In Berlin kann endlich die von den Grünen so heiß ersehnte Fahrt nach „Bullerbü“ beginnen. Dorthin, wo die friedlichen und verklärten Zustände in jenem kleinen Dörfchen herrschen, welches die legendäre schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren als Traumort für Kinder beschrieben hat. Und wer jetzt gleich noch an Pippi Langstrumpf, das Mädchen mit den bunt gestreiften Söckchen und langen Zöpfen denkt, liegt absolut richtig.
Denn zu „Bullerbü“ möchte Bettina Jarasch, die Spitzenkandidatin der Berliner Grünen bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und seit gestern Verkehrssenatorin der deutschen Hauptstadt, die Metropole mit fast vier Millionen Einwohnern machen.
Ganz an die Spitze haben es die Grünen auch in Berlin nicht geschafft. Dort präsidiert, wie schon zuvor, die Berliner SPD mit der Ex-Familienministerin Franziska Giffey – bundesweit bekannt geworden erst durch die Aberkennung ihrer Doktor-Würde wegen nachgewiesener Plagiatsvorwürfe als regierende Bürgermeisterin in Nachfolge Michael Müllers. Die für die Verhältnisse der Berliner Politik auffallend gut gekleidete Dame steht zwar nicht auf „Bullerbü“, dafür aber ein größerer Teil ihrer in Berlin besonders „fortschrittlichen“ Partei.
„Bullerbü“ wird wohl ein ferner Traum bleiben, doch die Bewohner Berlins werden dennoch weiter tüchtig leiden müssen. Zwar hat man beschlossen, die Vision der autofreien Stadt innerhalb des S-Bahn-Ringes bis zu einem weitgehenden Ausbau des ÖPNV vorerst aufzuschieben, doch den Weg dazu bereitet man schon. Immer neue Busspuren und noch mehr Fahrradwege machen das auch bei den Berlinern einst so beliebte PKW-Vergnügen zu einer Pein aus Stop-and-Go in einem verdichteten Verkehrsstrom, in dem man durch zusätzlich schikanöse Ampelschaltungen von Stau zu Stau kriecht. Autofahren soll weh tun. Ob der Wirtschaftsverkehr der größten Stadt Deutschlands darüber stöhnt oder nicht – egal. Wen wundert’s da, dass immer mehr Kurzzeit-Parkzonen eingerichtet werden? Überhaupt nicht lustig werden es wohl auch die Berliner finden, die als Dauerparker mittels einer Jahresvignette für 10,20 Euro beim Ankommen zuhause ihr Plätzchen sicher wussten. Das System soll bleiben, aber dafür eben ab sofort für satte 125 Euro übers Jahr. Wer sagt´s denn, auf das Wort der Linken ist Verlass!
Ganz Berlin schüttelt den Kopf darüber, dass auch der neue Senat das Flugfeld des stillgelegten Flughafens Berlin-Tempelhof weiterhin als Freizeitfläche erhalten will – immerhin ein Areal in der Dimension von 33 Fußballplätzen! „Bullerbü“ lässt grüßen.
Die überwiegend im öffentlichen Dienst beschäftigten Wähler der Grünen, mit lebenslanger Beschäftigungsgarantie können mit passablen Einkünften getrost Grünflächen den Vorzug geben. Dabei bräuchte die Stadt dringend auch überdurchschnittlich betuchte Mieter oder Eigentümer von Wohnungen, die natürlich einen entsprechenden Grad an Komfort aufweisen müssten. Diese Leute passen aber nicht nach „Bullerbü“. Wo sie auftauchen, legen sofort Bürgerinitiativen mit ihrem Kampf gegen Gentrifizierung los. Beliebte Parole: „Wir lassen uns durch Bonzen nicht unseren Kiez kaputt machen.“
So schön es auch ist, dass die Spreemetropole ein touristisches Highlight für Besucher aus aller Welt ist – das allein begründet noch lange keine Attraktivität für Investoren. Ein klarer Pluspunkt der Stadt, die in ihrem Westteil schon seit Jahrzehnten keine Polizeistunde mehr kennt, sind Entertainment und die Kulturszene, wobei leider neuerdings die ideologische und von links betriebene Cancel Culture besondere Blüten treibt. So muss schon in diesem Jahr die schon immer lange im Voraus ausverkaufte Aufführung der Nussknacker-Suite von Peter Tschaikowski wegen Rassismus-Vorwürfen abgesetzt werden. Besonders für Kinder war dies eine sehr traurige Nachricht. Führungskräfte haben in aller Regel genügend Bildung und Wissen, um sich nicht in einer Stadt wohlzufühlen, in der sie Lehrgänge in Political Correctness ertragen müssen.
Die Stadt ist im Ganzen gleich mehrfach gespalten. Da ist die Blase aus Regierung, Parlament und allem möglichen Beiwerk wie Journalisten und Ähnlichem. Dann gibt es die Hipster: Junge Leute – mehr oder weniger betucht –, die in Berlin den Kick suchen und finden und dann natürlich die Schar von Touristen. Berlin ist auch eine junge Stadt. Nirgendwo sonst sammeln sich so viele in internationaler Mischung wie hier.
Berlin hat mittlerweile auch London den ersten Rang als „Start-Up Holder“ abgelaufen. Was freilich fehlt, ist das produzierende Gewerbe. Die richtig guten Jobs entstehen woanders. Dazu kommt eine in Deutschland wohl einmalig träge Bürokratie. Wer wartet schon gern sechs Monate auf seinen KFZ-Schein oder endlos lange auf einen Termin im Bürgeramt? Reformen werden immer wieder versprochen. Doch keiner wagt sich an die Besitzstände der eingerosteten alten Strukturen heran.
Die eigentliche Bruchstelle für das Berliner rot-grüne-dunkelrote Bündnis steht aber schon fest: Die Linkspartei besteht, ebenso wie Teile der SPD und der Grünen, auf die Umsetzung des erfolgreichen Volksbegehrens zur Enteignung der privaten Wohnungsgesellschaften. Die Regierende Giffey ist dagegen und hofft im Laufe eines Jahres auf eine Lösung am runden Tisch. Spätestens dann könnte es in Berlin knallen.
Ach so – da gibt’s ja noch eine Opposition. Die Berliner CDU als wieder stärkste Kraft ist so gut wie nicht wahrnehmbar. Unter dem Einfluss der nur scheinbar in die zweite Reihe gerückten Merkel-Marionette Grütters – zur Erinnerung, das war bis vor Kurzem die Kulturstaatssekretärin – ließ sich Landeschef Wegener zu dauernden Verbeugungen nach links nötigen. Nach dem schlechten Ergebnis der Berliner CDU herrscht Schweigen aus Angst vor Neuwahlen. Denn dann könnten die letzen Pfründe verloren gehen. Bullerbü ist alternativlos.