Ein bemerkenswerter Auftritt an einem bemerkenswerten Ort: Tom Buhrow stellt sich im Berliner Abgeordnetenhaus den Fragen der Abgeordneten. Könnte man jedenfalls meinen, glaubt man dem, was die öffentlich-rechtlichen Sender selbst über den vergangenen Mittwoch schreiben. Berlin steht für den RBB, steht für den größten Nachkriegsskandal des deutschen Zwangsgebührenfernsehens. Man hätte erwarten können, dass Buhrow sich dessen bewusst ist.
Nicht nur Buhrow selbst betreibt dieses „Framing“ aus dem ÖRR-Handbuch. Ein Leser der RBB-Webseite wird mit beispielhaften Falschmeldungen gefüttert. Dort prangt die Schlagzeile: „Buhrow steht Begrenzung der Spitzengehälter offen gegenüber.“ Das ist irreführend. Offenbar setzt man auf die alte Internetweisheit, dass nur Schlagzeilen gelesen, geliked und geteilt werden.
In Wirklichkeit hat Buhrow nur davon gesprochen, dass ein solches Ansinnen legitim sei – und den Ball zurückgespielt. Er erinnerte an Staatsverträge und Mediengesetze. Und setzte dann drauf: Bei einer Anhörung im Landtag von Sachsen-Anhalt habe der dortige Rechnungshofpräsident dargelegt, um wie viel der Rundfunkbeitrag sinken würden, wenn die Intendanten von ARD, ZDF und Deutschlandradio komplett abgeschafft würden. „Null. Es ist noch nicht einmal ein Cent“, sei die Antwort des Rechnungshofpräsidenten gewesen
Das steht wortwörtlich so im RBB-Beitrag. Es ist das genaue Gegenteil der Überschrift. In Wirklichkeit hat Buhrow gesagt, dass die paar Millionen den Kohl nicht fettmachen, weil über den Rundfunkbetrag so üppig abgesahnt wird, dass es gar keine Rolle mehr spielt. Und dass man so viel bekommt, dafür sei die Politik in erster Linie verantwortlich – nicht er. Aber durch Simplifizierung und Manipulation ist der gewöhnliche ÖRR-Zuschauer womöglich zur Analyse des eigentlichen Vorgangs nicht mehr fähig. Ansonsten könnte sich Buhrow eine solche Chuzpe gar nicht leisten.
Wieder ist es die Politik schuld: die Bundesländer sollten weniger Leistungen bestellen. Offenbar regiert in den Redaktionen tatsächlich die Devise: Verbietet uns den Konsum! Beschneidet uns! Macht uns das Leben so schwer, dass wir uns umgewöhnen müssen! Wir sind Junkies! Zumindest erklärt diese Mentalität die Kommentare in den Tagesthemen, wenn wieder dazu aufgerufen wird, sich zum Wohle des Klimas, Coronas, der Ukraine oder der Energiekrise zu geißeln. Es sind verzweifelte Hilferufe an die Außenwelt.
Auch den Qualitätsanspruch untermauert der ARD-Chef. Auf die Frage des FDP-Politikers Stefan Förster, warum ARD-Journalisten immer mehr Nachricht und Kommentar vermischten, erklärte Buhrow: „Das tun die Medienkritiker bei den Zeitungen auch.“ Die eigene Bankrotterklärung jedweder persönlicher wie journalistischer Integrität soll wohl entwaffnen. Wenn alle eine Bank ausrauben, wird Bankraub legitim und legal. Derselbe Menschenschlag attestiert einer Vielzahl von Bürgern, mit einer hochkomplexen Welt nicht mehr zurechtzukommen und stundenlang im Kindergärtnermodus belehrt werden zu müssen.
Zur Begründung darf der Dauerbrenner „Demokratie“ herhalten. „Ich glaube, dass der öffentliche Rundfunk unverzichtbar ist für die Demokratie“, erklärt Buhrow. Der Sturz des Peisistratos, der Schweizer Rütli-Schwur, der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg von 1776 – alle nicht denkbar ohne staatlich verwobenes Gebührenfernsehen. Ohne ARD kommt Hitler an die Macht. Man neigt zur Ansicht: vielleicht kommt mit ARD irgendwann etwas noch Schlimmeres, wenn sie den Gebührenzahlern den Stiefel noch etwas tiefer ins Gesicht rammt. Dagegen ist Silvio Berlusconi wahrlich das kleinste Übel.