Tichys Einblick
Bewaffnete Drohnen

Der Krieg in Bergkarabach und die Konsequenzen für die Bundeswehr

Die Dynamik auf dem Sektor Drohnen wird mit keiner deutschen Entscheidung auch nur verzögert. SPD-Funktionäre tun sich wieder mal schwer mit der Realität.

imago images / Deutzmann

Die Anschaffung bewaffneter Drohnen gerät zur Politposse. Die in Berlin mitregierenden Sozialdemokraten verweigern ihre vorher angedeutete Zustimmung. Das Theater wurde nun Fritz Felgentreu zu viel: Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion stellte sein Amt aus Protest zur Verfügung. Bergkarabach belegt, dass Kriege heute mit Drohnen entschieden werden und Soldaten ohne deren Schutz vermeidbar sterben.

SPD-Funktionäre tun sich schwer mit der Realität. Im Sommer noch wurde signalisiert, dass für die Bundeswehr vorgesehene israelische Leasing-Drohnen vom Typ Heron TP bewaffnet werden können. Nun die Kehrtwende der Parteiführung: Norbert Walter-Borjans erklärte, dass in dieser Legislaturperiode eine Entscheidung nicht mehr getroffen werden könne. „Die Grenze zwischen der Verteidigung von Leib und Leben unserer Soldaten und Töten per Joystick ist hauchdünn“, erklärte der SPD-Chef und kritisierte, dass noch nicht ausreichend über das Thema debattiert worden sei. Fraktionschef Mützenich stimmte inzwischen in das missgestimmte SPD-Lied ein. Aus der Bewaffnung der Drohnen wird vorläufig nichts.

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Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer reagierte mit Unverständnis auf die roten Kapriolen. Bekomme die Bundeswehr keine Kampfdrohnen, „setzen wir fahrlässig das Leben von … Soldaten aufs Spiel“. Diese hatten wiederholt ihre Hilflosigkeit angesichts von Angriffen auf Lager oder Patrouillen geschildert, die mithilfe von Aufklärungsdrohnen zwar beobachtet, aber nicht bekämpft werden können. In Gefahrensituationen müssen erst Kampfflieger angefordert werden, was wertvolle Zeit kostet. In ihren Einsätzen in Afghanistan und Mali setzt die Bundeswehr bisher die unbewaffnete Heron 1 ein, eine Vorgängerversion der Heron TP.
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Nicht nur bei eigenen Fachleuten wie dem MdB Felgentreu, auch in der Opposition herrscht völliges Unverständnis über die rückwärtsgewandte Funktionärs-SPD. Jahre wurde über das Thema kontrovers diskutiert. „Die Argumente in dieser Frage sind ausgetauscht“ so der Grüne Tobias Lindner am 9. Dezember 2020 in der Bundestagsdebatte über den Wehretat. FDP-MdB Agnes Strack-Zimmermann assistiert: „Zu behaupten, die Debatte über bewaffnete Drohnen hätte nicht genügend stattgefunden, ist schlichtweg unverschämt und eine Beleidigung …“. Die AfD forderte mit einem eigenen Antrag die Einführung von Kampfdrohnen.

Zur Erinnerung: Die im Koalitionsvertrag von 2018 vorgesehene Debatte vor der Einführung bewaffneter Drohnen hatte im Bundesministerium der Verteidigung in Form einer Veranstaltungsreihe stattgefunden. Die völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen und ethischen Aspekte wurden ausführlich diskutiert. Aus der SPD-Fraktion wurde daraufhin die Zustimmung zur Einführung bewaffneter Drohnen in Aussicht gestellt.

