Tichys Einblick
Auf dem Weg zur Atomisierung der Gesellschaft

Bundesinnenministerin erlaubt Regenbogenflagge an Dienstgebäuden

Wie schrieb Bundesinnenministerin Faeser gleich wieder: „Um die Akzeptanz staatlicher Symbole in der Bevölkerung zu erhalten, ist die Wahrung staatlicher Neutralität zwingend erforderlich.“

IMAGO / Future Image

„… Die Bundesflagge hat Verfassungsrang, ist wichtigstes Staatssymbol und Element gesamtstaatlicher Repräsentation. Um die Akzeptanz staatlicher Symbole in der Bevölkerung zu erhalten, ist die Wahrung staatlicher Neutralität zwingend erforderlich.“ Wer hat das geschrieben? Man glaubt es nicht, es war die Bundesministerin des „Innern und für Heimat“ (BMI), Nancy Faeser, und zwar in einem Schreiben vom 6. April 2022 an alle Bundesminister, veröffentlicht qua Presseerklärung am 13. April.

Was diese zwei Sätze indes vernebeln, ist: Mit diesen Schriftstücken hatte die „BMI“ es erlaubt, an bestimmten Tagen neben der Bundesflagge auch die Regenbogenflagge der Queer-Community zu hissen. Wörtlich Nancy Faeser: „Beim Thema ‚Queeres Leben‘ haben wir uns unter anderem zum Ziel gesetzt, Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken, die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu stärken und in der Arbeitswelt das Diversity Management voranzubringen, insbesondere im öffentlichen Dienst.“ Mit Queerfeindlichkeit ist eine Diskriminierung von LSBTI-Menschen gemeint, also von Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans- oder intergeschlechtlich sind (s. hier). Statistisch geht es laut Selbsteinschätzung um 6,9 Prozent der Menschen.

Unter anderem auf Twitter schreibt Nancy Faeser: „Wir sind ein modernes und vielfältiges Land. Es ist allerhöchste Zeit, dass wir das auch als staatliche Institutionen deutlicher zeigen. Wir wollen, dass die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen ein Ende hat. Wir wollen Solidarität mit allen zeigen, die immer noch Ausgrenzung erleben müssen. Dafür ist die Regenbogenflagge das weltweit bekannte Symbol. Deswegen war es mir sehr wichtig, das Hissen der Regenbogenflagge zu bestimmten Anlässen an Bundesgebäuden zu erlauben. Zum Beispiel am Christopher Street Day setzen wir so ein sichtbares Zeichen des Staates für Vielfalt und gegen jede Diskriminierung.“

Nun sind wir doch verwirrt. Die BMI, die übrigens zugleich Verfassungsministerin ist, betont den Verfassungsrang der schwarz-rot-goldenen Bundesflagge und die zwingend notwendige Wahrung staatlicher Neutralität. Zugleich erlaubt sie es, dass an den Dienstgebäuden aller rund 90 Behörden und Dienststellen des Bundes sowie der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht von Bundesbehörden unterstehen, zu bestimmten Gelegenheiten die Flagge einer bestimmten Community aufgehängt wird. Also auch an Kasernen! Die von der Leyens und Co. werden sich freuen!

Mit bestimmten Tagen ist gemeint: Der Jahrestag des Christopher Street Days (CSD) am 28. Juni oder bei einer örtlichen bzw. regionalen CSD-Veranstaltung. Im BMI-Schreiben vom 6. April ist gar von „Pride Weeks“ die Rede. Wie ja die Queer-Lobby den ganzen Juni zu einem „Pride Month“ erklärt hat. Ausgeschlossen sind allerdings der 27. Januar (Befreiung von Auschwitz), der 1. Mai (Tag der Arbeit) und der 3. Oktober (Tag der deutschen Einheit). Mit dem englischen Wort „pride“ ist übrigens der Stolz gemeint, den Menschen empfinden sollen, egal welche sexuelle Identität und sexuelle Orientierung sie haben.

Schauen wir zu Nancy Faesers gedanklichem Salto Mortale und halten ein paar Dinge fest.

1.

