Die EU-Wahl und drei Landtagswahlen im Osten stehen in diesem Jahr an. Wer wann kandidiert, ist noch unklar. Es gibt ein Potenzial von Millionen Wählern, die mit den etablierten Parteien unzufrieden sind. Doch diejenigen, die Alternativen dazu anbieten wollen, machen sich gegenseitig das Leben schwer – und es so den Linken leicht. Das hat eine Pressekonferenz gezeigt, die das Bündnis Deutschland in Berlin gegeben hat.
Auf dieser Pressekonferenz beschwerte sich der Bundesvorsitzende Steffen Große über Hans-Georg Maaßen. Der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes habe dem Bündnis Deutschland zugesagt, gemeinsam zur EU-Wahl antreten zu wollen. Dass Maaßen jetzt angekündigt habe, dass die Werteunion zur eigenen Partei werden und zu den drei Landtagswahlen antreten wolle, sei nicht das Verhalten eines „Ehrenmannes“.
Das Bündnis Deutschland hat sich vor gut zwei Jahren gegründet. Durch die Zusammenarbeit mit den „Bürger in Wut“ haben sie den Einzug in die Bremer Bürgerschaft geschafft. Wie der Name schon sagt, will die Partei Bündnisse mit anderen Gruppen schmieden, die wie sie aus dem „bürgerlichen Lager“ stammen, wie Große es nennt. Mit Maaßen und anderen Vertretern der Werteunion habe es in Wetzlar entsprechende Gespräche am Rande eines Treffens des „Schwarm“ gegeben. Einem liberal-konservativen Gruppentreffen. Nur müsse kurz vor Weihnachten „etwas passiert“ sein, weshalb Maaßen ankündigte, mit der Werteunion eine eigene Partei zu gründen.
Zur Pressekonferenz in der Schöneberger Straße, am Rande des Regierungsviertels, sind ein Dutzend Journalisten gekommen. Ein Vertreter des mit Steuergeld gefütterten „unabhängigen“ Journalisten-Kollektivs „Correctiv“ will denn auch gleich wissen, wie das Bündnis zu dem zur neuen „Wannsee-Konferenz“ gehypten Treffen in Potsdam stehe. Vertreterinnen von Staatsmedien wie WDR und Deutschlandradio klopfen zu anderen Themen ab, ob das Bündnis auf Kurs ist. Regierungsnahe Medien verkürzen derzeit die politische Debatte auf die Frage: Ampel oder Nazi? Das Bündnis Deutschland spielt das Spiel mit.
„Wir haben mit dem Kreis nichts zu tun“, sagt Große und legt nach: „… und wollen mit dem Kreis nichts zu tun haben.“ Das Bündnis Deutschland wolle keine „AfD 2.0“ werden. Generalsekretär Niklas Stadelmann erklärt, die Partei sehe „eine Marktlücke“ in dem politischen Raum unzufriedener bürgerlicher Wähler, denen die AfD zu radikal ist. Nachdem Große und Stadelmann ihr Bekenntnis abgegeben haben, verlassen die Vertreter von Correctiv und WDR vorzeitig die Pressekonferenz. Mehr interessiert sie an der Politik offensichtlich nicht.
Dem Bündnis Deutschland hilft das Bekenntnis indes nicht. In Bremen behandeln SPD, Grüne und Linke die Partei genauso, wie sie es mit der AfD tun. Sie verweigern ihnen den Posten des Vizepräsidenten oder Sitze in Ausschüssen, obwohl diese dem Bündnis zustehen würden. Und wenn Große und Stadelmann nun auf wohlwollende Berichterstattung durch WDR oder Correctiv hoffen, dürften sie genauso überrascht werden wie vom Verhalten Maaßens.
