Tichys Einblick
„Keine Schule ohne Feminismus“

Berliner Bildungssenatorin Scheeres (SPD) ermuntert radikalfeministische Schülerinnen

Der „Internationale Frauentag“ ist außer in Berlin nur noch in Nord-Korea staatlicher Feiertag. Jedenfalls Anlass für eine radikalfeministische Schülerinnengruppe, mit revolutionären Ideen hausieren zu gehen. Von der SPD-Senatorin werden sie dafür gelobt.

Berlins Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD)

IMAGO / Christian Ditsch

Ein bisschen mussten sich die 16jährigen Schülerinnen der Gruppe KSOF – „Keine Schule ohne Feminismus“ schon gedulden, bis Berlins Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf den Brief der jungen Frauenrechtlerinnen antwortete. Abgeschickt hatten sie ihn am 8. März diesen Jahres, dem „Internationalen Frauentag“, der nur in zwei Territorien der Welt noch als gesetzlicher Feiertag begangen wird: in Nord-Korea und dem Land Berlin als Teil der Bundesrepublik Deutschland. Was für die ehemaligen Ost-Berliner ein Erinnern bedeutete, war für die SED, aktuell umbenannt in Partei die Linke, ein vorrangiges Anliegen bei Eintritt in die rot-dunkelrot-grüne Koalition – nämlich die Wiedereinführung dieses Feiertages aus der Mottenkiste der DDR.

Zum Verständnis: Der Kern der ideologisierten Frauenpolitik der SED war das Ideal der berufstätigen Frau und Mutter. Das hatte sowohl mit dem von Beginn an bestehenden Arbeitskräftemangel, nicht zuletzt bedingt durch eine ständige Flucht- und Ausreisebewegung, zu tun. Gleichzeitig war es die erklärte Absicht der Partei, die Kinder möglichst bereits mit 6 Monaten in staatlichen Krippen – viele davon Wochenkrippen – unterzubringen. Die Ganztagsbetreuung wurde von der Krippe, über die Kindergärten bis hin zur Grundschule garantiert. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass damit auch die politische Einflussnahme und Kontrolle von frühesten Kindesbeinen an greifen konnte. Wer als Frau in dieser Rolle nicht die Beglückung des Lebens empfand, dem wurde über das Familieneinkommen die Notwendigkeit der Berufstätigkeit verdeutlicht. Löhne und Gehälter wurden in der DDR von staatlicher Seite festgelegt und so gestaltet, dass zur Aufrechterhaltung eines einigermaßen vernünftigen Lebensstandards die Doppelberufstätigkeit schlicht zwingend war.

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Ein im Westen wesentlicher Bestandteil der Emanzipationsbewegung der Frauen, nämlich die Ablehnung des Mannes als Faktor der Unterdrückung und Abhängigkeit, kam im Sozialismus nie zum Tragen. Im Vordergrund standen immer und ausschließlich ökonomische Motive. Die Folge war eine enorme Doppelbelastung und eine der höchsten Scheidungsraten der Welt. Der 8. März begann mit feurigen Reden und endete in Betrieben mit Auszeichnungen, wie Orden und Urkunden, und fand die Krönung im feucht-fröhlichen Beisammensein. Man kann verstehen, dass sich die alten und neuen Kommunisten versonnen an diese schöne Zeit zurückerinnern und demnächst möglicherweise auch andere Bundesländer in diesen Genuss kommen.

Doch zurück zu unseren feministischen Kämpferinnen im noch real-existierenden Kapitalismus. Sie forderten in ihrem Schreiben vom 8. März neue Lehrinhalte und ein aktives Vorgehen gegen den „Sexismus“ in der Schule. Als eines von mehreren Beispielen nannten sie die Aufforderung einer Lehrerin: „Ich suche ein paar Jungs mit starken Armen zum Tische-Rücken.“ Auch gehe es nicht an, dass ein Lehrer vor einer Mädchenklasse sagt: „Chic seht ihr heute aus.“ In dem 10-seitigen Brief verlangen sie insbesondere neue Lehrpläne für die Fächer Biologie, Deutsch, Geschichte, Politik und Philosophie.

Es beginnt mit der Durchsetzung einer geschlechtergerechten Sprache, einer Abkehr von der eurozentristischen Perspektive in Geschichts- und Politikunterricht und der Thematisierung der Unterdrückung von marginalisierten Gruppen in der Weltgeschichte. „Dass, was uns beigebracht wird, ist nicht Weltgeschichte, sondern die Geschichte der Männer.“ Zudem wird eine stärkere Berücksichtigung von Theorie und Literatur über die Rechte von FLINTA (Frauen, Lesben, Intersexuelle-, Nicht-binäre, Trans- und Agender-Personen) gefordert. Stolz berichten sie der Senatorin weiter über eigene Aktionen in jüngster Zeit. So hätten sie im Schulgebäude Plakate, eine sogenannte Wall of Shame, aufgehängt. Darauf standen Slogans wie „Kampf dem Sexismus“, „Feministischer Kampf ist jeden Tag“, aber auch die Aufforderung: „Hört auf, euch zu schminken, ihr seid doch schon hübsch genug.“ Ihre Aktionen, so berichteten die Briefeschreiber weiter, hätten an der Schule für ziemliche Unruhe gesorgt, wobei die Lehrerschaft gespalten reagiert habe. Dafür war die Senatorin für Schule und Bildung mehr als angetan. Man freue sich über das Engagement, das eine lebendige Schule, die sich gesellschaftlichen Herausforderungen stellt, nachhaltig verändern werde.

Folgt man allerdings den Zahlen der jüngsten Shell-Jugend-Studie, stellen die Aktivistinnen selbst eine Minderheit dar. Danach finden nahezu 70 Prozent der Mädchen im Alter zwischen 16 und 18 in Deutschland das traditionelle Bild von Familie als Gemeinschaft von Vater, Mutter und Kind auch für sich erstrebenswert. 65 Prozent der Mädchen wollen grundsätzlich Kinder zur Welt bringen und in den ersten drei Jahren nach der Geburt maximal halbtags arbeiten. Über 50 Prozent der jungen Männer sind danach bereit, die Alleinverantwortung für die materielle Sicherung zu übernehmen. Für diesen Fall würde eine Mehrheit der Frauen auch die vollständige Mutterrolle für sich akzeptieren. Und noch ein interessanter Fakt aus der Shell-Studie: 70 Prozent der Frauen streben keine Führungsrolle in einem Unternehmen an – „Wenn man beides, Familie und Job, gut machen will, ist das einfach zuviel.“ Auch hier zeigt sich wieder, wie weit das Frauenbild der Medien und des größten Teils der Politik von den realen Empfindungen junger Menschen entfernt ist.

Es gibt für junge Feministinnen, nicht nur an Berliner Schulen, noch viel zu tun. Umerziehung ist angesagt. Die Genossen von der Links-Partei wissen ja, wie so was geht. Man muss kein Pessimist sein, wenn man prophezeit, dass dieser Prozess nicht ohne gesellschaftliche Konflikte vonstatten gehen kann.

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