Tichys Einblick
Ampel-Dämmerung

BSW zum ersten Mal zweistellig – AfD legt wieder zu

Wagenknechts Partei reüssiert, weil sie unterschiedliche Hoffnungen auf sich vereinen kann, ihr Programm sich in einigen Themen mit dem der AfD überschneidet, sie aber in einigen Kreisen als die „anständigere“ Variante gilt. Trotz medialer und exekutiver Kampagnen kann sich die AfD stabilisieren.

Sahra Wagenknecht bei einer Pressekonferenz des BSW im Reichstagsgebäude. Berlin, 25.06.2024

picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopr

Die Zahlen sind eindeutig und mit Blick auf die verschiedenen Meinungsforschungsinstitute ähneln sie einander in der Tendenz. Insa kommt auf folgendes Ergebnis: In der Wählerumfrage liegt die CDU nach wie vor bei 30 Prozent, die AfD legt wieder zu auf 18 Prozent der Wähler, die SPD verharrt bei 15 Prozent, die Grünen bei 11 Prozent, werden aber jetzt dicht gefolgt vom BSW mit 10 Prozent. Andere Umfragen sahen die Grünen schon bei 10,5 Prozent. Das BSW wird zum ersten Mal zweistellig gemessen. Die FDP würde mit 5 Prozent gerade einmal die Fünf-Prozent-Hürde überspringen und die Linke hat mit 3 Prozent ihre besten Zeiten hinter sich.

Vergleicht man die Umfrageergebnisse mit den Wahlergebnissen von 2021, dann kann die AfD mit 7,6 Prozentpunkten die höchsten Zuwächse verzeichnen, gefolgt von der Union mit 5,8 Prozentpunkten. Das BSW war damals noch nicht gegründet. Die SPD hat den höchsten Verlust mit minus 10,7 Prozentpunkten hinzunehmen, gefolgt von der FDP mit minus 6,4 Prozentpunkten und den Grünen mit minus 3,7 Prozentpunkten.

Der Absturz der Grünen fühlt sich dramatischer an, weil die Partei zwischenzeitlich nach der Wahl eine Boom-Phase hatte, in der ihre Werte durch die Decke gingen. Doch für immer mehr Wähler entzaubern sich die Grünen in der Regierung als autoritäre, frühvergreiste Partei der Doktrinäre und Dilettanten, das kein noch so geschicktes Marketing der Welt, und auch nicht die Propagandamacht des öffentlich zwangsfinanzierten, grünen Rundfunks und der grünaffinen Medien auf die Dauer verbergen kann.

Der Aufstieg des BSW als Wundertüte der deutschen Parteienlandschaft ist hingegen leicht zu erklären. Sie reüssiert im linken Lager. Der strategische Fehler der SPD und der Partei der Linken bestand darin, dass sie ihre Wählerklientel vergessen haben und mit den Grünen um die Innenstadt-Woken konkurrieren. Der Stahlarbeiter, der seinen Job verliert, die Arbeiter der Gießerei, die schließen muss, die Mitarbeiter von ZF Friedrichshafen, die Mütter, die an der Kasse von Aldi arbeiten und deren Söhne sich auf dem Schulhof von Göring-Eckardts „Menschengeschenken“ drangsalieren lassen müssen, deren Töchter bedroht sind, haben weder ein Interesse am Gendern, noch Lust, sich ihren sauerersparten Urlaub von Kindern einer grünen Wohlstandsschicht vermiesen zu lassen. Für den Transsexuellen-Karneval fehlt ihnen jegliches Verständnis.

Sie sehen mit Schrecken auf den Kassenbon, wenn sie den Discounter verlassen, was ihr kleiner Einkauf an Summen verschlingt. Sie können auch Habecks Gelassenheit – der einmal sagte: Es ist ja nur Geld – nicht teilen. Es sind diese Wähler, die ihr Kreuz bei BSW oder AfD machen. Und nicht nur sie, zunehmend auch jene, die sich zurecht sorgen, dass die Sicherheit ihres Lebensabends, für die sie ein Leben lang eingezahlt haben, und die Zukunft ihrer Kinder von der Ampel verfrühstückt werden.

Natürlich verfangen die Kampagnen gegen die AfD – und ganz unschuldig ist die Partei auch nicht daran. Aber sie verfangen nur kurzzeitig, nicht dauerhaft. Immer gröbere Mittel werden vom postmodernen Establishment der Roten und Grünen und ihrer Ministranten in der Union benutzt mit dem Ergebnis, dass sie sich immer schneller abnutzen und ihre Medien täglich mehr an Glaubwürdigkeit verlieren. Der Preis ihrer Kampagnen ist sehr hoch, viel zu hoch, denn sie verlieren an Glaubwürdigkeit und beschädigen die Institutionen der Republik, die Gewaltenteilung, die Überparteilichkeit des Staates, des Rechts. Das Grundgesetz, auf das sie sich berufen, gilt ihnen nicht mehr als die Seminararbeit eines Erstsemesters in Jura, an dem sie beliebig herumkorrigieren und verändern können.

