Tichys Einblick
Generaldebatte im Bundestag

„Kampf gegen Rechts“ statt Kampf gegen die wirtschaftliche Krise

Der Bundestag hat in einer Generaldebatte den Haushalt beraten. So stand es zumindest auf der Tagesordnung. Doch eigentlich wollen Ampel und Union nur noch über den Kampf gegen Rechts als Lösung aller Probleme reden.

dts

Die Union hat keinen Änderungsantrag zum Haushalt gestellt. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz fragt sich in seiner Rede, was seine Rede mit dem Haushalt zu tun habe und beantwortet das für sich selbst mit: „gar nichts“. Stattdessen beginnt er nach der Gedenkstunde zu den Verbrechen des „Dritten Reichs“ in der Haushaltsdebatte mit eben dieser Gedenkstunde. Dann kommt der erwartbare Twist: der Bezug zur AfD und der wackligen, fragwürdig motivierten Berichterstattung von Correctiv.

Einen Krieg mit über 50 Millionen Toten haben die Nationalsozialisten geführt. Geschätzte neun Millionen haben sie aus politischen, rassistischen und anderen menschenverachtenden Motiven direkt getötet. Darunter sechs Millionen Juden. Merz setzt diese ungeheuerlichen Menschheitsverbrechen mit einem Treffen von Privatleuten gleich, die über Remigration gesprochen haben. Eine unglaubliche Verharmlosung der Verbrechen der echten Nationalsozialisten. Ampel und Union beschäftigen sich nur noch mit dem „Kampf gegen Rechts“, nur noch mit Symbolpolitik – und selbst in der versagen sie brutal.

Stephans Spitzen:
Die große Betroffenheitsshow
Das gilt nicht nur für Oppositionsführer Merz – das gilt noch mehr für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er macht sich die Worte der Shoa-Überlebenden Eva Szepesi aus der Gedenkstunde zu eigen: „Wer schweigt, macht sich mitschuldig.“ Und auch er setzt eine private Debatte mit einem organisierten Völkermord an sechs Millionen Kindern, Jungen, Frauen, Männern, Gesunden, Kranken und Alten gleich. Über Remigration zu reden, „erinnert an die dunkelsten Zeiten“, schwadroniert Scholz.

Damit zeigt der Kanzler nicht nur, dass er offenbar vergessen hat, was ihm im Geschichtsunterricht über die Verbrechen der Nationalsozialisten beigebracht wurde. Er vergisst auch, dass er selber öffentlich angekündigt hat, „im großen Stil“ abschieben zu wollen. Worin nun der Unterschied liegt zwischen Remigration und „Im großen Stil“-Abschieben? Das sagt Scholz nicht. „Wer schweigt, macht sich mitschuldig.“

Scholz kann den „Kampf gegen Rechts“ gar nicht mehr hinterfragen. Der ist schließlich das Einzige, was er noch hat. Ohne „Kampf gegen Rechts“ steht der Kanzler ganz nackt da. Das zeigt Scholz in seiner Haushaltsrede eindrucksvoll. Dort behauptet er, Deutschland habe kein Problem mit mangelnder Beschäftigung. Das sagt der Kanzler an dem Tag, an dem die Agentur für Arbeit verkündet hat, dass die Arbeitslosigkeit übers Jahr um fast 200.000 Arbeitslose gestiegen ist. Scholz redet viel. Interessant wird es aber immer nur bei dem, was er verschweigt.

Zahlen zeigen das Schicksal einer Nation
Allein von September bis Ende Dezember 2023 schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 0,3 Prozent
Merz wirft Scholz vor, das Bürgergeld nehme den Anreiz zu arbeiten. Der Kanzler will sich als Verteidiger der Fleißigen inszenieren. Deswegen kritisiert er die Initiative der CDU, das Eintrittsalter für die Renten zu erhöhen: „Das haben sich die Fleißigen des Landes nicht verdient.“ Stimmt. Was Scholz aber verschweigt: Die Fleißigen bekommen in Deutschland weniger als 2.000 Euro Rente im Schnitt. Sie müssen ihre Rente, den bereits versteuerten Lohn ihrer Lebensleistung nochmal versteuern, damit Deutschland Radwege in Peru und Projekte von Correctiv finanzieren kann. Das alles sagt Scholz nicht. Viel sagend ist der Kanzler, wenn er schweigt.

Merz wirf Scholz vor, von Deutschland gehe in der EU keine wirtschaftliche Initiative aus. Der Oppositionsführer meint damit Unternehmen in den Bereichen Banken, Digitales oder Kommunikation. Scholz kontert: Der Wiederaufbaufonds für Corona sei von Deutschland ausgegangen. Ohne es auszusprechen, macht der Kanzler damit deutlich, was für ihn Wirtschaftspolitik ist: Der Staat verteilt mit der Gießkanne wahllos hunderte Milliarden Euro, die dann sinnlos verdunsten. Banken sind was für Briten, IT und Kommunikation sollen Chinesen und Amerikaner behalten. Die EU verdient ihr Geld, indem sie es verteilt. Interessant ist Scholz in dem, was er nicht sagt.