Die Bundesrepublik hat drei Staatssymbole: die Bundesflagge, das Bundeswappen und die Nationalhymne. Welch hochrangige Bedeutung die Bundesflagge hat, belegt Artikel 22 (2): „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.“ Alle drei Symbole stehen zudem unter dem Schutz des Strafgesetzbuches. Unter der Überschrift „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“ heißt es in Strafgesetzbuch Paragraph StGB 90a (1): „Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts … die Farben, die Flagge, das Wappen und die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

2.

Staatssymbole stehen für etwas, sie stehen für gewachsene Identität. Im Fall der drei genannten Staatssymbole für deutsche Identität. Deutschland mag eine – wie es oft heißt – „verspätete Nation“ sein, aber als Kultur- und Sprachnation hat sie eine sehr lange Geschichte. Die schwarz-rot-goldene Trikolore hat immerhin eine rund zweihundertjährige, teilweise auch wechselvolle Geschichte. Ihre drei Farben haben sich in den Befreiungskriegen gegen die napoleonische Besatzung 1813 bis 1815 herausgebildet. Vor allem das Lützowsche Freicorps innerhalb der preußischen Armee bekannte sich zu den drei Farben. Die Farbkomposition entstand zunächst ganz pragmatisch: „Schwarz“ stand für den billigen schwarzen Uniformstoff, „rot“ war ein Erkennungszeichen am Ärmel, „golden“ waren die Messingknöpfe der Uniform. Alsbald aber wurden die drei Farben symbolisch aufgeladen: „Schwarz“ war die Farbe für die Finsternis der Besatzungszeit, „rot“ das Herzblut, das für die Befreiung vergossen wurde, und „gold“ die Farbe für die heraufziehende Morgenröte. Damit standen die drei Farben für die ersehnte deutsche Einheit und für Freiheit.

3.

Zur Nationalhymne als Symbol: Das Grundgesetz verzichtete 1949 auf eine Regelung zur Nationalhymne. Aber das Bedürfnis nach ihr war nach wie vor da. Am 2. Mai 1952 schließlich bestätigte Bundespräsident Heuss in einem Schriftwechsel mit Bundeskanzler Adenauer die Bitte der Bundesregierung, das Hoffmann-Haydn-Lied als Nationalhymne anzuerkennen. Tatsächlich geschützt freilich ist nur die dritte Strophe, bei staatlichen Anlässen wird nur die dritte Strophe des Deutschlandliedes gesungen. Knapp ein Jahr nach der Wiedervereinigung, im August 1991, bestätigen Bundespräsident Richard von Weizsäcker und Bundeskanzler Kohl in einem Briefwechsel, dass die dritte Strophe deutsche Nationalhymne bleibt.

4.

Bei den drei genannten Symbolen geht es um nationale Identität. Vielen selbstvergessenen Deutschen ist das zuwider. In ultralinken Kreisen ist es freilich nicht nur Selbstvergessenheit, sondern zum Teil Hass: gegen alles Deutsche, gegen das deutsche Volk, das es ja angeblich nicht gibt. „Deutschland verrecke“, „Deutschland – du mieses Stück Scheiße“ „Bomber Harris, do it again“ – so musste man die letzten Jahre lesen und hören. Was Wunder, wenn von dort, aber auch in der etwas gemäßigteren linken, rot-grünen Szene zur Überwindung nationaler und kultureller Identität Schritt für Schritt neue Identitäten geschaffen wurden. Identitätspolitik heißt das jetzt. Es geht nicht mehr um kulturelle oder nationale Identität, sondern um partikulare Identitäten von einzelnen Gruppen. Für eine Ober-Grüne Claudia Roth (jetzt „Kulturministerin“ im Kanzleramt) war die Regenbogenflagge übrigens schon vor geraumer Zeit eine „Kampfansage.“ Und alle diese Gruppen bzw. deren Identitäten wollen politisch, medial, ja gar wissenschaftliche (siehe die über 200 Professuren für „Gender“-Forschung!) „bedient“ werden. Folge: Der große Zusammenhalt geht verloren, ein Gemeinwesen, eine Gesellschaft, eine Nation wird atomisiert. Teilweise monomanisch unter das Diktat einer besonders „woken“ Lobby-Gruppe gestellt. Hier zum Beispiel der „Queer“-Lobby, die dabei ist, auf die Politik noch größeren Einfluss auszuüben als die ach so verrufene Wirtschaftslobby. Siehe auch die Berufung eines „Queer“-Beauftragten der Bundesregierung am 22. Januar 2022. Verfolgte Minderheiten werden damit zu verfolgenden Minderheiten, wie es Kardinal Gerhard Müller kürzlich ausgedrückt hat.

