Tichys Einblick
Scheingefechte

Bundeswehreinsatz im Innern: Katalog des Scheiterns

Ohne vielen offenen Baustellen der Bundeswehr im In- und Ausland jemals richtig beendet, ohne die prekäre Materiallage verbessert zu haben. Mit dünner Personaldecke und halbgarem Ausbildungsstand. Warum redet die Politik von neuen Aufgaben für die deutsche Armee, während sie diese personell, materiell und ideell im Regen stehen lässt? Nur, um uns Sand in die Augen zu streuen?

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Bernd Zeller

Habe gedient und war mehrfach in Trainingscamps der Bundeswehr, in denen das Vorgehen gegen Aufstände und im Falle von kritischen Maßnahmen geübt wurde. Mal abgesehen vom Tarnfleck in Bundeswehr-Olivgrün hat uns in diesen Augenblicken nichts von der normalen Polizei unterschieden. Wir hatten Schutzhelm, Schlagstock, Schild. Wir haben Autos durchsucht, Straßen gesperrt, Papiere kontrolliert. Den Verkehr geregelt, Verbrecher verfolgt, Verhöre geführt. Ob man heute noch so etwas übt, weiß ich nicht. Wird wohl so sein. Jedenfalls waren die Teilnehmerzahlen überschaubar. Nur wer sich für den Auslandsdienst einschrieb, hatte bei diesen Happenings anzutreten.

Der Löwenanteil in der Bundeswehr ging seiner eigentlichen Verwendung nach. Und hatte absolut nichts mit polizeilichen Aufgaben zu tun. Das blenden Ministerin von der Leyen und ihre Sekundanten gerne aus, wenn sie vom Bundeswehreinsatz im Innern bei Terrorgefahr schwafeln. Natürlich klingt die grundlegende Intention erst mal gar nicht schlecht: Hey, lasst uns doch ein paar Leos in die Straßen stellen, das wird den Terroristen schon Angst machen. Und wer es tatsächlich schick findet, im Lidl plötzlich neben gerüsteten Fallschirmjägern an der Kasse zu stehen, wird bei solchen Fantasien vielleicht sogar applaudieren. Aber weder sollten sich Innenpolitiker noch der gemeine Bürger etwas vormachen, wenn sie glauben, die Armee würde für mehr Sicherheit in den Städten sorgen. Bewaffnete Soldaten auf den Plätzen und Straßen wären pure Augenwischerei, um vom sicherheitspolitischen Versagen abzulenken. Gegen einen Einsatz der Bundeswehr im Innern sprächen nicht nur rechtliche Überlegungen. Sondern auch eine ganze Menge praktische.

Zugegeben, meine Sicht der Dinge bleibt subjektiv. Sie ist gespeist aus den Erfahrungen meiner Bundeswehrzeit und dem im Englischen gern genutzten „common sense“, dem gesunden Menschenverstand. Vielleicht erleben wir das Ausrücken der Bundeswehr nach einem Anschlag, und alles läuft glatt. Die Kompetenzen sind klar geregelt, die diversen Stellen unterstützen sich, jeder hat seine Aufgabe und vielleicht gelingt es einem Trupp ABC-Schützen sogar, einen Terroristen mit ihrem Kettenfahrzeug umzulegen. Aber es ist nicht sehr wahrscheinlich. Wahrscheinlicher wäre das Stöhnen der Truppe unter der neuen, ungewohnten Aufgabe. Ohne die vielen offenen Baustellen im In- und Ausland jemals richtig beendet zu haben. Ohne die prekäre Materiallage verbessert zu haben. Mit der jetzigen dünnen Personaldecke und unter einem nur halbgaren Ausbildungsstand. Warum sucht die Politik krampfhaft nach neuen Aufgaben für die deutsche Armee, während die tatsächlich Zuständigen personell, materiell und ideell im Regen stehen? Nur, um uns Sand in die Augen zu streuen?

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