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In Afghanistan hätten derartige Fluggeräte bereits als Schutzschirm für Patrouillen dienen und deutsche Soldatenleben retten können. Selbst die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz liegen vor. Nach den Vorgaben des Verteidigungsministeriums wäre die Nutzung von Kampfdrohnen von einem militärischen Entscheidungsträger „unter Hinzuziehung eines Rechtsberaters“ zu genehmigen – außer in Fällen von Selbstverteidigung! Damit ist die Schwelle zu deren Einsatz bereits so hochgesetzt, dass ein sachgerechter Einsatz in einer kriegerischen Umgebung kaum noch möglich ist. TE hatte zuletzt am 20. Juli berichtet.
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SPD-Linke interessiert das alles nicht, ihre weltfremden Sprüche zielen auf das heimische Wahlpublikum. Das sich allerdings mit Grausen mehr und mehr abwendet. Die Erdkugel dreht sich jedoch auch ohne Zustimmung linker Realitätsverweigerer weiter, sie wartet nicht auf deren vielfach gewundene Rittberger. Aus dem Krieg um Bergkarabach kursieren Berichte im Netz, die neueste Entwicklungen auf dem Kriegsschauplatz zeigen. Der flächendeckende Einsatz unbemannter Fluggeräte war demnach kriegsentscheidend. Eine unschwer vorherzusehende Entwicklung: Handelsübliche „Baumarkt-Drohnen“ sind inzwischen steuerungstechnisch so leistungsfähig wie vor kurzem noch aufwendiges Militärgerät.

Im aktuellen Konflikt konnte Aserbaidschan auf eine breite Palette unbemannter Starrflügler zurückgreifen, die aus Israel und der Türkei beschafft wurden. Die azerische Seite setzte bewaffnete Drohnen ein, die – in Teilen mit Kampfmitteln ausgestattet – kamikazegleich nach Such- und Warteflügen angriffen. Deren Einsatz in großen Stückzahlen machte den entscheidenden Unterschied. Das Gefechtsgeschehen wurde mit den Aufklärungssensoren und bordeigenen Luft-Boden-Waffen dieser Kleinfluggeräte zu einer einseitigen Angelegenheit. Mit deren Hilfe wurden reihenweise Raketenwerfer, Artilleriesysteme, Panzer und russische S-300 Flugabwehrsysteme zerstört. Nicht das modernste Material, aber immerhin (Siehe Europäische Sicherheit – Strategie & Technik, Ausgabe 12/2020, Seite 26 ff.; Detaillierte Aufstellungen über zerstörtes Militärgerät beider Konfliktparteien siehe).

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Armeniens Soldaten als Drohnenopfer Bilder ganzer Gruppen toter armenischer Soldaten finden sich im Internet. Verkohlte Körper, oder das, was davon übrig geblieben ist. Türkische Nationalisten an der Seite Aserbaidschans im Kriegsrausch: Der Genozid an den Armeniern zeigt auch nach über 100 Jahren noch seine hässliche Fratze. Für die armenischen Soldaten wirkte allein schon die Dauerpräsenz von Drohnen demoralisierend. Truppen feuerten aus ihren Deckungen heraus mit Sturmgewehren auf unscheinbare, aber gleichzeitig bedrohliche Punkte am Himmel. Die Bilder ähneln denen von Infanteriekompanien im Ersten Weltkrieg, die mit Karabinern auf gegnerische Flugzeuge schossen. Heute wie damals wenig erfolgreich, moderne Drohnen haben eine noch sehr viel geringere Signatur.

Zum Einsatz kamen unterschiedliche Drohnentypen aus verschiedenen Ländern. Geräte vom Typ »Harop« mit einem 23 kg Sprengstoffpaket an Bord stammen von Israel Aircraft Industries; sie kreisen bei Bedarf stundenlang über einem vorgegebenen Gebiet, wählen ein Ziel aus und stürzen sich kamikazegleich darauf. Eine preisgünstige Möglichkeit der Luftnahunterstützung für Länder, die sich für ihre Luftwaffen keine bemannten Jagdbomber oder Kampfhubschrauber leisten können oder wollen.

Die Türkei hat inzwischen einen ganzen Kaufhauskatlog an Drohnentypen im Angebot, die ihren Weg in die Kriegs- und Krisengebiete dieser Welt finden. Türkische Bayraktar (deutsch: Fahnenträger) TB2-Fluggeräte stellten bereits in Libyen ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis. Sie können mit bis zu acht Luft-Boden-Raketen bestückt werden und mehr als 24 Stunden in der Luft bleiben: aufklären und angreifen in einer Mission. Die Kampfmaschinen blieben von armenischen Flugabwehrsystemen unentdeckt. Störmaßnahmen im elektromagnetischen Feld dürften mit für den effektiven Einsatz gesorgt haben. Siehe hier sowie hier.

