Nein, wir wollen bei der Betrachtung des Verhältnisses der „Schwestern“ CDU/CSU keine Parallelen herstellen zum Grimm’schen Märchen von Aschenputtel (modernisiert als Cinderella), die von Stiefmutter und Stiefschwestern gepisackt wird und am Ende ihren neidzerfressenen Stiefschwestern doch den Prinzen wegschnappt. Allein schon die Frage, wer in der Beziehungskiste CDU/CSU die Stiefmutter ist, wäre zu anspruchslos.
Das ist starker Tobak, den der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Bouffier hier von sich gab. Wäre er CSU-Mitglied, müsste er wegen parteischädigenden Verhaltens vor ein Parteischiedsgericht gestellt werden. Hat er etwa im Auftrag von Merkel gesprochen? Oder hat er für die Hessenwahl am 28. Oktober jetzt schon die Hosen voll und konstruiert sich mal prophylaktisch Schuldige? Grund dafür hätte er, denn es droht der hessischen CDU ein Absturz von den 38,3 Prozent des Jahres 2013 auf demnächst etwa 30 Prozent. Das würde nicht zur Fortsetzung einer Koalition mit den Grünen reichen.
Auch Muttis norddeutscher Prinz Daniel Günther (CDU) heult im Chor gegen die CSU mit. Er, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident, fordert nach der bayerischen Landtagswahl „drastische Veränderungen im Verhalten der Christsozialen“ und empfiehlt der Schwesterpartei personelle Konsequenzen.
Daniel Günther, das ist übrigens derjenige, der sich – ehe er wieder zurückruderte – Mitte August 2018 für Koalitionen der CDU mit der Links-Partei ausgesprochen hatte. Daniel Günther ist auch derjenige, der es mit dem neuen „grünen“ Vorsitzenden Robert Habeck sehr gut kann. Mit „großem Bedauern“ hatte er dessen Ausscheiden aus der Kieler Landesregierung und dessen Wechsel an die Spitze der Grünen entgegengenommen. Habeck allerdings tickt wie folgt: In einem im April 2018 auf dem „Informr“-Debattenkanal veröffentlichten Interview sollte Habeck seiner Assoziation zum Begriff „Volksverräter“ freien Lauf lassen. Das tat er dann so: „Ist ein Nazibegriff. Es gibt kein Volk, und es gibt deswegen auch keinen Verrat am Volk. Sondern das ist ein böser Satz, um Menschen auszugrenzen und zu stigmatisieren.“ Oder kürzlich hatte er getwittert: „Sonntag wählt #Bayern. Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern. Eine Alleinherrschaft wird beendet. Demokratie atmet wieder auf.“ Welch arrogant monopolistischer Anspruch, Demokratie zu definieren und Millionen bayerischer Wähler zu diskreditieren, die über Jahrzehnte hinweg CSU gewählt hatten! Zurück aber Habecks Prinzenfreund Daniel: Sage mir, welche Freunde du hast, und sich sage dir, wie du tickst.
Alles in allem: Eine CDU, die solche Strategen hat, muss sich nicht wundern, wenn sie mehr und mehr – weit von 37,2 CSU-Prozenten entfernt – zur marginalen Größe wird. Wie schnell man dann weg ist vom Fenster, hat die vormalige italienische CDU-Schwesterpartei Democrazia Cristiana (DC) belegt, als sie sich zwischen 1990 und 1994 atomisierte und von der Bildfläche verschwand. Die Europawahl im Mai 2019 könnte der Anfang dieser Atomisierung sein. Denn als einzige EU-kritische Partei wird die AfD dann gefährlich an die CDU heranrücken.