Tichys Einblick
Das Dilemma der Konservativen

Bündnis Deutschland präsentiert drei Neuzugänge

Eigentlich wollte die im November gegründete Partei Bündnis Deutschland sich stark von der AfD abgrenzen. Nun präsentiert sie auf einer Pressekonferenz drei Mandatsträger, die von anderen Parteien übergetreten sind: zwei davon waren zuvor schon in der AfD.

Steffen Große, Vorsitzender Bündnis Deutschland

IMAGO / Sven Ellger

Die Konservativen stecken in Deutschland in dem gleichen Dilemma, in dem die Linken bis tief hinein in die Merkel-Jahre steckten: Der kategorische Ausschluss einer Partei aus dem eigenen Lager führt dazu, dass es nur noch schwer möglich ist, eine eigene Mehrheit zu bilden. Was in den 90er Jahren die PDS war – vorher SED genannt, später Linke –, ist heute die AfD. Ihre fehlende Anschlussfähigkeit führt dazu, dass im Bund und in den meisten Ländern keine Koalition mehr möglich ist, an der nicht die Grünen oder die SPD beteiligt ist. Dieser Umstand verleiht diesen beiden linken Parteien eine Macht, die weit über die eigentliche Stärke ihrer eigenen Wählerbasis hinausgeht.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Nun gibt es Ansätze, dieses konservative Dilemma aufzubrechen. Einer davon ist, die AfD als anschlussfähig zu erklären. Doch Befürwortern dieses Weges macht es die „Alternative für Deutschland“ derzeit nicht einfach: Rechte Aussetzer, offener Streit und permanente Parteiaustritte werfen kein gutes Bild auf die Partei. Vorsichtig ausgedrückt. Deutlicher gesagt: Derzeit ist die AfD einfach nicht anschlussfähig. Der andere Weg ist es, eine neue konservative Partei zu etablieren, die den Wählern eine Heimat bietet, die von der Anbiederung der FDP und der CDU/CSU an den grün-woken Zeitgeist enttäuscht bis entsetzt sind.

Diesen Weg will das Bündnis Deutschland gehen. Im November ist die Partei noch mit Schwung gestartet. Doch nun erlebt sie die Mühen der Ebene. Das lässt sich schon an äußeren Details einer Pressekonferenz sehen, die sie im Berliner Maritim-Hotel gibt: Das Buffet ist kleiner als beim ersten Mal. Statt einer gepolsterten Pressemappe im Edel-Look gibt es einen einfachen Papiereinstecker. Und was am wichtigsten ist: Der kleine Saal ist nicht mehr überfüllt mit Journalisten, nur noch ein halbes Dutzend sind gekommen, um zu hören, wo die Partei zwei Monate nach ihrer Gründung steht.

Der Parteivorsitzende Steffen Große präsentiert drei Neuzugänge, die dem Bündnis zu ersten Mandaten verhelfen: Einer davon kommt von der FDP, zwei waren bis vor Kurzem noch AfD-Mitglieder: Der bisherige LKR-Europaabgeordnete Lars Patrick Berg (2021 von der AfD übergetreten) und der bisherige AfD-Fraktionsvorsitzende im bayrischen Landtag Markus Plenk verschaffen als Abgeordnete der jungen Partei eine erste Relevanz. In fünf Prozent der deutschen Städte und Kreise sei das Bündnis jetzt vertreten, freut sich Generalsekretär Niklas Stadelmann. 400 Städte und Kreise gibt es in Deutschland – zehn Prozent entsprechen demnach acht Kreisen. Auf einer Landkarte sind es 16 Flecken, mit denen das Bündnis bundesweit vertreten ist. Die meisten davon in Nordrhein-Westfalen, keiner in Niedersachsen.

In der ersten Pressekonferenz hatte der Vorsitzende Große noch betont, sich von der AfD abgrenzen zu wollen. Neue Mitglieder sollten sich eigens Vorstellungsgesprächen unterziehen, bevor sie sich als wert genug für eine Aufnahme in das Bündnis Deutschland erweisen. Nun präsentiert Große zwei Neuzugänge, die direkt oder auf dem Umweg über die LKR aus den Reihen der AfD kommen: „Ich habe etwas dagegen, die AfD permanent als Spiegelfläche zu benutzen“, sagt der Bündnis-Chef heute. Aber dagegen, die Mitglieder aufzunehmen, habe er nichts. Auch nicht die Funktionäre und Mandatsträger. Ohnehin sagt Uwe Große-Wortmann: „Das Thema AfD wird viel zu hoch gehängt.“ Große-Wortmann wurde für die FDP in den Kreistag Potsdam-Mittelmark gewählt und ist nun zum Bündnis gewechselt.

Sammlungsbewegung der Mitte
Bündnis Deutschland gründet sich als Alternative zur CDU
Große-Wortmann hat recht. Einerseits. Aber andererseits auch nicht. Die AfD konnte so groß werden, wie sie heute ist, weil die anderen Parteien nach links marschiert sind. Allen voran die CDU, zuletzt die FDP. Viele Themen bleiben unbesetzt oder waren es so lange, dass sie heute in der Wahrnehmung vieler Wähler als unbesetzt gelten: Sicherheit gegenüber Messerangriffen und aggressiven Gewohnheitsverbrechern zum Beispiel, keine Einwanderung von Kriminellen oder Einwanderung nur in dem Maß, wie die Städte und Gemeinden es verkraften. Greift überhaupt mal jemand aus der CDU diese heiklen Themen an, dann meldet sich Generalsekretär Mario Czaja zu Wort. Desinteressiert an der Sache selbst. Stattdessen als Sprachpapst für die Frage, welche Begriffe seine Parteigänger dabei benutzen dürfen und welche nicht.

