Die Biologin Marie-Luise Vollbrecht sollte in einer „Langen Nacht der Wissenschaft“ im Juli 2022 einen Vortrag halten mit dem Titel „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht: Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“. Bereits nach der Ankündigung begannen sogenannte Trans-Aktivisten eine Kampagne gegen Vollbrecht. Der Universität warfen sie vor, transfeindlichen Positionen eine Bühne zu bieten.
Vollbrecht hatte zudem zusammen mit anderen Wissenschaftern einen Meinungsbeitrag in der Zeitung „Die Welt» veröffentlicht und darin dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgeworfen, Minderjährige im Sinne der Trans-Ideologie zu indoktrinieren. Titel des Beitrags: „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren“.
Daraufhin kritisierte der sogenannte Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), die Autoren scharf. Sie hätten ein Pamphlet des Hasses gegen transgeschlechtliche Menschen verfasst, so Lehmann, der immerhin als herausragend bezahlter Staatssekretär im Familienministerium sitzt. Die Welt und der Springer-Verlag distanzierten sich von dem Beitrag.
Die Humboldt-Universität sagte den Vortrag unter Hinweis auf Sicherheitsbedenken ab und distanzierte sich in einer Pressemitteilung von Vollbrecht. Die Universität habe sich in ihrem Leitbild dem „wechselseitigen Respekt vor dem/der Anderen“ verpflichtet. Und wörtlich: „Die Meinungen, die Frau Vollbrecht in einem ‚Welt‘-Artikel am 1. Juni 2022 vertreten hat, stehen nicht im Einklang mit dem Leitbild der HU und den von ihr vertretenen Werten.“
Das Berliner Verwaltungsgericht untersagte nun, diesen Satz zu verbreiten. Zur Begründung führten die Richter aus, dass der mit der Stellungnahme der staatlichen Universität einhergehende Grundrechtseingriff rechtswidrig sei. „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verbietet es grundsätzlich dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern, etwa eine von diesem vertretene Meinung abschätzig zu kommentieren.“
Der mit der Äußerung verbundene Vorwurf wiege aufgrund der aufgezeigten Pauschalität besonders schwer, so das Gericht, weil ein objektiver Empfänger den Eindruck gewinnen kann, die Antragstellerin „bewege sich mit ihren Meinungen in ihrer Gesamtheit außerhalb des Leitbildes und der Werte der Antragsgegnerin (der Universität)“.
Der Anwalt von Vollbrecht, Ralf Höcker, lobte, dass das Gericht ein starkes Zeichen gegen Cancel-Culture an Universitäten gesetzt habe. „Es ist eine Schande, dass eine angebliche Exzellenz-Uni aus purer Angst vor radikalen Aktivisten ihre eigene wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin herabwürdigt. Alexander und Wilhelm von Humboldt würden sich im Grabe herumdrehen, wenn sie wüssten, was aus der nach ihnen benannten Universität geworden ist“, so der Kölner Anwalt.