Zu Anfang eine kurze Einleitung zum Thema Klatschmagazine, weil ich glaube, dass sich die Leserschaft von TE und die der Brigitte nicht sonderlich überschneiden dürften. Man muss kein großer Experte sein, um das Muster solcher Zeitungen zu durchschauen. In derartigen Frauenzeitungen ist es immer so: das Rezept für die perfekte Buttercremtorte steht direkt neben der Anleitungen zum schnellen Abnehmen und daneben ist ein Artikel, der einen anweist, „ganz manselbst“ zu sein. Dann kommen natürlich noch Tipps fürs Liebesleben, wo dann aus Sternzeichen Sexualratgeber abgeleitet und küchenpsychologische Ratschläge zum Beziehungsleben erteilt werden.
Wie natürlich Propaganda und Klatsch ineinander verschmelzen können, beweist auch das neuste Prachtstück (in der Rublik „Liebe“ zu finden): „An diesem Corona-Merkmal kannst du Psychopathen erkennt“. Jup, unter schweren Formen von antisozialen Persönlichkeitstörungen macht’s die Brigitte nicht. Die Angst, aus Versehen einen Psychopathen zu daten, scheint weit verbreitet unter Frauen zu sein, denn es gibt immer öfter Anleitungen zur Ferndiagnose in Frauenzeitschriften. Dank Corona wird die Beurteilung jetzt um einiges erleichtert und Psychopathen werden „offen sichtbar“ gemacht, wie sich das Magazin ausdrückt. Laut einer Studie der Universität São Francisco, die den Umgang mit den Corona-Maßnahmen unter Berücksichtigung von „Psychopathie, Empathie und Geschlecht“ untersucht haben will, tragen Psychopathen weniger Maske als Empathen. Die Brigitte formuliert das folgendermaßen: „Und tada, es kann so einfach sein: Tatsächlich sollen Menschen mit psychopathischen Zügen das Befolgen der Corona-Maßnahmen eher ablehnen als Empathen.“
Zuvor wurde noch breit ausgeschmückt, dass das gefährliche an Psychopathen ist, dass sie oft nicht als solche zu erkennen sind. Sie sind „Meister der Manipulation und Dominanz“, können oftmals sehr charmant wirken und Gefühle und Bindungen vortäuschen – und hab ich schon erwähnt, dass sie „hochmanipulativ“ sind? Das mag zwar stimmen, aber es hat nicht in erster Linie eine informative Wirkung – es soll die Leser verängstigen. Diese Angst wird direkt mit der total „einfachen“ Lösung verknüpft. Was das wahrscheinlich zur Folge hat, dürfte klar sein: die Kritiker der Maßnahmen werden noch mehr zum Feind stilisiert. Vorher sah man in Menschen ohne Masken einfach nur asoziale Aluhüte, doch jetzt wird man sich bei der nächsten Begegnung unweigerlich die Frage stellen: Könnte ich gerade neben einem Psychopathen stehen? Vor allem wenn die betreffenden Personen dann auch noch freundlich, oder – Gott bewahre – sogar charmant sind, wird man erst recht misstrauisch. Tausende leichtgläubige Frauen, die selbst ihre Sexstellungen nach ihrem Sternzeichen wählen, weil die Brigitte das gesagt hat, werden so auf die Straße gejagt.
Wer es bis dahin noch nicht verstanden hat, der kriegt es dann nochmal in kurzen Sätzen und ganz langsam eingetrichtert. Keine Maske = böse. Auch interessant ist, wie in dem Artikel hier nur zwei mögliche Gründe dafür genannt werden, warum jemand keine Maske trägt – entweder er ist Coronaleugner oder Psychopath (im schlimmsten Falle beides). Bei beiden Fällen wird klar gestellt, dass sie die Gefährdung anderer ohne weiteres in Kauf nehmen und böse Absichten haben. Dass es aber auch Menschen gibt, die aus medizinischen oder psychologischen Gründen keine Maske tragen können, kommt dem namenlosen Autor nicht in den Sinn. Bestimmt weil sie selbst so empathisch ist.
Also seien Sie gewarnt. Wenn Sie das nächste Mal ohne Maske durch die Gegend spazieren und Sie von Frauen misstrauisch beäugt werden, wissen Sie Bescheid. Sollten Sie einem Exemplar einer Brigitte-Leserin über den Weg laufen, begeben Sie sich sofort außer Reichweite! Diäten aus Frauenzeitschriften haben meist biestiges Verhalten als Nebenwirkung.