Gebremster Kritikelan
„Brandbrief“ der Spitzenverbände der Wirtschaft an Kanzler Scholz
Ein Staat, der in Scholz’ Sinn Geld raushauen will, muss es zuerst seinen Bürgern abnehmen. Das ist die Realität im Haushaltsentwurf, um den es in den Reden – eigentlich – geht. Obwohl die Steuerabgaben der Deutschen so hoch sind wie noch nie, legt die Ampel weiter drauf: Erhöhung der LKW-Maut, der CO2-Steuer, der Luftverkehrssteuer oder der Mehrwertsteuer für die Gastronomie. Die Einführung der Plastiksteuer. Die Neubewertung der Grundsteuer, die faktisch eine Steuererhöhung ist. Die steigenden Beiträge für die Sozialversicherung. All das kommt bei Scholz nicht vor – bei Merz aber auch nicht.

Scholz hält Merz die schlechte Bilanz der Vorgängerregierung von Angela Merkel (CDU) vor. Ganz verkehrt ist das zwar nicht. Aber bemerkenswert sind die Punkte, die Scholz dabei verschweigt. Zuallerst, dass er als Vizekanzler kein unwichtiger Teil dieser Regierung war. Dann, dass er jetzt seit mehr als zwei Jahren Regierungschef ist und als solcher mit Atomausstieg, Heizhammer und Erhöhung des Bürgergeldes um 25 Prozent innerhalb eines Jahres einiges dazu beigetragen hat, die Probleme zu mehren – aber nichts, Probleme zu lösen.

Vor allem fällt aber unter den Tisch, dass SPD und Union nur gut sind, wenn sie darauf hinweisen, dass sie noch weniger oder höchstens genauso schlimm wie der jeweils andere seien. Scholz mit Blick auf die Merkel-Regierung, der er angehört hat. Merz mit dem Verweis auf die fatale Bilanz der Ampel, die Deutschland zur einzigen Wirtschaftsnation gemacht hat, deren Wirtschaft schrumpft statt wächst. Vor diesem Hintergrund ist es wie Pfeifen im Walde, wenn Merz der AfD angesichts einiger Demonstrationen ankündigt: „Ihr Spiel geht jetzt zu Ende.“

Merzomat
Bei den Bauern: Merz macht den Scholz
Zur Erinnerung: Merz ist als CDU-Chef angetreten, um die AfD zu halbieren. Ist er in den nächsten zwei Jahren so erfolgreich wie in den zurückliegenden zwei Jahren, dann steht die AfD bei fast 50 Prozent. In der Generaldebatte wird deutlich, warum die AfD boomt. Alice Weidel spricht in ihrer Rede die Punkte an, die Merz und Scholz betroffen weglassen. Die Proteste der Bauern etwa. Der Handwerker, Ärzte, Spediteure, Wirtschaftsverbände – darüber fliegt Merz tatsächlich weg. Als Oppositionsführer. Weidel spricht sie an: „Es brennt in Deutschland. Geschundene Leistungsträger dieses Landes gehen auf die Straße. Sie protestieren weiter, weil sie nicht mehr können.“

Weidel erinnert daran, dass die Ampel vergeblich versucht hat, mit „einer beispielslosen Verleumdungskampagne gegen Mittelstandskräfte“ von den Protesten der Leistungsträger abzulenken – bevor sie dann mit Hilfe von Correctiv die Kampagne gegen Rechts gestartet hat. Die Regierung Scholz argumentiere nach dem Motto: „Wird der Bürger unangenehm, bezeichne ihn als rechtsextrem.“ Die Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl redet von „Schmeißfliegen“, der Bundespräsident sogar von „Ratten“, wenn es um Menschen geht, die ihnen nicht ihre Stimme geben wollen.

CDU und Merz sind noch immer in der verheerenden Politik Merkels verhaftet. Etwa im übereilten Atomausstieg, den ihre Kanzlerin eingeleitet hat. Weidel kann daher deutlicher werden als Merz: Die „zerstörerische Politik der Energie-Verknappung“, hohe Steuern und „Verbotspolitik“ belasteten den Wohlstand im Land. In dem sei nur „der übergriffige Staat“ reich, aber nicht der Steuerzahler. Wie schlecht es um die wirtschaftliche Zukunft des Landes bestellt ist, zeigt der Beitrag der grünen Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann. Die Grüne entdeckt in der Not den Patriotismus für sich: „Reden Sie dieses wunderbare Land nicht schlecht!“ Nur wenn nicht mehr offen über Wirtschaftspolitik geredet wird, kann Robert Habeck (Grüne) schließlich „Wirtschaftsminister“ bleiben. Aber: „Wer schweigt, macht sich mitschuldig.“

Anzeige
Die mobile Version verlassen