Am Sonntag-Abend saßen wir zusammen – Elli, unsere beiden Lieblingskinder und ich. Die werte Gattin erzählte von den Tagen und Stunden, bevor unsere Erstgeborene zu eben dieser wurde. Es hatte seinen Grund. Heute vor dreizehn Jahren kam unser Tochterherz in diese Welt und erfreut uns seitdem mit einem ununterbrochenen Strom guter Laune und freundlichen Gehorsams (okay, dass sie zur Welt kam, das stimmt, und dass sie uns erfreut, das stimmt auch).
Heute früh standen Elli, der Herr Sohn und ich extra früh auf. Ich stehe sowieso immer extra früh auf, um die Schreibarbeit des Tages vorzubereiten – in der Morgenfrühe denkt es sich klarer, so hoffe ich – doch Elli und Sohn standen früher auf, um das Wohnzimmer geburtstaglich zu schmücken. Transparente Luftballons mit Glitterherzchen darin, ein Schriftzug und anderer Dekokram, nicht »over the top«, klar, aber sehr hübsch und sogar passend zum dezenten Weihnachtsbaum (mit dem mich die Familie letztens überraschte) – dazu ein paar symbolische Geschenke, natürlich, was Frau Mama eben so vorbereitet, damit sich Töchterlein geliebt fühlt.
Wir sangen »Happy Birthday« und frühstückten von Elli und Leo gebackene und verzierte Geburtstagsmuffins, wir machten ein paar Fotos und umarmten das Geburtstagsmädchen – und dann ging es zur Schule. Das Leben geht weiter, ach, eigentlich fängt es gerade erst an.
Die Tochter ist 13 Jahre alt, was heute bedeutet, dass sie sich legal bei diversen Social-Media-Sites anmelden dürfte – wenn der Papa das erlauben würde, was er erst einmal gewiss nicht tun wird (ja, ich weiß, dass einige Freundinnen von ihr schon länger dort unterwegs sind).
Als Elli gestern von den Tagen und Stunden um die Geburt der kleinsten Größten berichtete, spürte ich aufs Neue, was jeder Vater und jede Mutter gewiss kennen, diesen verwunderten Schock darüber, wie schnell die Zeit verging.
Eben erst kündigten wir meinen Eltern und Großeltern an, dass sie ihr erstes Enkel- und Urenkelkind bekommen würden (woraufhin meine Mutter jubelte und durch den Raum titschte, während mein Vater in Tränen ausbrach) – und nun ist der Abstand zwischen der Geburt und Heute doppelt so groß wie der Abstand zwischen Heute und der Berufswahl. Es ist, als hätte man kurz mit den Augen gezwinkert und schon wird aus dem Säugling, dem du eben erst den Kinderwagen ausgesucht hast, ein »Teenager«.
In den letzten Monaten hat die Tochter begonnen, uns um unsere Meinung zu fragen, welchen Beruf sie anstreben soll, wie sie ihre Zukunft planen soll, wo und wie sie leben soll.
Es muss ihre Entscheidung sein, doch das ist nicht der einzige Grund, warum ich mit Antwort und Ratschlag zögere, mir geradezu schwer tue. Der eigentliche Grund ist schlicht: Ich bin mir täglich weniger sicher, was ich raten sollte. Die Zukunft gehört heute zu jenen Künsten, von denen man umso weniger weiß, je mehr man sie studiert.
Mr. Allzweck, USA und China
Während ich diese Gedanken notiere, höre ich vom »Milliarden-Raub« in Dresden. »Aus den Staatlichen Kunstsammlungen, der Schatzkammer von August dem Starken, wurde offenbar antiker Schmuck im Kunst-Wert von etwa einer Milliarde Euro geklaut«, schreibt bild.de, 25.11.2019. Die Täter sind auf der Flucht, Polizei und Medien versuchen zu verstehen, was überhaupt passiert ist.
Man fragt sich ja beinahe, ob die Leute hinterm »Milliarden-Raub« von Dresden es als Metapher für den Zustand Deutschlands gedacht hatten. Millionen und Abermillionen an Wert, erstmal futsch, einfach so. Man seufzt, und ist müde, so müde – und es ist natürlich nicht die einzige Meldung heute.
