„Die Integration klappt, die Akzeptanz fehlt.“ Das ist das Fazit einer neu angelegten Studie der Bertelsmann-Stiftung zum Thema Integration muslimischer Einwanderer in Europa. Dabei zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass die Studie Integration mit Erfolg auf dem Arbeitsmarkt gleichsetzt. Ein pauschales Urteil, das hinterfragt gehört.
„Der internationale Vergleich zeigt, dass nicht Religionszugehörigkeit über die Erfolgschancen von Integration entscheidet, sondern staatliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen“, sagt Stephan Vopel, Experte für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertelsmann-Stiftung. Wer in Dortmund, Essen oder auch Bad Godesberg lebt, wird dem hauseigenen Experten der Stiftung vermutlich bereits jetzt vehement widersprechen, denken die meisten Leute beim Thema Integration doch zunächst an den Abbau kultureller Differenzen und die Angleichung von Werten zwischen Mehrheitsgesellschaft und Personen mit Migrationshintergrund. Bei der Bertelsmann-Stiftung zieht man es jedoch vor, sich fast ausnahmslos auf die Integration in den Arbeitsmarkt zu konzentrieren. Was hier als genereller Integrationserfolg verkauft wird, entpuppt sich so jedoch auf den zweiten Blick als nur allzu oberflächliche Betrachtung des Themas, der obendrein zahlreiche Befunde anderer Studien gegenüberstehen und die Frage aufwirft, wie es um diese Form der Integration stehen wird, wenn die jeweiligen günstigen Rahmenbedingungen einmal nicht mehr gegeben sein sollten.
Muslime immer noch überdurchschnittlich oft Hartz-IV-Empfänger
So seien die rund 4,7 Millionen Muslime in Deutschland der Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung zufolge gut in den Arbeitsmarkt integriert. Rund 60 Prozent gingen Vollzeit arbeiten, was eine Angleichung an den Bundesdurchschnitt bedeuten würde. Auch die Arbeitslosenquote gleiche sich immer mehr an. Schwerer hätten es in Deutschland lediglich hochreligiöse Muslime – im Gegensatz zu Großbritannien, wo diese Gruppe bei gleicher Qualifikation in den gleichen Berufsfeldern vertreten sei wie die der weniger frommen Muslime.
Das außerordentlich gute Zeugnis, dass die Bertelsmann-Stiftung für Muslime in Deutschland ausstellt, mag den ein oder anderen, der die letzten Jahre aufmerksam Artikel zum Thema gelesen hat, verwundern, titelte man doch zum Beispiel noch 2012 „Alarmierend hohe Hartz-IV-Quoten bei Ausländern“. Spitzenreiter hier: Immigranten aus mehrheitlich islamisch geprägten Ländern. Besonders hoch lagen die Hartz-IV-Quoten gemäß der Zahlen der Bundesagentur für Arbeit demnach bei Irakern (64%), Afghanen (52%) und Pakistani (47%). Diese Zahlen haben sich auch zwei Jahre später kaum verändert.
Schlechte Bildungsabschlüsse
Als Ursache für die schlechten Befunde kann damals wie heute zuvorderst das schlechtere Abschneiden muslimischer Schüler an den hiesigen Schulen gelten. Hier kommt auch die Bertelsmann-Stiftung nicht umhin zu konstatieren, dass in Deutschland ganze 36 Prozent der muslimischen Schüler die Schule immer noch ohne Schulabschluss verlassen. In Frankreich sind es gerade einmal elf Prozent. Als Grund hierfür vermuten die Forscher die unterschiedlichen Schulsysteme sowie die Tatsache, dass in Frankreich lebende Muslime oft sprachliche Vorteile hätten, da sie aufgrund der französischen Kolonialgeschichte oft über gute Französischkenntnisse verfügten.
