Christine Lambrecht (SPD, 56) ist seit 8. Dezember 2021 Bundesministerin der Verteidigung. Eigentlich wollte sie nach 23 Jahren als Bundestagsabgeordnete und vier Jahren als Justiz- bzw. Kurzzeit-Familienministerin aus der Politik aussteigen. Deshalb hat sie sich zur Bundestagswahl 2021 auch nicht mehr um ein Bundestagsmandat beworben.
Und nun fremdelt die amtierende Verteidigungsministerin mit ihrer Aufgabe vor sich hin – vermutlich bis zum (baldigen?) Ende ihrer Ministerzeit mit diesem Amt. Wir ersparen es uns, die Peinlichkeiten und Verirrungen der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt (IBUK) im Detail aufzulisten und nennen nur Stichworte:
- Eigenwillige parteiliche Personalentscheidungen vom ersten Ministertag an;
- Differenzen mit dem Generalinspekteur;
- Lieferung, obendrein massiv verzögert, von 5.000 Schutzhelmen für die ukrainische Armee;
- Auftritt in Stöckelschuhen in der Wüste Malis (trotz Warnung vor Skorpionen);
- ein ständiges Hin und Her, ob die Bundeswehr überhaupt und – falls ja – welche Waffen sie in die Ukraine liefern könne. Dazu Tricksereien und schließlich Machtworte aus dem Kanzleramt;
- Urlaub zu Ostern auf Sylt, wiewohl der Krieg Russlands gegen die Ukraine bereits voll entbrannt war.
Nun also „Sylt“. Am 13. April flog Christine Lambrecht mit einem Regierungshubschrauber von Berlin aus dorthin. Einen Zwischenstopp hatte sie, damit alles schön amtlich aussah, in Stadum beim Bataillon Elektronische Kampfführung. Der Hubschrauber landete dazu im 13 Kilometer entfernten Ladelund. Praktischerweise an der dänischen Grenze und rund 40 Kilometer Luftlinie von Sylt entfernt. Dorthin ging es dann per Helikopter weiter in den Urlaub auf Sylt. Clever eingefädelt. Man hat ja ein Recht auf Privatleben, wiewohl die Linken schon seit 1968 sagen, auch das Private sei politisch. Lambrecht gehört diesem Links-Spektrum an und sie wird von dort jetzt eingeholt.
Alles easy! Vielleicht, wenn da bei den Flügen von Berlin via Ladelund nach Sylt nicht Lambrechts Sohn Alexander (21) mit an Bord gewesen wäre (mit der Bahn hätte er fast 6 Stunden absitzen müssen), er nicht stolz wie Oskar Bilder aus dem Flieger in sozialen Netzwerken gepostet hätte und es nicht tagelang ein Hickhack um die Frage gegeben hätte, ob die Mitnahme des Lambrecht-Sohnes in einer Regierungsmaschine denn rechtlich sauber abgerechnet worden sei.
Mal hieß es „noch nicht“, dann hieß es, es seien 150 Euro, ein andermal es seien 261 Euro dafür erstattet worden. So etwas müsste eine Ministerin eigentlich geräuschlos und ordentlich über die Bühne bringen. Erfahrung hat sie ja damit, denn ihr Sohn hatte Frau Lambrecht ja zu deren Zeiten als Justizministerin bereits siebenmal in einem Regierungsflieger begleitet. Nicht nur am Rande: Eine Flugstunde mit einem Regierungshubschrauber schlägt mit rund 5.300 Euro zu Buche.
Fettnäpfchen über Fettnäpfchen. Tollpatschig bis zum geht nicht mehr! Und dann behielt sich die Ministerin gegenüber der recherchierenden Tageszeitung Die Welt auch noch rechtliche Schritte vor. Tags darauf aber meinte sie, sie werde Konsequenzen ziehen, „damit solche Vorwürfe nicht mehr möglich seien“. Ein zwielichtiger Satz! Ansonsten wittert Lambrecht eine „Kampagne“ und wird darin von SPD-Größen bestätigt, die meinen, man müsse sich in der Politik eigentlich um wichtigere Dinge kümmern.
Das persönliche Problem der Ministerin scheint indes zu sein, dass sie eigentlich gar nicht mehr in die Politik gehen und sich dem Privatleben widmen wollte. Der Boulevard-Presse gestand sie zudem, dass sie ihr Privatleben für Freunde und die Familie gerne auf Facebook postet. Auf den Sohn hat dies wohl abgefärbt. Er postete jüngst eben Bilder aus der Regierungsmaschine. Selfies waren es offenbar nicht, so dass man rätseln kann, ob die Bilder nicht sogar die Mama geschossen hat.
Kurzum: Im Verteidigungsministerium scheint es zumal bei bestimmten Ministerinnen üblich zu sein, sich ganz besonders auch um die eigene Nachkommenschaft zu kümmern. Ursula von der Leyens Sohn David etwa ist bei McKinsey (mittlerweile in San Franzisco) beschäftigt. McKinsey, da war doch was? Ja, McKinsey war der Hauptadressat von der Leyens, als sie für Beraterverträge rund 200 Millionen Euro Steuergeld ausgab. Und auch sonst nimmt man es in der im wahrsten Sinn des Wortes „abgehobenen“ Polit-Kaste nicht immer so ganz ernst mit den Regeln.
Eine süffisante Bemerkung kann sich der Autor dieser Kolumne nicht verkneifen: Im Jahr 2013 konnte ich bei Rowohlt in nachfolgend sechs Auflagen den Bestseller „Helikoptereltern. Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung“ veröffentlichen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Buch eigentlich einer amtierenden Verteidigungsministerin als Erziehungsberater zukommen lassen müsste. Um ihr den Spiegel vorzuhalten, was mit ihrem Sohn womöglich schiefgelaufen ist. Ich werde es nicht tun. Wenn es der eine oder andere TE-Leser tun will: Ich ersetze das Exemplar mit Widmung.