5 .

Nun also die Regenbogenflagge an Gebäuden von Bundesbehörden: Diese LSBTI-Flagge ähnelt der „Peace/Peace“-Flagge. Letztere wurde 1961 mit 7 Farben und dem Schriftzug „Pace“ zum Symbol für Frieden. Diese Flagge verbreitete sich schließlich als Anti-Kriegs-Symbol weltweit. Ab 1978 wurde die Regenbogenflagge zum Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung. Der US-Künstler Gilbert Baker hatte sie den Gay Freedom 1978 entworfen. Die LGBTI-Flagge unterscheidet sich in drei Punkten von der Friedensflagge: Die Friedensflagge enthält 7 Farben. Die „Pride Flag“ enthielt ursprünglich 8 Farben, heutzutage meist eher 6. Bei der Friedensflagge sind die Blautöne oben und die Rottöne unten angeordnet, bei der LGBTI-Flagge ist es umgekehrt. Die „Pride Flag“ indes hat keinen Schriftzug.

6.

Wie werden sich Länder und Kommunen verhalten? Nancy Faeser Vorgabe gilt nur für Gebäude von Bundeseinrichtungen. Länder und Kommunen sind frei, wann und wie sie an ihren eigenen Gebäuden ihre eigenen Flaggen hissen. Das tun sie in der Regel zusammen mit der Nationalflagge ja auch regelmäßig. Ob sie dabei zukünftig auch die Regenbogenflagge verwenden? Wir rechnen damit. Denn alle wollen mindestens so „woke“ sein wie Bayerns allseits flexibler Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Dieser hatte die Regenbogenflagge am 23. Juni 2021 anlässlich der Fußball-Europameisterschaft vor seiner Staatskanzlei aufziehen lassen. Damals hatte Deutschland in der Münchner Allianz-Arena gegen das ach so homophobe Orban-Ungarn 2:2 gespielt. Söder selbst hatte zusammen mit seinem damaligen Generalsekretär Markus Blume in der Arena mit einer Regenbogen-Corona-Maske posiert. Warten wir mal ab, ob die deutschen Kicker, deren Sportministerin ja ebenfalls eine gewisse Nancy Faeser ist, bei der Weltmeisterschaft Ende 2022 im nun wahrlich gar nicht so queer-freundlichen Katar „Flagge“ zeigen werden.

7.

Aber spinnen wir über die Fußballerei hinaus den Gedanken weiter. Identitätspolitik ist ja nun allenthalben angesagt. Heißt das, dass zukünftig auch andere Lobby-Communities ein Recht haben, ihre Flaggen an Bundesgebäuden zu hissen? Etwa die linksradikale Antifa (schließlich gehört der Antifaschismus ja zur deutschen Staatsräson)? Oder die „Black-lives-matter“-Bewegung (BLM) mit ihrer Faust? Oder die Feminismus-Flagge mit dem Symbol ♀

Soll man all dies ernst nehmen? Ja, man muss es! Denn es geht um die Frage, ob dieses Land von Minderheiten-Lobbys mit ihren NGOs durch die Manege gezogen wird oder ob das deutsche Volk als Ganzes noch der Souverän ist. Sonderrechte braucht es nicht.

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich … Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ (Grundgesetz Artikel 3) Und: „Einigkeit und Recht und Freiheit“ – das gilt für alle! Ohne Ansehen der Person! Ohne Partikular-Identitäten! Ohne Privilegien!

Wie schrieb Bundesinnenministerin Faeser gleich wieder: „Um die Akzeptanz staatlicher Symbole in der Bevölkerung zu erhalten, ist die Wahrung staatlicher Neutralität zwingend erforderlich.“ Also bitte, halten Sie sich d’ran, Frau Minister, und verwässern Sie weder Grundgesetz noch Staatssymbole!

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