Fünf Milliarden soll den Steuerzahler die Reform allein im Jahr 2023 kosten: Das Bürgergeld kommt erst einmal den Bürger selbst teuer zu stehen. TE hatte schon früh davor gewarnt, dass die neue Regelung den Missbrauch vereinfacht. Schon das „Sanktionsmoratorium“ im Sommer gab die Linie vor: Für ein Jahr setzt die Bundesregierung die Sanktionsmechanismen gegen Hartz-IV-Empfänger aus, wenn diese gegen ihre Pflichten verstoßen hatten. Schon damals jammerten die Jobcenter. Denn ohne Kürzungen fehlen ihnen oftmals die wichtigsten Instrumente.
Die Prüfer monierten, dass sich viele Empfänger künftig keine Arbeit mehr suchen würden. Die Abschaffung der Strafen wirke kontraproduktiv. Die Regelung führe dazu, „dass der Bundeshaushalt für zwei Jahre mit dem Leistungsbezug von Personen belastet wird, bei denen grundsätzlich von einer ausreichenden Eigenleistungsfähigkeit ausgegangen werden kann“.
Der Bundesrechnungshof kritisierte zudem die hohen Aufschläge bei den Heiz- und Mietkosten: Zwei Jahre lang soll niemand vom Amt zum Umzug gezwungen werden. Eine „deutlich kürzere Karenzzeit“ sei „ausreichend“, heißt es laut Bild im Bericht.
Ändern wird das freilich wenig am Kurs der Bundesregierung. Denn das Bürgergeld ist ein Prestigeobjekt der Sozialdemokraten. Die SPD hatte bereits die Reform von Hartz IV großspurig angekündigt. Die seit der sogenannten Agenda 2010 nicht verheilte Narbe tragen Schröders Erben bis heute mit sich herum. Um wenigstens einen Teil davon vergessen zu machen – und damit auch den Bruch mit einem traditionellen Wählerstamm, der danach sein Heil bei der Linkspartei suchte –, muss das Projekt von Erfolg gekrönt sein.
Dabei gibt es eigentlich ein Menetekel: nämlich Italien, wo man mit dem „Reddito di cittadinanza“ (Bürgereinkommen) seine zweifelhafte Erfahrungen gemacht hat. Die neue italienische Regierung würde diese Idee des Movimento 5 Stelle gerne zurückdrehen.
Im Übrigen nicht nur, weil das Millionengrab bisher weniger zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt denn Verbleib in der Arbeitsverweigerung geführt hat; Liberale und Konservative haben verstanden, dass die politische Linke sich damit eine eigene Klientel herangezüchtet hat, die sie wählt, um weiterhin das Bürgereinkommen beziehen zu können. Nur deswegen hat der Chaosclub M5S bei der letzten Parlamentswahl noch ein zweistelliges Ergebnis eingefahren.
Sozialdemokraten und Grüne dürften daher aus sehr eigensinnigen Gründen an dem Plan festhalten. Ein größeres Geschenk als die jahrelange, wenn nicht jahrzehntelange Fundamentierung einer linken Wählerschicht kann Finanzminister Christian Lindner seinen Übergangsverbündeten kaum machen. Aber offenbar sind einige Jahre des Ministerspielens das wert, statt die Reißleine zu ziehen.