Dieses Establishment kann kein einziges Argument vorbringen, keine Politik machen, die annähernd mit dem Kriterium der Wirklichkeit, mit dem Machbaren vereinbar ist. Jetzt greifen sie zu dem ältesten und noch dazu unlauteren Mittel, den politischen Gegner zu unterstellen, dass er die fünfte Kolonne einer feindlichen Macht sei. Weil sie keine Antwort auf den Krieg in der Ukraine haben, außer die Kriegsgefahr für Deutschland zu erhöhen und Deutschland wirtschaftlich zu ruinieren, unterstellen sie, dass die Erfolge von BSW und AfD nur Putins Trollen zu verdanken seien. Wie billig! Der BSW-Politiker Holger Onken hat völlig recht, wenn er twittert:

„Die ständigen Andeutungen, dass die Wahlen in EU Ländern von #Russland aus entscheiden werden ist eine Bevormundung des Volkes durch das Establishment. Ihr habt keinen Erziehungsauftag! Die Menschen können sich ein eigenes Werturteil bilden.“

 

Deshalb verlieren Grüne und SPD in der Wählergunst, weil sie anstatt Politik für ihre Wähler zu machen, statt in der Sache zu argumentieren, meinen, belehren und schurigeln, falsch informieren und einschüchtern zu dürfen. Wenn in ihrem Gefolge jetzt Wirtschaftslobbyisten wie Siegfried Russwurm drohen, dass die Wahl der AfD zum Niedergang der Wirtschaft führen würde, sei daran erinnert, dass weder AfD noch BSW an dem aktuellen Niedergang der deutschen Wirtschaft einen Anteil haben. Siegfried Russwurm als Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp dagegen schon, eines Konzerns, der nach Steuergeldern lechzt, nach Habecks Subventionen. Russwurm und Co. sollten sich in ihrer Funktion als Manager um die Wirtschaft kümmern, nicht aber um Politik, denn als die deutsche Wirtschaft sich das letzte Mal massiv in die Politik eingemischt hatte, waren die Folgen verheerend.

Die FDP wird im Übrigen dafür abgestraft, dass sie ihre Wähler, die sich nach einer liberalen Politik sehnen, gründlich verraten haben. Von der FDP ist keine liberale Politik zu erwarten. Sie schweigt selbst zu dem Rechtsbruch des Compact-Verbots.

Wie tief die Sehnsucht und der Wunsch vieler Bürger nach einer Politik, die ihren, die den Interessen des deutschen Volkes, das – nur einmal daran erinnert – der Souverän der Republik ist, dient, zeigt, dass die AfD trotz medialer und exekutiver Kampagnen und trotz großer Fragen, die Teile ihres Personals aufwerfen, trotz Widersprüchen in der eigenen Programmatik beispielsweise in der Frage der Rente, dennoch wieder mehr Bürger überzeugt, sie zu wählen. Mit anderen Worten: Der Wählerzuspruch zur AfD resultiert aus dem Entsetzen über die Diskriminierungs-, Verschuldungs-, Deindustrialisierungs- und Kriegspolitik der Ampel.

Wagenknechts BSW reüssiert deshalb, weil sie unterschiedliche Hoffnungen auf sich vereinen kann, ihr Programm sich in einigen Themen mit dem der AfD überschneidet, sie aber doch in einigen Kreisen als die „anständigere“ Variante gilt. Viele Wähler, die die Union nicht mehr wählen wollen, weil sie befürchten, Schwarz zu wählen und Grün zu bekommen, aber es nicht über das Herz bringen, ihr Kreuz wegen der Krahs und Höckes bei der AfD zu machen, sehen im BSW eine Alternative.

Dennoch ist es nicht die AfD, von der der Hauptstrom zum BSW kommt, sondern von den Nichtwählern, den Linken, der SPD, den Grünen und auch von der Union, die wiederum Wähler von den Grünen und der SPD bekommt. Deshalb steht sie noch so stabil, weil viele Wähler mit der Union die Vorstellung verbindet, dass die Partei für Vernunft und Solidität steht, Wirtschaftskompetenz besitzt und Experimenten abgeneigt ist. Der Union allerdings wird die Annäherung zu den Grünen gefährlich. Für den BSW werden mit Blick auf die Bundestagswahl die voraussichtlichen Wahlerfolge in den Landtagswahlen im Herbst zur anspruchsvollen Aufgabe, denn dann muss die Wundertüte der deutschen Parteienlandschaft das erste Mal Farbe bekennen: Rot, Grün, Gelb, Schwarz oder Blau?

Allerdings wird uns bis zur Bundestagswahl 2025 noch einiges ins Haus stehen, denn die Ampel wird nicht freiwillig von der Macht lassen. Mit dem Verbot von Compact hat Nancy Faeser schon einmal angedeutet, was „nicht freiwillig“ heißt.


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