Angesichts solcher Bildungsbefunde ist darüber hinaus die Frage aufzuwerfen, wie es um die Integration nach Bertelsmann-Kriterien steht, wenn die staatlichen und vor allem wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland einmal nicht mehr so gut ausfallen. Aktuell boomt die deutsche Wirtschaft, was uns nicht zuletzt Rekordbeschäftigung und Rekordsteuereinnahmen beschert. Davon profitieren auch Menschen mit geringerer Bildung, wie man sie im muslimischen Immigrantenmilieu oft vorfindet. Die bessere Integration in den Arbeitsmarkt, die ohnehin angesichts der Zahlen anderer Studien angezweifelt werden darf, steht dann schnurstracks einmal mehr auf tönernen Füßen.
Dabei stellt diese Studie durchaus fest, dass die zweite und dritte Generation im Vergleich zur ersten Generation besser integriert ist. Bei der Frage nach der kulturellen Anpassung an die deutsche Mehrheitsgesellschaft ergibt sich jedoch ein anderes Bild. So geben 72 Prozent der älteren Generation, dass sie diese für notwendig erachten, allerdings nur 52 Prozent der jüngeren. 86 Prozent der Mitglieder der zweiten und dritten Generation denken, man solle selbstbewusst zur eigenen Herkunft stehen, aber nur 67 Prozent der ersten. Diese Befunde decken sich nicht zuletzt mit dem Eindruck, den junge türkische Immigranten im Zuge der Abstimmung für das Türkei-Referenderum in Deutschland hinterlassen haben, und auch der kurdischstämmige Poltiker Ali Ertan Toprak konstatiert in einer Markus Lanz-Sendung, einen stärkeren Hang zu Nationalismus und Fundamentalismus in den jüngeren Generationen. Solche Befunde lässt die Bertelsmann-Studie leider vollkommen außer Acht.
Antisemitismus und Schwulenfeindlichkeit
Ebenso wenig wie die grundsätzliche Einstellung zu Staat, Gesetzen und Werten eine nähere Betrachtung in der Bertelsmann-Studie erfährt, findet das heikle Thema Toleranz gegenüber Minderheiten wie Bürgern jüdischen Glaubens und Homosexuellen Betrachtung, wenn es um die Frage nach der Integration muslimischer Einwanderer geht. Nicht nur, dass Juden gemäß des aktuellen Antisemitismus-Berichts Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland als immer größeres Problem ansehen und Berichte über gemobbte jüdische Schüler in Deutschland die Runde machen, die intolerante Haltung vieler Muslime bezüglich dieses Themas lässt sich auch anhand von Studien belegen.
Es bleibt fraglich, ob man angesichts solcher Zahlen von einer mehrheitlich gelungenen Integration von Muslimen in Deutschland sprechen kann. Wer abgesehen davon einmal einen Blick auf die Städte in Deutschland mit hohem Anteil muslimischer Immigranten wirft, wer die abgeschlossenen Parallelgesellschaften in Dortmund, Essen, Bad Godesberg und Berlin betrachtet oder einfach mal mit Lehrern spricht, die sich zusammen mit ihren deutschen Mitschülern mittlerweile vor den muslimischen Schülern für den Verzehr von Schweinefleisch rechtfertigen müssen, der wird den Befund der Bertelsmann-Stiftung auch ohne Zahlen nur schwerlich unterschreiben können. Gab es zu meiner Jugend- und Schulzeit noch kein einziges türkisches Mädchen mit Kopftuch, an das ich mich erinnere, ist meine eigene kleine Heimatstadt heutzutage ohne eine Mehrheit von muslimischen Frauen und Mädchen mit Kopftuch gar nicht mehr denkbar. Und auch der Salafismus ist letztlich eine radikalislamische Strömung, die erst in den letzten Jahren hierzulande richtig an Fahrt aufgenommen hat. Auch und vor allem, weil er auf dem Nährboden gescheiterter Integration junger Muslime prächtig gedeihen konnte. All diese Befunde lassen die aktuelle Bertelsmann-Studie daher einmal mehr wie einen kläglichen Versuch erscheinen, kurz vor der Bundestagswahl noch einmal gute Miene zum bösen Spiel zu machen.