Das Bundesinnenministerium verweigert Antworten mit gewundenen Formulierungen auf eine eher harmlose Anfrage des Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm (AfD) und öffnet damit das Tor für weiterführende Fragen und sogar für legitime und begründete Spekulationen. Offensichtlich hat Holm einen sensiblen Nerv getroffen. Der Eindruck verstärkt sich, dass Nancy Faeser inzwischen glaubt, über der Demokratie zu stehen.
Man erinnert sich daran, auch wenn es vergessen werden sollte, wie die Bundesinnenministerin in der Schönbohm-Affäre bedenken- und skrupellos einen untadeligen Beamten abberief, weil ihr seine fachliche Meinung und sein Verantwortungsbewusstsein nicht passten und sich hierfür sogar des Bundesamtes für Verfassungsschutzes bediente. Das Handlungsmuster im Umgang mit dem Beamten Arne Schönbohm scheint sich in noch viel groteskerem Ausmaß in der Correctiv-Affäre zu bestätigen.
Vieles spricht dafür, dass sich das Bundesamt für Verfassungsschutz, das laut Aussage seines Präsidenten seine Aufgabe darin sieht, in die Wahlen einzugreifen und die Zustimmungs- und Wahlwerte der Opposition zu senken, immer stärker zu Faesers Privatpolizei im Kampf gegen den politischen Gegner entwickelt – und der steht für die Ministerin rechts von den Grünen und der ihnen folgenden SPD. Neutralität der Institutionen und Ämter des Staates dürfte für sie ein Fremdwort sein. Instrumentalisiert die Bundesinnenministerin das Bundesamt für Verfassungsschutz zu parteipolitischen Zwecken und wird unter Nancy Faeser das Bundesinnenministerium zu einem Ministerium des Inneren, das die Gewaltenteilung missachtet?
Ein Blick auf die Details und auf Holms Anfrage lässt die Umrisse des Skandals sichtbar werden. Die regierungsnahen Medien werden nicht müde, die Behauptung zu verbreiten, dass nicht das Agieren des Bundeswirtschaftsministers, sondern die AfD den Wirtschaftsstandort gefährden würde. Es ist allerdings nicht bekannt, dass Robert Habeck heimliches Mitglied der AfD ist. Als Grund wird gern angeführt, dass Fachleute – besonders mit Migrationshintergrund – das Land verlassen oder nicht einwandern, weil sie Angst vor der Politik der AfD hätten, weil sie befürchten würden, „deportiert“ zu werden. Als Beleg dafür wird das Treffen von ein paar Privatleuten am 25. November 2023 in Potsdam angeführt, wo angeblich über Deportation von Millionen Deutschen mit Migrationshintergrund gesprochen worden sein sollte. Als dieser Fake platzte, wollte Correctiv das nie behauptet haben.
Nichts ist von den Anschuldigungen, von dem, was Correctiv gemutmaßt, behauptet, phantasiert, interpretiert oder insinuiert hat, von Bestand. Doch genau diese Machination wurde benutzt, um Aufmärsche im großen Stil im Grunde gegen die Demokratie und gegen die Meinungsfreiheit zu organisieren. Selbst Kultusministerinnen aus der CDU schreckten nicht davor zurück, Lehrern nahezulegen, zu den Aufmärschen zu gehen und die Schüler mitzunehmen. Es waren jedoch weder die AfD noch die Privatleute an diesem Wochenende in Potsdam, die über Geheimpläne und Deportationen faselten und damit den Wirtschaftsstandort in Misskredit brachten, sondern Correctiv und alle Medien, die auf die Zeitungsente von Correctiv nur allzu gern aufgesprungen waren – und auch die Regierung.
Noch am 26. Januar 2024 schreibt die ZEIT: „Mit Blick auf das Potsdamer Treffen von AfD-Vertretern und anderen Rechtsextremisten unter Einschluss von Mitgliedern der CDU im vorigen Herbst, auf dem Pläne zur ‚Remigration‘ von Migranten geschmiedet wurden, sagte Faeser: ‚Hier ging es um rassistische Deportationsfantasien, aber zugleich auch um das Sammeln von Geld, um die dahinterliegenden menschenverachtenden Ideologien weiterzutragen.‘ Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft massenhaft aus Deutschland vertreiben zu wollen, sei ein Angriff auf die Menschenwürde und damit auf die Grundfesten der deutschen Gesellschaft.“ Das stimmt, nur wurde das nicht von den Privatleuten geäußert, sondern Nancy Faeser behauptet, dass sie es formuliert hätten. Wenn Nancy Faeser einen Beweise dafür besitzt, dass die Teilnehmer des Treffens von Deportationen von Millionen Mitbürgern mit Migrationshintergrund gesprochen und einen Geheimplan entwickelt haben, soll sie diese offenlegen. Andernfalls besitzt sie keine Beweise und unterstellt unbescholtenen Mitbürgern Ungeheuerliches.
