdruck. Ein Kontrollverlust an den Grenzen werde mit ihm „nicht mehr stattfinden, so wie es 2015 war.“ Er hätte als verantwortlicher Innenminister, so seine Aussage, schon damals die Grenzen geschlossen und nicht mehr als eine Million Flüchtlinge unkontrolliert ins Land gelassen. In Zukunft werde an den deutschen Grenzen entschieden, „wer kann das Land betreten, wer hat einen Schutzbedarf.“ Eine schallende Ohrfeige nicht nur für die Kanzlerin der „Willkommenskultur“, sondern auch für deren Innenminister, der nun auch den Hut nehmen musste.

Unabhängig davon, ob Seehofer als Innenminister im Jahr 2015 tatsächlich so gehandelt hätte, wie er es jetzt verkündet, ist nicht zu leugnen, dass sich die CSU-Führung in Fragen der Flüchtlings- und Migrationspolitik gegen den anhalten Widerstand Merkels und ihres Flüchtlingskoordinators Altmaier inzwischen weitgehend durchgesetzt hat. Die bisherige Politik der grenzenlosen Zuwanderung mit Hilfe des Asylrechts ist damit zwar noch nicht beendet, aber doch einigermaßen in die Schranken verwiesen. Ob dies die anstehenden weiteren Wähler-Verluste Richtung AfD verhindern bzw. kompensieren kann, wird man sehen. Bei der Politik der grenzenlosen Zuwanderung handelt es sich zwar nicht um einen Bestandteil des christdemokratischen Rest-Markenkerns der CDU, dafür aber um einen wesentlichen Bestandteil des links-grünen „Markenkerns“ von Angela Merkel. Da die CDU ihre Politik inzwischen alleine auf den Erhalt ihrer Kanzlerschaft ausrichtet, steht spätestens seit dem letzten Mittwoch nicht nur die vermeintlich mächtigste Frau der Welt, sondern auch ihre Partei zwar mit einem Kanzleramt, ansonsten aber mit weitgehend leeren Händen da. Die Behauptung der CDU-Führung, sie hätte allein im Interesse des Landes und seiner Bürger verhandelt, erweist sich so als pure Farce.

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