Das Erbe Angela Merkels als Bundeskanzlerin besteht in einem heruntergewirtschafteten und tief gespaltenen Land. Einem Land, in dem das Grundgesetz aufgeweicht wird, Meinungsfreiheit und Bürgerrechte zunehmend zum Beobachtungsfall für einen Verfassungsschutz werden, der seit Merkels und Faesers willigem Helfer Haldenwang zur politischen Polizei umgebaut wird.
Als Vorsitzende hinterließ Merkel eine Partei, die nur einen Kompass kennt: Opportunismus. Man gibt sich bürgerlich und ist letztlich grün. Posten statt Positionen.
Die Brandmauer gegen die SED, die sich inzwischen Linkspartei nennt, die eigentlich nie ernsthaft bestanden hat, wie der Vorsitzende der Brandenburger CDU, Redmann, unlängst zugegeben hat, fällt inzwischen vollkommen in sich zusammen.
Zerfall und Niedergang der Partei von Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Helmut Kohl werden am Handeln ihrer Protagonisten Merz, Frei und Linnemann deutlich, die, wenn sie den Raum verlassen, nur eine erschöpfte Traurigkeit zurücklassen. Man möchte fast spotten: eine Augsburger Puppenkiste für Frühvergreiste. Es bleibt nur ein Eindruck teurer Anzüge zurück. Zu teuer, zu glatt, zu gepflegt. Dass die Basis zerbröselt, dass die AfD nicht halbiert, sondern verdoppelt wurde, ist das Ergebnis einer Politik, deren wirklich einzig konsequent verfolgtes Ziel in der Halbierung der AfD besteht. Das einzige Ziel übrigens, das für die CDU nicht verhandlungsfähig ist, das einzige Ziel, das die CDU inzwischen nicht aufgegeben hat. Sie ist nur noch die Anti-AfD-Partei, mehr ist da nicht.
Wie ich bereits vermutet hatte, fliehen die Funktionäre der CDU in die Illusion, dass unabhängig vom Koalitionsvertrag Merzens gewaltige Richtlinienkompetenz zum Politikwechsel führen wird. Angesichts des erneuten Aufwinds für die AfD in den Umfragen gelingt dem CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries sogar noch die richtige Einschätzung: „Die Bürger haben mit großer Mehrheit den Politikwechsel gewählt und kein ‚Weiter so’“. Strapaziert dann aber die Geduld des genervten Publikums eindeutig über, wenn er tönt: „Eine echte Asylwende, eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die auf Leistung und Wachstum setzt und eine umfassende Staatsmodernisierung müssen jetzt kommen.“
Das kann jeder sagen, jeder schreiben, dessen Aufgaben in der Analyse und im Kommentar bestehen, nicht aber jemand, der die aktuelle Politik mitverantwortet. Von einem Politiker der Union will ich nicht hören, dass der Politikwechsel jetzt kommen muss, müssen muss vieles, sondern allein, dass er jetzt auch kommt. Das Einzige, was de Vries mit Blick auf den Wahlkampf äußern darf, lautet: Wir halten unsere Wahlversprechen. Und schon mal zum Üben: Eine echte Asylwende, eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die auf Leistung und Wachstum setzt und eine umfassende Staatsmodernisierung kommen jetzt.
Christoph de Vries zeigt sich zuversichtlich, dass die Menschen in vier Jahren „spürbar zufriedener“ sein werden – klar Cannabis ist ja jetzt auch legalisiert. Und dann leistet sich de Vries eine Wählerbeschimpfung und ein Abwatschen mündiger Bürger, wenn er auf die undankbaren und unverständigen Wähler herabschaut: „Der Frust nach dreieinhalb Jahren Ampel-Chaos ist riesig und die Erwartungshaltung an die Union verständlicherweise hoch.“ Wie ungerecht, dass die Wähler Erwartungen an die Partei hegen, die sie gewählt haben. Wo kommen wir denn dahin, wenn wir auch kriegen wollen, was wir bestellten? Ist es wirklich zu viel verlangt, dass die Union ihre Wahlversprechen im Kern hält? Doch wir alle haben wieder nicht das geringste verstanden, denn Christoph de Vries findet es sogar „völlig verfrüht“, ein Urteil zu fällen, bevor der Koalitionsvertrag steht. Haben wir uns nicht gerade durch 162 Seiten gequält, die dokumentieren, dass in vielem Falschen schon Einigkeit besteht?
Mit der Ampel taumelte Deutschland chaotisch in den Niedergang, mit der Union zerfällt Deutschland geordnet, denn mit der Ampel stehen wir heute am Abgrund, mit der Union werden wir morgen einen Schritt weiter sein. Auch Carsten Linnemann, das Wunder eines Generalsekretärs, der oft das Richtige sagt und immer öfter das Falsche tut, empfindet die Umfragewerte als „bitter“. In seiner Wendigkeit hat er Christoph de Vries weit hinter sich gelassen: Die Umfrageergebnisse zeigen, „dass es jetzt nicht nur auf einen guten Koalitionsvertrag ankommt, sondern vor allem auf die Taten der neuen Regierung. Es darf kein ‚Weiter-so‘ geben.“ Von einem guten Koalitionsvertrag ist man zwar noch Lichtjahre entfernt, aber zur Not tut es auch ein schlechter. Man könnte Linnemann auch so verstehen: Was regt ihr euch über den Koalitionsvertrag auf, der wird noch das beste an unserer Regierung sein.
Das beste des Tages kommt allerdings von Thorsten Frei, der so etwas Nebensächliches wie die Wirklichkeit gar nicht mehr zur Kenntnis nimmt, für den längst gilt: Ich kenne keine Wahlversprechen mehr, ich kenne nur noch Ministerämter, wenn er fast in Kaiserpose seine lieben Deutschen wissen lässt: „Sobald die Regierung steht, stellen wir die Weichen in der Wirtschafts-, Migrations- und Verteidigungspolitik um. Der Neustart wird in jedem Dorf und in jeder Stadt zu spüren sein.“
Na bitte, Friedrich Merz führt uns in jedem Dorf und in jeder Stadt herrlichen Zeiten entgegen. Auf eine stabile Mehrheit von Union, SPD, Grüne und SED kann Thorsten Frei dabei setzen.
Man fühlt sich so ungewöhnlich frei, wenn man die Wirklichkeit hinter sich gelassen hat.