Spätestens am 28. Januar begann jedoch bei Correctiv das Correctiv-Löschfestival, als die stellvertretende Correctiv-Chefredakteurin, Anette Dowideit im ARD-„Presseclub“ behauptete: „Wir haben auch nicht von Deportation gesprochen. Das wurde dann von denen, die es interpretiert haben, verwendet.“ Diejenigen, „die es interpretiert haben“, waren dann wohl der Bundeskanzler und die Bundesinnenministerin? Wenn aber sowohl der Bundeskanzler, als auch die Bundesinnenministerin an Behauptungen und Formulierungen von Correctiv festhalten, obwohl Correctiv schon zum eigenen Korrektiv geworden ist, sich korrigiert hatte, dürften sie ein großes Interesse an dieser Zeitungsente haben. Oder sie besitzen Erkenntnisse aus anderen Quellen, doch darüber schweigen sie. Besäßen sie aus anderen Quellen Informationen, hätten sie diese längst benannt und sie würden durch ihre willigen Medien rasen.
Das wollte der AfD-Abgeordnete Leif-Erik Holm von der Bundesregierung wissen und fragte das Faeser-Ministerium deshalb:
Hatten Mitglieder der Bundesregierung noch andere Quellen oder Informationen als den Bericht „Geheimplan gegen Deutschland“ des Journalistenverbunds „Correctiv“ vom 10. Januar 2024, der sie zu Aussagen veranlasste, auf einer „Geheimkonferenz“ in Potsdam hätten „Extremisten“ darüber beraten, „wie sie Millionen Menschen aus unserem Land vertreiben können“ sowie einen „teuflischen Pakt“ und „abstoßende Umsiedlungspläne“ geschmiedet (Bundeskanzler Olaf Scholz, 19. Januar 2024) oder bei dem Treffen in Potsdam sei es um „rassistische Deportationsfantasien“ (Bundesinnenministerin Nancy Faeser, 26. Januar 2024) gegangen, die zum Ziel hätten, „Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren“ (Bundesinnenministerin Nancy Faeser, 20. Januar 2024), und wenn nicht, halten Sie an diesen Aussagen fest, auch wenn „Correctiv“ laut Medienberichten mittlerweile anwaltlich vor dem Hamburger Landgericht angegeben hat, von den Teilnehmern des Potsdamer Treffens sei nicht weiter erörtert worden, „welche Möglichkeiten bestehen, aktuell deutsche Staatsbürger mit deutschem Pass unmittelbar auf Grundlage rassistischer Kriterien auszuweisen“?
Die Antwort des Bundesinnenministeriums, die TE vorliegt, lässt in einen Abgrund schauen. Das Bundesinnenministerium antwortete doch tatsächlich: „Nach sorgfältiger Abwägung ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage aufgrund entgegenstehender überwiegender Belange des Staatswohls nicht erfolgen kann.“ Die Antwort auf die Frage, auf welchen Erkenntnissen aus welchen Quellen sich die Bundesregierung stützt, um fahrlässig den Wirtschaftsstandort schlecht zu reden, Ängste zu schüren, Zwietracht zu säen, die Rechte der Bürger in Notverordnungsgesetzen auszuhebeln, gefährdet das Staatswohl? Die Wahrheit darüber, aus welchem Grund viele Menschen sich an den Aufmärschen beteiligten, gefährdet das Staatswohl? Die Wahrheit gefährdet das Staatswohl? Begibt sich ein Staat, der in der Wahrheit eine Staatswohlgefährdung sieht, in die Lüge? Wenn es so ist, wird dann die Lüge zur Grundlage des Staatswohls?