Das Bündnis Deutschland läuft mit seinem Konzept ins Leere. Das liegt zum einen an der eigenen Schwäche. Der Partei fehlt es an charismatischen Spitzenkandidaten. Als die Vorstände auf der Pressekonferenz aufgefordert werden, sie sollten etwas zu ihrem für die ç vorgesehenen Spitzenkandidaten „Herrn Berg“ sagen, fragen sie nach: „Wer?“
Zum anderen stellen sich die Vertreter des Bündnisses selbst in einen Widerspruch. Sie wollen nicht die „AfD 2.0“ sein, aber ihr designierter Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Lars Patrick Berg, sitzt bereits im EU-Parlament, weil er für die AfD dort reingewählt wurde. Dieses Lavieren zwischen rechts sein und nicht rechts sein wollen, nimmt dem Bündnis jede Schlagkraft.
Stadelmanns Konzept einer Partei, die den eingesessenen Parteien widerspricht, aber seriös wirkt, hat 2017 und 2021 gut für die FDP geklappt, als diese sich gegen die Einwanderungspolitik Angela Merkels (CDU) aussprach beziehungsweise gegen deren Corona-Politik. Doch die FDP hatte Personal, das in den Medien bekannt war und sich dort mehr oder weniger gut schlagen konnte. Diese Vertreter konnten mit einer solchen Differenzierung arbeiten. Ein solches Personal fehlt dem Bündnis aber gänzlich.
Auch in ihrer Außendarstellung fährt die zwei Jahre alte Partei mit angezogener Handbremse. So verteilt sie vor der Pressekonferenz Aufkleber mit Slogans wie „Freiheit. Wohlstand. Sicherheit“ oder „Nicht alles anders machen, aber vieles besser.“ Ein abgetragener, 25 Jahre alter Slogan der SPD und Buzzwörter, mit denen jede Partei schon für sich geworben hat. Das Bündnis Deutschland arbeitet zwar redlich, legt ein rund 90 Seiten starkes Wahlprogramm für Europa vor, verliert sich da aber in Einzelforderungen wie „EU-Widerrufsrecht im Interesse kleiner Firmen reformieren“ oder „Vereinheitlichte Tierschutzstandards auf europäischer Ebene durchsetzen und überwachen“. Das ist sauberes politisches Arbeiten für eine etablierte Partei – für eine Partei mit einem niedrigen Bekanntheitsgrad sind das aber keine Gewinnerthemen.
Die Verantwortlichen wissen, dass mit der Werteunion, dem Bündnis Sahra Wagenknecht oder den Freien Wähler andere Bewerber um die Stimmen der Unzufriedenen da sind. Auch dass die mit Hubert Aiwanger, Maaßen oder Wagenknecht die charismatischeren Anführer haben. Große will das zum einen durch stärkere Geschlossenheit ausgleichen. Zum anderen sieht er seine Partei organisatorisch weiter als die Mitbewerber. So habe das Bündnis die 4000 Unterschriften schon gesammelt, die notwendig sind, um zur EU-Wahl antreten zu dürfen.
Großes Rechnung: Wenn das Bündnis bei der EU-Wahl im Juni zwei oder mehr Abgeordnetensitze in Brüssel gewinnt, haben sie einen Vorsprung in der öffentlichen Aufmerksamkeit und werden sich auch im Herbst bei den Landtagswahlen durchsetzen. Nur: „Die Partei“ des ehemaligen „Heute Show“-Stars Martin Sonneborn ist in Brüssel auch bereits mit zwei Sitzen vertreten und schafft es dennoch kaum, sich öffentlich in Szene zu setzen.
Correctiv und WDR können vorerst guten Gewissens die Pressekonferenz des Bündnisses vorzeitig verlassen. Wer die Ampel stärken will, indem er die Alternativen skandalisiert, für den ist das Bündnis Deutschland keine Gefahr. Dessen Vertreter sind zu naiv und verhalten sich zu ungeschickt auf der öffentlichen Bühne. Doch so schwer sich Rechte oder „Bürgerliche“ auch damit tun, sich aufzustellen – das Wählerpotenzial ist da. Der Frust über den Ampelstaat schrumpft nicht – sondern wächst kontinuierlich weiter. Und irgendwer wird die Stimmen abgreifen. Derzeit macht die AfD das Rennen. Demos und Potsdam-Kampagne helfen ihr dabei mehr, als sie schaden. Sie lassen die AfD wie die entschlossene Alternative wirken.