Conclusio – militärisch

Die Erkenntnisse aus diesem ersten Drohnenkrieg der Geschichte sind ernüchternd. Während sich die Europäer an großen Waffensystemen wie dem Future Combat Air System (FCAS) versuchen und womöglich verheben, geht die Entwicklung in eine ganz andere Richtung. Mit vergleichsweise günstigen Drohnenschwärmen können militärische Stellungen jeglicher Art bekämpft und ausgeschaltet werden. Einzelne Panzer sind damit genauso zerstörbar wie ganze Fahrzeugkolonnen. Selbst komplexe Flugabwehrsysteme können damit saturiert und ausgeschaltet werden, Flugplätze nicht minder.

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Drohnensysteme mit entsprechender Sensorik sind rund-um-die-Uhr einsetzbar, auch ein zerklüftetes Gefechtsfeld ist kein Hindernis. Schlimmer noch, der Aufklärung kann die Bekämpfung Tag wie Nacht auf dem Fuße folgen. Die Chinesen bieten beispielsweise inzwischen sogenannte Killerdrohnen an, die höchst leistungsfähig selbst an US-amerikanische Systeme heranreichen. Mit handelsüblichen Steuerungsmöglichkeiten von unbemanntem Fluggerät hantieren inzwischen auch Terroristen.

Und künftig kann sich die fast jeder leisten. Drohnen verursachen nur einen Bruchteil der Beschaffungskosten bemannter Systeme und einen vergleichsweise geringen Ausbildungs- und Inübungshaltungsaufwand für die Bedienmannschaften. Nicht zuletzt beweist die Türkei, dass inzwischen selbst Schwellenländer derartige Systeme beherrschen. Erdogan rühmte sich damit, dies sei seine Antwort auf die Weigerung diverser US-Präsidenten, unbewaffnete, noch gar bewaffnete Systeme zu liefern: „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht. Wir stellen nun selbst sowohl bewaffnete als auch unbewaffnete Drohnen her.“ Nur so viel zum deutschen Reizthema Rüstungsexport.

Conclusio – politisch

Die Sozialdemokraten hinken einer unaufhaltsamen Entwicklung mal wieder hoffnungslos hinterher. Sie zerstreiten sich in der krampfhaften Suche nach einer gangbaren Linie zwischen dem pazifistischen Extrem und der bösen Realität, währenddessen in aller Welt mit dem Einsatz von Kampfdrohnen Fakten geschaffen werden. Dabei ist den SPD-Bedenkenträgern angesichts der Erfahrungen um Bergkarabach in Teilen sogar zuzustimmen. Mit dem Fortschreiten der technischen Möglichkeiten auf vielen Gebieten wird ein mehr oder weniger automatischer Krieg nach und nach möglich. Automatische Systeme können künftig in großer Stückzahl ganze Gefechtsfelder überwachen und den Feind nach vorher eingestellten Kriterien bekämpfen.

Das ist keine erfreuliche Entwicklung, man mag diese neue Art von Kriegführung verurteilen. Was Walter-Borjans, Mützenich und Co. aber nicht kapieren wollen: Die Dynamik auf diesem Sektor wird mit keiner deutschen Entscheidung auch nur verzögert. Die Technologie hat sich offenbar durchgesetzt. Auf eine internationale Ächtung zu warten, ist keine Lösung. Wenn die Bundeswehr nicht völlig den Anschluss verlieren soll, wird sie nachrüsten müssen. Und zwar nicht nur mit der bewaffneten Heron TP, sondern mit Kleindrohnen großer Zahl für verschiedene Aufgaben. Nicht nur zum Nutzen unserer Soldaten, sondern auch zum Schutz unseres Landes vor den Anfeindungen einer unberechenbaren Welt.

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