Im Kanzleramt scheint man merkwürdig besessen darauf, das deutsche G5-Netz für den chinesischen Konzern Huawei zu öffnen. Sogar im Ausland bemerkt man die Versessenheit der ehemaligen FDJ-Sekretärin, siehe etwa bloomberg.com, 19.11.2019: »Merkel Chooses China Over Her Own Party on Huawei« (in etwa: Merkel entscheidet sich für China statt für ihre eigene Partei). Man hat bald das Gefühl, dass Merkel und ihr engster Kreis ihre »relevanten Strukturen« recht klar festgelegt haben, und es erschließt sich mir nicht unmittelbar, wie deren »Ordnung« mit dem Amtseid in Einklang zu bringen ist. Im Staatsfunk verglich Merkels »Mr. Allzweck«, Peter Altmaier (aktuell Wirtschaftsminister, aber spielt das eine Rolle?), allen Ernstes die USA mit China, und man würde ja auch nicht amerikanische Unternehmen wegen der NSA-Affäre ausschließen (siehe bild.de, 25.11.2019). Wir haben in der Vergangenheit das Muster bemerkt, dass Merkels Handlungen immer wieder direkt oder indirekt zum Schaden für Deutschland und zum Nutzen für China sind, von Atomausstieg bis Grenzöffnung (siehe etwa »Deutschland trinkt, um zu vergessen, dass es trinkt«), und es ist ein Muster, das aktuell nicht abzureißen scheint (ein Verschwörungstheoretiker würde vom Muster auf Absicht und Plan schließen, aber ich bin kein solcher Theoretiker, ich halte noch immer Unfähigkeit in allem außer Machterhalt, gepaart mit Abwesenheit von Gewissen, zumindest in der Art wie ich das Konzept »Gewissen« verstehe, für einen validen Erklärungsansatz).
Neben der Frage, was Merkel treibt und warum sie das Land für den sozialistischen Bruderstaat der DDR so sperrangelweit öffnen möchte, könnte man fast die zugrunde liegende Meta-Frage übersehen: Warum stellt sich die Frage überhaupt? Ist Deutschland denn nicht in der Lage, die Technologie selbst herzustellen auf einem derart hohen Qualitäts-Niveau, dass sich die Frage nach chinesischer Technologie gar nicht stellen könnte?
»Wir sind Papst« titelte die BILD-Zeitung mal, und wir könnten heute sagen: Wir sind Dresden. Deutschland fühlt sich an wie ein ausgeraubtes Land – und die, die sich wehren, gelten als böse.
Während Frau Merkels Herz für den Sozialismus in der Ferne zu schlagen scheint, erwärmt sich die Jugend der SPD für den Sozialismus in Deutschland, und ihre Begründung ist exakt so tiefsinnig, wie man es von Linken und Staatsfunk-Zuschauern heute erwarten würde: »Mich fuckt die Gesellschaft irgendwie total ab« (welt.de, 24.11.2019).
Apropos Sozialismus: Ganz im Stil (und in der Heimat) des Sozialismus nationaler Prägung geben sich sich aktuell gewisse Öko-AKtivisten. 1936 wurden im Olympiastadion Berlin die olympischen Spiele abgehalten, als große Propaganda-Veranstaltung für Hitler und die NSDAP. 2020 wollen von Fridays-for-Future bekannte Gestalten am selben Ort eine politische Großveranstaltung abhalten – und so laden sie dazu ein:
Stell dir vor, es gibt ein riesiges Stadion. Darin befinden sich 90.000 Weltbürger*innen, die genau das Gleiche wollen wie du. Ein riesiger Kreis. Eine Bewegung. Eine Veränderung. (startnext.com/12062020, abgerufen 25.11.2019)
So sind sie halt, die sogenannten »Guten«. 90.000, »die genau das Gleiche wollen wie du« – hui, sind wir schon wieder so weit? Dürfen wir Extinction-Rebellion-Mitgründer Roger Hallam als Stargast erwarten, damit er uns erklärt, der »Klimawandel« sei »nur das Rohr, durch das Gas in die Gaskammer fließt« (welt.de, 21.11.2019)?
