Die Umfrage ist eindeutig – in beiderlei Hinsicht, auch wenn sie mit Vorsicht zu sehen ist, denn sie kommt von Forsa. Mehr als die Hälfte der Mitglieder der CDU schließen eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD aus. Aber 45 Prozent der Befragten eben nicht.
Schaut man sich die Umfragen näher an, dann verläuft der Riss zwischen einer Pensionärspartei im Westen – die sich aus der Realität verabschiedet hat und die ihre tägliche Parteischulung durch ARD und ZDF erhält, die auch glauben würde, dass auf dem Mond Spargel wächst, wenn es ARD und ZDF sendeten – und einer Partei im Osten, deren Mitglieder nicht vor der Realität die Augen verschließen. 68 Prozent der ostdeutschen Mitglieder können sich eine Form der Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen, 57 Prozent der Mitglieder im Westen nicht.
Anders im Osten: Indoktrination durch Medien lehnt man hier ab, man lässt sich keine Scheinrealität vorgaukeln, man hat schon einmal einen Staat, der für die Ewigkeit errichtet worden war, zusammenbrechen sehen. Für viele wurde die Lebensgrundlage in Frage gestellt, sie konnten auch nicht auf Vermögen zurückgreifen, die über Jahrzehnte gewachsen sind. Es ist kein Geheimnis, aber selbst akademisches Mittel- und Untermaß aus dem Westen bekam die Professuren, während die Ostdeutschen gehen mussten. Die gutdotierten Stellen nahmen Leute ein, die aus dem Westen nach Ostdeutschland gingen, und sich zudem für Ostdeutsche unerschwinglich, für Westdeutsche nicht zu damals kommoden Preisen Immobilien erwerben konnten, die heute einen Millionenwert besitzen.
Vermögen kommt zu Vermögen. Die Wiedervereinigung war für Westdeutschland letztlich ein gutes Geschäft. Das alles wäre im Grunde vergessen, denn den Ostdeutschen ist es gelungen, sich einen gewissen Wohlstand zu erarbeiten, den sie nicht gefährdet sehen wollen, wenn nicht eine westdeutsch-grüne Politik diesen Wohlstand zerstören würde. Die Ostdeutschen wissen, wohin diese ideologiegetriebene Politik hinführt, viele Westdeutsche wollen es nicht wissen oder glauben der Ideologie. Viele Ostdeutsche nehmen den täglich stärker werdenden Abbau der Demokratie wahr, viele Westdeutsche nicht. Für sie dürfte es auch Postdemokratie sein, eben auch ein bisschen Diktatur, wenn ihr privater Ordnungsrahmen nicht angetastet wird und sie sich obendrein noch als gute Menschen fühlen dürfen. Ein bisschen Ablass muss sein.
Mit Blick auf die Situation in Deutschland formuliert sich die historische Aufgabe der CDU ziemlich einfach. Durch die Linksliberalisierung der westlichen Gesellschaften seit 1968 und dem wenig überraschenden Sturz dieser Linksliberalisierung in eine sich totalisierende Postmoderne, hat sich eine Classe Politique gebildet, die in allen Farben grün, das heißt postmodern ist. Von Anfang an war übrigens das 68er Projekt im Kern totalitär. Das postmoderne Politikmodell ist eben postdemokratisch, es lebt von der Selbstermächtigung einer Politiker-Schicht, die in ihrer eigenen Realität lebt, die nichts mehr mit der wirklichen Wirklichkeit, sogar nichts mit der virtuellen Wirklichkeit zu tun hat, sondern nur noch mit der medial abgesicherten Welt eines abgehobenen Milieus, das durch Parteiapparate sozialisiert worden ist und nach der Logik der Apparate handelt.
Man kann in Deutschland in den Brandmauerparteien nicht erfolgreich sein, wenn man nicht nach den Spielregen der Apparate spielt, wenn man nicht selbst Apparatschik ist. Der Politiker wurde in den meisten Fällen durch den Apparatschik ersetzt. Die Befestigung der Parteiapparate in Deutschland wird traditionell durch die allzu feste Organisation der Parteien gefördert, die keinerlei Kreativität mehr zulassen. Denn das Kreative ist zugleich das Unplanbare, was Parteibonzen jeglicher Couleur ein Gräuel ist, und vor allem wird die Herrschaft der Apparate gegen jede Veränderung durch das Verhältniswahlrecht immunisiert, denn die Parteienstimme ist die Apparatestimme.