Aber es kommt noch dekuvrierender: „So können aus der Beantwortung, ob Mitglieder der Bundesregierung noch andere Quellen oder Informationen als den Bericht des Recherchenetzwerks Correctiv zu der genannten konkreten Veranstaltung vorlagen, Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand des BfV und ggf. die nachrichtendienstlichen Methodiken und Arbeitsweisen ermöglicht werden….“
Würde sich bei einem Abgeordneten der Regierungskoalition oder der Union ein demokratisches Gewissen melden, so würde er unter seinem Namen Holms Anfrage erneut an das Bundesinnenministerium stellen, denn hier geht es längst nicht mehr um Parteipolitik, sondern um die Fundamente der Demokratie. Frei nach dem Satz, der Voltaire zugeschrieben wird, könnte dieser wahrhaft demokratisch empfindende Abgeordnete zum Abgeordneten Holm sagen: Sie sind der politische Gegner, ich verabscheue Ihre Partei, aber mit Ihrer Anfrage haben Sie recht, deshalb stelle ich sie jetzt.
Es wird noch gespenstischer, denn das Faeser-Ministerium antwortete weiter raunend und schwurbelnd: „Ist eine Frage – wie im Falle der dieser Beantwortung zugrundeliegenden Anfrage – auf eine bestimmte Veranstaltung mit einem bestimmbaren Teilnehmerkreis sowie einem bestimmbaren Kreis an Personen bezogen, die vorab Kenntnis von einer bestimmten Veranstaltung gehabt haben, so könnten aus einer Beantwortung Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftige Informationen gezogen werden.“
Im Klartext heißt das: Die Beantwortung der Frage, ob ein „bestimmter Kreis von Leuten“, nach dem Wortlaut der Anfrage also Olaf Scholz und Nancy Faeser, „vorab Kenntnis von einer bestimmten Veranstaltung“ gehabt haben, also vom Treffen der Privatleute in Potsdam, kann Rückschlüsse auf „geheimhaltungsbedürftige Informationen“ liefern, zum Beispiel, wann Scholz oder Faeser Informationen über das Potsdamer Treffen vor der Veröffentlichung von Correctiv besaßen. Waren Scholz und/oder Faeser vorab informiert worden: ja oder nein? Vom Verfassungsschutz etwa? Hat Nancy Faeser Anweisungen über das weitere Vorgehen erteilt? Wieder stellt sich die alte Frage: Warum ging Correctiv weder im November noch im Dezember, sondern erst im Januar, als die Regierung wegen der Bauernproteste in Not geriet, mit der Geschichte an die Öffentlichkeit?
Es wird aber noch fragwürdiger, denn das Bundesinnenministerium sagt ausdrücklich, dass die „erbetenen Informationen … gerade auch Akteure aus dem parlamentarischen Raum betreffen und dem Schutzbedarf nicht gerecht“ werden würden. Heißt dass, Correctiv hätte Parlamentarier bespitzelt und abgehört? Hat das Bundesamt Parlamentarier bespitzelt und abgehört? Die Antworten wecken inzwischen Erinnerungen an den Watergate-Skandal. Allerdings funktionierten in den USA die demokratischen Mechanismen.
Weiter heißt es: „das Fragerecht der Abgeordneten“ müsse „aus Staatswohlgründen gegenüber den Geheimhaltungsinteressen der Bundesregierung zurückstehen“. Was hat die Bundesregierung zu verheimlichen? Mehr noch, aus der Beantwortung der harmlosen Frage: „Hatten Mitglieder der Bundesregierung noch andere Quellen oder Informationen als den Bericht ‚Geheimplan gegen Deutschland‘ des Journalistenverbunds ‚Correctiv‘ vom 10. Januar 2024 …?“, resultiert für das Bundesinnenministerium eine „Beeinträchtigung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“. Wie tief sind die Verbindungen der Bundesregierung zu Correctiv?
Wir dünnhäutig man bei Correctiv inzwischen ist, belegt ein Post des Chefredakteurs von Correctiv, David Schraven über den Anwalt Brennecke, der gegen Corrrectiv vor Gericht einen Erfolg erzielt: „Ihre PR-Arbeit Herr Brennecke ist schäbig.“
Bei Correctiv ist man offensichtlich überfordert, mit dem Skandal umzugehen, den man erzeugt hat. Deshalb soll nun eine PR-Agentur Correctiv davor retten, unter dem Kartenhaus, das zusammenstürzt, begraben zu werden, eine Agentur zu dessen Mitarbeitern der Ehemann von Annalena Baerbock gehört. Aber Robert Habeck hat uns schon zur Beruhigung wissen lassen: „Der Staat macht keine Fehler.“