Wir haben schon länger notiert, dass sich die angeblichen »Guten« auffällig oft der Sprache und der Methoden der echten Nazis bedienen – und es wird nicht weniger.
Es gibt einiges, dass diejenigen, die heute überall »Nazis« sehen, mit den echten Nazis gemeinsam haben, und sie kennen selbst gegenüber Kindern wenig Gnade, wenn die Eltern von der »guten« Parteilinie abweichen (maz-online.de, 24.11.2019).
Deutschland fühlt sich an wie ein Land, das unter die Räuber gefallen ist, das täglich neu geplündert wird – und wer das zu kritisieren wagt, der wird fertiggemacht.
Das Fundament, auf das wir einst unser Leben bauen wollten, von dem wir unseren Kindern vorschlagen wollten, dass auch sie es sich selbst zur Grundlage ihrer Lebensentscheidung nehmen, wird von Dummheit und Propaganda ausgehöhlt.
Meistens gehört es sich ja nicht, dem Opfer die Schuld zu geben – doch soll man eine Ausnahme machen, wenn es um ein ganzes Land geht? Es wird seinen Grund haben, warum auf manchen deutschen Schulhöfen die Deutsche Minderheit nicht nur rassistisch als »Kartoffel« und »Alman« beleidigt wird, sondern auch als »Opfer« tituliert.
Das Reden von »Schuld« ist ein Konzept von Christentum und Gesetzen, also lassen wir es hier außen vor, reden wir von Kausalität. Welche Kausalitäten führten dazu?
Die Hand zu halten
Anders als Merkel oder Altmaier habe ich Kinder, und damit reicht meine Sorge um die Zukunft über mich selbst und mein Leben hinaus. Ich weiß nicht, wie die Welt meiner Tochter aussehen wird. Ich bin nicht reich geboren wie einige der Akteure hinter einigen der Aktionen im Namen des Naturschutzes. Ich kämpfe und denke, so gut ich kann, und ich kämpfe nicht nur für mich, ich denke nicht nur an mich.
Welchen Beruf soll sie lernen? Wo soll sie leben? Welche Moral soll sie für sich annehmen? Was kann ich tun, um ihr die Hand zu halten, wenn ich nicht mehr da bin?
Ich weiß nicht, was die Zukunft bringen wird. Ich hoffe, dass sie gut wird. Ich versuche, ein paar kluge Werte, Worte und Gewohnheiten weiterzugeben. Etwa: Gehe jeden Tag klüger zu Bett als du aufgewacht bist. Erwirb Fähigkeiten, die den Menschen nutzen. Bedenke, dass jeder Tag nur einmal kommt. Nichts ist nur deshalb wahr, weil du es sagst. Wisse, was und wer dir wichtig ist – und handle danach.
Ich weiß nicht, was die Zukunft bringen wird. Öffentliche Dummheit und die Skrupellosigkeit der Eliten bereiten mir große Sorgen. Ich habe einige Werte, und an denen will ich festhalten, so viel weiß ich immerhin.
Neben all den emotionalen und ethischen Aspekten hat es auch einen praktischen Vorteil, Kinder zu haben und sich an ihrer Erziehung zu versuchen: Eine der besten Arten, etwas zu lernen, besteht darin, eben dies zu lehren. Meine Kinder aufs Leben vorzubereiten bedeutet eben auch, mir selber »die Kunst des Lebens« neu beizubringen, immer wieder. Weiß ich denn selbst, worin »die Kunst des Lebens« besteht? Kenne ich die Pinselstriche und Farbpaletten?
Es bleibt mir wenig übrig, als selbst die Kunst des Lebens zu lernen, Tag für Tag neu, und dabei doch auf Weisheiten zurückzugreifen, die hunderte und tausend Jahre älter sind als ich. An Deutschlands Museen und Schatzkammern aber hätte ich eine kleine Bitte: Könnten Sie vielleicht auf die Schätze und Kostbarkeiten etwas besser aufpassen? Ich habe sie noch nicht alle meiner Tochter gezeigt!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.