Soeben ist der Bericht der Wehrbeauftragten, Eva Högl (SPD), erschienen. Er trägt den Titel „Unterrichtung durch die Wehrbeauftragte 2023“ und umfasst 175 Seiten. In der Geschichte der Bundeswehr ist es der 65. Bericht – vorzulegen dem Bundestag.
Um es vorwegzunehmen: Der Bericht verneigt sich zwar zwei Seiten lang vor „woken“ Themen wie „Transidentität“ und „Drittes Geschlecht“, ansonsten aber ist er ehrlich – ehrlicher als manch regierungsamtliches und ministerielles Papier. In den Agenturmeldungen dazu heißt es zwar etwas verharmlosend: Eva Högl sehe die Bundeswehr personell an der Belastungsgrenze. Viele Soldaten seien durch immer wiederkehrende Einplanung, vornehmlich aufgrund von Spezialverwendungen ohne ausreichende Regeneration, am Limit ihrer Kräfte.
Auch die Zahl der vakanten militärischen Dienstposten oberhalb der Laufbahn der Mannschaften trage zur „überproportionalen Belastung“ vieler Soldaten bei. Im Berichtsjahr sei die Zahl dieser vakanten Stellen von 15,8 Prozent auf 17,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Weitere Belastungen entstünden in vielen Bereichen durch bürokratische Hürden, die die Arbeits- und Verwaltungsprozesse deutlich erschweren und verzögern.
Einfügung unsererseits: 20.000 Dienstposten sind nicht besetzt. Wie da der politisch angekündigte Aufwuchs der Bundeswehr bis 2030 auf 203.000 „Mann“ erfolgen soll, wissen die Götter. Zumal im Jahr 2023, so Högl, 1.537 Dienende weniger als im Jahr 2022 vorhanden waren.
Högl beklagte zudem die mangelnde materielle Ausstattung der Bundeswehr: Es fehle an Munition, an Ersatzteilen, an Funkgeräten, an Panzern, an Schiffen und an Flugzeugen. Es gehe zwar voran – immerhin seien zwei Drittel des Sondervermögens mittlerweile gebunden, so Högl. Die Lage bei der Infrastruktur sei dagegen weiter „desolat“, sagte Högl weiter. „Es dauert zu lange, neu zu bauen und zu sanieren. Allein hier bestehe ein Investitionsbedarf von 50 Milliarden Euro und es gehe um rund 7.000 Bauvorhaben wie Unterkünfte, Truppenküchen, Sportanlagen, Munitionslager oder Waffenkammern. Insgesamt hat Högl gegenüber früheren Statements hier bereits tiefgestapelt. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie noch – all inclusive – ein „Sondervermögen“ von 300 Milliarden verlangt.
Verteidigungsminister Pistorius ist nicht zu beneiden. Und er kann nicht so, wie er will. Weil er wollen muss, wie es ein Kanzler, der nun auf Friedenskanzler macht, will bzw. nicht will. Das von Pistorius ausgegebene Ziel, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen, ist jedenfalls auf längere Sicht Utopie. Pistorius hatte das bei der Bundeswehrtagung im November 2023 als Ziel angesagt. Beim aktuellen Zustand der Bundeswehr kann man nur hoffen, dass ein Putin nicht noch mehr ernstmacht, und dass ein möglicher US-Präsident Trump 2.0 seine Drohungen gegenüber den europäischen Partnern der Nato nicht umsetzt.
„Keine Brigade einsatzbereit“
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, aktiver Oberst, stellt anlässlich des Högl-Berichts fest: Keine einzige der acht Heeresbrigaden der Bundeswehr sei einsatzbereit. Wörtlich sagte Wüstner im ARD-Morgenmagazin: „Wir haben in allen Teilstreitkräften massive Probleme, gemessen am Auftrag, an der Lage.“ Wüstner meinte auch: Die im Frühjahr 2022 nach Putins Überfall auf die Ukraine für die Bundeswehr zusätzlich bereitgestellten 100 Milliarden Sondervermögen würden nicht ausreichen.
Diese 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr hätten „leider Gottes“ nichts verbessert, so Wüstner. Seit 1990 seien mehrere Hundert Milliarden Euro eingespart worden. Man habe sich nur auf internationales Krisenmanagement ausgerichtet und jetzt seien Landes- und Bündnisverteidigung wieder ein Schwerpunkt. Dafür sei die Bundeswehr nicht aufgestellt. Und: Dieses Jahr sei ein „Schlüsseljahr für die Bundeswehr, für Deutschland, für Europa mit Blick auf Frieden und Freiheit, insbesondere mit Blick auf die Ukraine“.
Wüstner war Diplomat genug, nicht zu sagen, dass die Bundeswehr den rapidesten Verfall in 16 Jahren Merkel erfuhr: dass die Personalstärke in dieser Zeit von 252.000 auf 181.000 reduziert wurde, dass 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, dass Merkel der Bundeswehr mehr als fünf Jahre lang eine Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin zumutete, dass es selbst nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 kein Umdenken gab.
Nun werden ziemlich kleine Brötchen gebacken. Dass allein die Aufstellung einer „Brigade Litauen“ mit rund 5.000 Mann bis ins Jahr 2028 hinein dauert, lässt wenig Hoffnung aufkeimen. Und auch das Ziel, die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen, harrt noch einiger Jahre.
Man wird politisch andere Prioritäten setzen müssen und sich doch einmal kritisch daran erinnern müssen, dass dieses Land (ohne Sondervermögen, das 2026/27 aufgebraucht sein wird) zwar 50 Milliarden pro Jahr für Verteidigung ausgibt, aber für „Migration“ p.a. 50 Milliarden und für Entwicklungshilfe p.a. 35 Milliarden Euro aufbringt. Was für Zivilschutz längst überfällig wäre, sei hier außen vor gelassen.
Oder ist dieses Land nicht mehr des Verteidigens wert? Ja, immer mehr Leute stellen sich diese Frage angesichts einer spätestens seit 2015 real existierenden Politik und einer jetzt von der „Ampel“ beschleunigten „Transformation“ dieses Landes in ein amorphes Gebilde.