Mit einem Aufstellungsappell in der Berliner Julius-Leber-Kaserne (Bendler-Block) wurde am Montag, 26. September, das neue „Territoriale Führungskommando der Bundeswehr“ (TFK) offiziell auf den Weg gebracht. Es soll zum 1. Oktober seine Arbeit aufnehmen und die „Final Operational Capability“ zum 1. April 2023 erreichen: nämlich für die Landesverteidigung, für die Koordinierung von Hilfseinsätzen der Streitkräfte im Inland und für die koordinierende Logistik, wenn Deutschland Drehscheibe von NATO-Verbündeten sein muss.
Das TFK ist damit das Gegenstück, quasi eine Art Schwesterkommando, zum bereits bestehenden, für das Ausland zuständige Einsatzführungskommando (EFK) in Geltow bei Potsdam.
Dem TFK, das direkt dem Generalinspekteur unterstellt ist, werden folgende Dienststellen der Bundeswehr zugeordnet: die 16 Landeskommandos mit ihrer jeweiligen territorialen Organisation; die Dienststellen des Heimatschutzes und der zugeordneten Ausbildungsorganisation; die Truppenübungsplatz-Kommandanturen; das Wachbataillon beim Bundesministerium der Verteidigung; das Multinational CIMIC Command (Nienburg/Weser) für die zivil-militärische Zusammenarbeit. Darüber sollen die deutschen Anteile des NATO Joint Support and Enabling Command (JSEC) und des Multinationalen Kommandos Operative Führung (MNKdo OpFü) – beide in Ulm – dem künftigen Territorialen Führungskommando der Bundeswehr truppendienstlich zugeordnet werden. Rund 550 Soldaten und 250 Zivilisten übernehmen die Aufgabe.
Befehlshaber des neuen Kommandos ist Generalleutnant Carsten Breuer (57), der als Zwei-Sterne-General (Generalmajor) den Corona-Krisenstab im Bundeskanzleramt geleitet hatte. Er ist nun auch Nationaler Territorialer Befehlshaber. Seine Aufgabe war bisher dem Inspekteur der Streitkräftebasis zugeordnet.
Interview mit dem neuen Kommandeur
Der Kommandeur des neuen TFK, Generalleutnant Breuer, hat einem bundeswehrinternen Radio-Blog am 1. September 2022 ein sehr informatives und persönliches Interview gegeben.
Wir greifen ein paar Aspekte heraus. Zu den unterschiedlichen Aufgaben von EFK und TFK sagt Generalleutnant Breuer: „Wenn Sie es ganz platt ausdrücken wollen, sind die einen im Haus und machen die Hausarbeit und die anderen sind außerhalb des Hauses und machen die Gartenarbeit, also die einen für innen und die anderen für außen … Alles das, was an Truppe außerhalb der deutschen Grenzen geführt wird, wird durchs Einsatzführungskommando geführt. Alles das, was innerhalb geführt wird, wird durchs Territoriale Führungskommando geführt. Und da gibt es natürlich Überlappungen.“
Interessant sind Breuers Aussagen zum „Host Nation Support“ – wenn beispielsweise im Rahmen der Übung Defender 2020 US-Soldaten nach Europa geführt werden und dann durch Deutschland marschieren, um in Polen oder in den baltischen Staaten an der NATO-Ostflanke zum Einsatz zu kommen. Laut Breuer reicht diese Unterstützung vom Tanken über Bereitstellungsräume, aber auch die Mitbenutzung von Straßen. Wir fügen an: und hoffentlich über weniger marode Brücken, die auch schwerste Panzer tragen können.
Einen besonderen Vorteil des TFK sieht Breuer im Faktor Zeit und den Gewinn an Zeit durch das TFK: „Nur das Einfache hat in Stresssituationen, hat in katastrophischen Situationen, hat aber auch im Krieg Erfolg.“ Das stimmt, wenn es denn nicht wieder zu Kompetenzgerangel und Verzettlungen kommt!
Bundeswehr mit neuen Befugnissen im Inland?
Wie jetzt schon richten sich die Befugnisse der Bundeswehr im Inland nach den Bestimmungen des Grundgesetzes: Außer im Verteidigungs- und Spannungsfall darf die Bundeswehr nur in Amtshilfe für zivile Behörden tätig werden, die auch über den Umfang des Einsatzes entscheiden. Mit der Aufstellung des neuen Kommandos soll die Bundeswehr im Inland jedenfalls keine weitergehenden Befugnisse bekommen. Wachsam darf man dennoch sein.
Zum Beispiel, wenn man vergleicht: Eine Nancy Faeser trägt den Titel „Bundesministerin des Innern und für Heimat“. Und eine Verteidigungsministerin Christine Lambrecht will nun qua Bundeswehr ebenfalls auf „Heimatschutz“ machen. Zufall? Dazu passt schon mal, dass die Bundeswehr gemeinsam mit dem österreichischen Bundesheer Einsätze gegen Krawalle trainiert. In einem am 1. Dezember 2021 von der Bundeswehr veröffentlichten Video sieht man, wie sogenannte CRC-Einsätze geprobt werden. Unter CRC, also Crowd and Riot Control, versteht man die Überwachung und Eindämmung von unfriedlichen Menschenansammlungen und die Eindämmung von Krawallen. Apropos Datum 1. Dezember 2021: Das waren die letzten Tage einer Merkel-Regierung.
Es ist jedenfalls Vorsicht geboten. Gewiss verschwimmen in Zeiten eines weltweiten Terrorismus und neuer Formen von Kriegen die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit. Deshalb ist im Terror-Fall ein Einsatz der Bundeswehr im Innern denkbar, unter Umständen gar notwendig. Aber es wäre eine Beugung des Grundgesetzes, die Bundeswehr unter dem Etikett „Heimatschutz“ gegen Demonstrationen oder auch Krawalle einzusetzen. Wenn dergleichen aus dem Ruder läuft, ist das der Job der Polizei, die dafür personell und materiell eben entsprechend gerüstet sein muss.
Unter’m Strich
Unter Insidern ist die Einrichtung des TFK nicht unumstritten. Mal heißt es, es würden nur ohne jeden Fortschritt die Türschilder gewechselt, mal spricht man von einem „Elefantenfriedhof“. Dann hoffen wir einmal darauf, dass nicht eintritt, was ein römischer Feldherr namens Gaius Petronius über Reformen seiner politischen Führung gesagt haben soll: „Wir stellen ständig um, wir strukturieren permanent neu. Es bringt zwar nichts, aber es erweckt die Illusion des Fortschritts.“
Die Einrichtung des TFK kann jedenfalls nicht der Weisheit letzter Schluss ein. Denn dass es in Deutschland in weiten Bereichen etwa des Zivilschutzes mangelt, wissen wir. Nicht einmal das Sirenensystem funktioniert flächendeckend. Wozu auch, fragen wir zynisch, wo es doch nahezu keine Schutzräume mehr gibt. Die Politik ist darauf bislang nicht eingegangen. Denn seit 1990 war ja ein ewiges „Friede, Freude, Eierkuchen“ angesagt.