Wir tun mal so, als wäre Bayern-Hessen ein neues Bindestrich-Bundesland, und stellen fest, dass dieses Bindestrich-Bundesland mit 13,7 Millionen Wahlberechtigten 22,7 Prozent und damit ein knappes Viertel aller 60,4 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland stellt.
Nun hat dieses fiktive Bindestrich-Bundesland am 8. Oktober gewählt. Von den 13,7 Millionen Wahlberechtigten in „Bayern-Hessen“ (die Wahlbeteiligung lassen wir außen vor) sind 68,6 Prozent Bayern und 31,4 Prozent Hessen.
Rechnen wir auf dieser Basis weiter, dann haben die Parteien in diesem Bindestrich-Bundesland Bayern-Hessen am 8. Oktober 2023 bei der Landtagswahl bzw. am 26. September 2021 bei der Bundestagswahl wie folgt gewählt:
Das heißt: Im Vergleich mit der Bundestagswahl 2021 hat sich die Union deutlich verbessert, nämlich um 7,4 Prozent. Der Unions-Spitzenkandidat Laschet hatte der CDU/CSU 2021 die Wahl verhagelt. Davon hat sich die Union erholt, ohne allerdings an frühere Ergebnisse von wegen 40+X anknüpfen zu können.
Die Grünen stehen vergleichsweise stabil da. Das verwundert umso mehr, als die Grünen auf Bundesebene diejenigen sind, die mit ihrer Programmatik den Bürgern am meisten in die Tasche greifen und die die Bürger gouvernantenhaft am meisten mit Verboten gängeln. Dass die „Grünen“ relativ ungeschoren davonkommen, hat vermutlich mit dem Sozialstatus der „grünen“ Wähler zu tun: Entweder sind diese bereits so gut situiert, dass ihnen der Griff in die Taschen wenig ausmacht. Oder sie sind als Twens von zu Hause aus gut situiert und/oder unverbesserlich klimabewegt.
Insgesamt aber ist das „Ampel“-Trio gewaltig geschröpft worden. Im Vergleich 2021/2023 um 18,2 Prozent. Sehr stark verloren hat in diesem Vergleich die Kanzler-SPD, ihr Stimmenanteil hat sich von 21,0 Prozent (2021) auf 10,5 Prozent (2023) halbiert. Noch krasser hat es die FDP erwischt: Ihr Stimmenanteil hat sich von 11,2 Prozent (2021) auf nur noch ein Drittel von 3,7 Prozent (2023) reduziert. In Bayern ist die FDP aus dem Landtag geflogen, in Hessen hat es mit 5,0 Prozent gerade noch zum Einzug in den Landtag gereicht.
Großer Sieger ist die AfD. Im genannten Vergleich 2021 versus 2023 hat sie von 9,0 auf 15,8 Prozent zugelegt. In Bayern wurde sie drittstärkste Partei und damit wohl stärkste Oppositionspartei. In Hessen ist sie von Haus aus zweitstärkste Partei und damit auf jeden Fall die größte Oppositionspartei.
Sieger sind auch die Freien Wähler (FW). FW-Chef Aiwanger ist in Bayern Nutznießer seines Opferstatus, den er Ende August 2023 frei Haus durch eine schräge Kampagne gegen ihn geliefert bekam. Bundesweit hat sein Erfolg keine Auswirkungen, wie man am deutlichen Scheitern der hessischen FW an der 5-Prozent-Hürde ablesen kann. Anders ausgedrückt: Bundespolitisch sind die FW keine Größe.
Bei aller Eindeutigkeit der Ergebnisse wird es spannend, wie sich die Lage auf Bundesebene weiterentwickelt und welche Konsequenzen aus dieser „kleinen“ Bundestagswahl gezogen werden:
- Wird die AfD in beiden Landtagen die hergebrachten Vorteile erhalten, die der größten Oppositionspartei zustehen: Posten als Landtagsvizepräsidenten, Ausschussvorsitzende, herausgehobene Redezeiten …?
- Bröckelt die Unions-Strategie der „Brandmauer“ gegenüber der AfD?
- Wann will die Union die Frage nach der Kanzlerkandidatur angehen? Wer ist überhaupt (noch) im Rennen?
- Merkt SPD-Kanzler Scholz überhaupt, was mit seiner SPD los ist? Kapiert er, dass seine SPD-Bundesministerin Faeser nicht nur wahlpolitisch, sondern in all ihren Politikbereichen versagt? Dass sie längst zum Mühlstein am Hals der absaufenden SPD wurde? Wann trennt er sich von Faeser – und von Lauterbach?
- Versteht die FDP, dass sie sich marginalisiert hat und man sie de facto kaum noch braucht? Will sie weiter dem Grundsatz „Lieber schlecht regieren als nicht regieren“ frönen?
Mit „Scholzomat“-Gehabe und Aussitzen ist es nicht mehr getan. Denn 2024 stehen der SPD die nächsten Schlappen ins Haus. Bei den Landtagswahlen im Spätsommer 2024 in Sachsen und Thüringen muss die SPD erneut mit einstelligen Ergebnissen rechnen. Auch in ihrem vormaligen SPD-Stammland Brandenburg könnte es kaum zu mehr als 20 Prozent reichen. Auch die „Europawahlen“ am 9. Juni 2024 lassen die SPD wenig hoffen. Zuletzt waren es 2019 nur 15,8 Prozent. Setzt sich der Trend wie in Bayern und Hessen fort, muss die SPD auch hier mit einem einstelligen Ergebnis rechnen.
Vor allem aber müssen die arrivierten Parteien endlich zur Kenntnis nehmen, dass mit der abwertenden Etikettierung der Wähler von AfD und FW als Wähler „populistischer Protestparteien“ kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. In Bayern sind das mittlerweile – trotz oder wegen CSU? – rund 30 Prozent, in Hessen gut 20 Prozent. Das ist keine „Quantité négligeable“ mehr! Mit einer Fortsetzung der „Ampel“-Politik und der „Brandmauer“-Politik der Union wird diese „Quantité“ noch größer werden.