Damit unterwerfen sich CDU-Vertreter wie Czaja der Tabuisierung, mit der grün-woke Politiker und Journalisten die Themen behandeln, die ihnen unangenehm sind. So unterwerfen sie jeden, der es trotzdem anspricht, der Gefahr, gesellschaftlich stigmatisiert und wirtschaftlich ruiniert zu werden. Damit bleiben ihre grün-woken Themen übrig und die Handlungsfähigkeit der Konservativen wird weiter eingeschränkt. Weil die AfD diesen Kreis durchbrochen und heikle Themen besetzt hat, ist sie je nach Bundesland für 6 bis 30 Prozent der Menschen wählbar. So gesehen hat Große-Wortmann recht: Die AfD darf für das Bündnis Deutschland kein großes Thema sein. Wenn das Bündnis sich als eine vernünftige konservative Partei etablieren will, wird es nicht daran vorbeikommen, Wähler von der AfD zu gewinnen. Oder Funktionäre. Oder Mandatsträger.

Andererseits ist die AfD ein großes Thema. Denn hinter diesen drei Buchstaben steht eine Frage, die das konservative Lager klären muss, wenn es wieder ohne SPD und Grüne mehrheitsfähig werden will: Wie schaffen es die Konservativen, Wähler und Funktionäre zu bündeln, ohne es mit dem Ausschließen von größeren Gruppen zu übertreiben, aber auch ohne sich mit Radikalen gemeinsam zu machen – etwa welchen, die sich rassistisch, antisemitisch oder antidemokratisch äußern oder Gewaltbereitschaft signalisieren? Als das Bündnis im November erklärte, sich stark von der AfD abgrenzen zu wollen, haben in den sozialen Netzwerken viele konservative Nutzer mit der Aussage reagiert, so werde das nichts mit der neuen Partei. Die Neuzugänge Berg und Plenk scheinen ihnen schon nach zwei Monaten recht zu geben.

Tichys Einblick Talk vom 15. Dezember 2022
Es wird kalt in Deutschland: Braucht es eine neue Partei?
Ohnehin bröckelt die ursprüngliche Linie der Partei, mit potenziellen neuen Mitgliedern umgehen zu wollen. Noch verteidigt Generalsekretär Stadelmann die Idee, jeden Antragsteller einem Aufnahmegespräch mit ein, zwei oder drei Vertretern des Vorstands unterziehen zu wollen. Da nehme die Partei auch in Kauf, dass sie bundesweit erst 550 Mitglieder habe, obwohl über 1.000 Anträge gestellt worden seien. Doch diese Linie lässt sich kaum halten. Zumindest dann nicht, wenn das Bündnis Deutschland den nächsten Schritt gehen will.

Bei der Wiederholungswahl in Berlin darf die neue Partei aus rechtlichen Gründen nicht antreten. So wird Bremen zum ersten richtigen Test, ob das Bündnis eine Chance hat. Aus eigener Kraft wohl nicht, wie der Vorsitzende Große offensichtlich eingesehen hat. Für die Wahl am 14. Mai in Bremen sei das Bündnis „in guten Gesprächen“ mit der Gruppe „Bürger in Wut“. Das ist eine Absplitterung der Hamburger „Partei Rechtsstaatliche Offensive“, die der einstige Richter und „Big Brother“-Teilnehmer Ronald Schill ins Leben gerufen hat. Die „Bürger in Wut“ holen in Bremerhaven konstant über 5 Prozent, was aufgrund einer Sonderregel im Bremer Wahlrecht für einen Einzug in die Bürgerschaft genügt.

Gelänge dem Bündnis Deutschland eine gemeinsame Kandidatur und dann ein gemeinsamer Einzug mit den „Bürgern in Wut“ in die Bürgerschaft, hätten sie den Kick, den sie brauchen, um ins öffentliche Bewusstsein vorzudringen. Nur haben die „Bürger in Wut“ rund 100 Mitglieder. Das wirft Fragen auf: Kommt es zu einer Fusion? Unter welchem Namen? Und wenn auf einen Schlag 100 Mitglieder in eine 550-Mitglieder-Partei eintreten, müssen die dann alle zum Bewerbungsgespräch mit dem Bündnis-Vorstand? Das sei noch nicht geklärt, sagt Stadelmann. Die Mühen der Ebene. Sie können sich ziehen. Und das Problem der Konservativen: Durch den Ausschluss einer Partei, die bis zu 30 Prozent der Wähler erreicht, bleiben sie weiter ohne SPD und Grüne kaum regierungsfähig.


In einer früheren Version dieses Artikels blieb unerwähnt, dass Lars-Patrick Berg nicht mehr für die AfD, sondern seit 2021 für die LKR im Europäischen Parlament saß.

Anzeige
Die mobile Version verlassen