Würde man wirklich die Demokratie in Deutschland verteidigen, sie zukunftssicher weiterentwickeln wollen, müsste man das einfache Mehrheitswahlrecht einführen, das nur den Direktkandidaten kennt. Es sagt im Grunde alles aus, dass die Parteiapparate alles dafür tun, den Direktkandidaten zu schwächen und den Parteikandidaten, der sein Mandat nicht sich und letztlich auch kaum den Wählern, sondern der Partei verdankt, der folglich abhängig vom Parteiapparat ist, dem seine ganze Loyalität gehört, zu stärken.
Doch die CDU wird historisch versagen, sie wird ihrer Rolle nicht gerecht werden, aus subjektiven und objektiven Gründen. Aus subjektiven Gründen, weil es ihren Kadern wie Daniel Günther und Hendrik Wüst an Weitsicht und Format und politischer Kreativität gebricht, und aus objektiven Gründen, weil sie im Westen einen Teil ihrer Wähler verschrecken würde, die statt in die Welt zu schauen, sich lieber von ARD und ZDF verschaukeln lassen.
43 Prozent der CDU-Mitglieder räumen Wüst die größte Chance als Kanzlerkandidat der Union für die nächste Bundestagswahl ein. Passend dazu hat das RND den Balken von Wüst auch grün koloriert, das ist auch das, was von Nordrhein-Westfalens Meldestellen-Ministerpräsident zu erwarten ist: die Fortsetzung grüner Politik unter anderem Parteinamen, so wie er es jetzt schon in NRW praktiziert. Die guten Werte für Wüst in NRW und in der doch recht verspießerten West-CDU werden einbrechen, wenn die mit Schulden aufgehaltene Wirtschaftskrise in NRW durchschlagen wird. Für den Osten wäre Wüst als Kanzlerkandidat unannehmbar, ein Affront. Damit würde sich die CDU entweder spalten: wenig wahrscheinlich – oder sie würde bei der nächsten Bundestagswahl im Osten krachend gehen: sehr wahrscheinlich. Wüst ist aus mitteldeutscher Sicht ein Funktionär der Diktatur der Postmoderne, oder feiner ausgedrückt der Postdemokratie.
In Chemnitz wurde eine Oberschule für 700 Schüler mit Lichthof und Photovoltaikanlage für 36 Millionen Euro gebaut und 2023 eröffnet. Doch weder Lichthof noch Photovoltaik können darüber hinwegtäuschen, dass von 30 Wochenstunden mehr als die Hälfte ausfällt und bei Krankheitsfällen Schüler tagelang keinen Unterricht haben. Schüler müssten teilweise mit nur 13 Wochenstunden Unterricht auskommen. Im Hilferuf des kommissarischen Schulleiters heißt es: „Stellt sich die Absicherung mit moderaten Kürzungen in Fächern wie Deutsch, Mathe oder Englisch noch als vertretbar dar, werden Sie zahlreiche Fächer aktuell gar nicht im Stundenplan finden (unter anderem Geografie, Ethik, teils Sport und Geschichte, Französisch, Biologie, Physik, Technik und Computer.)“ So viel zum Fachkräfte-Problem, das übrigens durch verstärkte Einwanderung verschärft wird.
Chemnitz ist nur ein Beispiel wie Schwarz-Rot und Schwarz-Rot-Grün die Einstellung von Lehrern konsequent verschlafen hat. Solange aber Kretschmer eine bürgerliche Kooperation in Sachsen meidet, er die historische Aufgabe seiner Partei verdrängt, wieder eine bürgerliche Politik zu machen, indem man bürgerliche Mehrheiten nutzt, um aus der Zukunftsblockade durch die postmoderne Reaktion herauszufinden, wird er der Ministerpräsident des Niederganges sein.
Aufstieg oder Niedergang, das ist die Frage für Sachsen, für Thüringen, für Brandenburg, für Ostdeutschland, aber auch für ganz Deutschland – selbst wenn die Frage im Westen noch nicht einmal begriffen worden ist. Wie sagte doch Michail Gorbatschow einst: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“