Tichys Einblick
Silvester als Schlachtfeld

Berlin erntet, was Berlin gesät hat

Kugelbomben, Schwerverletzte, gezielte Attacken auf Rettungssanitäter und Polizei: Die Hauptstadt leckt ihre Wunden nach einer Silvesternacht der Gewalt. Doch die Spinner, die Brandsätze geworfen haben, sind keineswegs die einzigen Schuldigen.

picture alliance/dpa | Sebastian Christoph Gollnow

Wer am Neujahrstag so gegen Mittag in Berlin durch die Bezirke Neukölln, Kreuzberg oder Spandau spazieren ging, darf sich selbst getrost als todesverachtender Draufgänger betrachten.

Denn nahezu den ganzen ersten Tag des neuen Jahres ging es fast so weiter wie am letzten Tag des alten: Hörbar hatten viele Hauptstadtbewohner es nicht geschafft, am 31. Dezember die gesamte Pyrotechnik loszuwerden, mit der sie sich eingedeckt hatten.

Also wurde am 1. Januar einfach munter weiter geböllert und geknallt.

Immerhin war der Bürgerkrieg vorbei. Was in der Silvesternacht (schon wieder) passiert war, kann man kaum anders bezeichnen. Es war ein teilweise brutaler Straßenkampf von randalierenden Horden gegen die Polizei und absurderweise auch gegen Rettungssanitäter. Mit potenziell tödlichen Feuerwerkskörpern und sogar Kugelbomben gab es gezielte Attacken, die man – nüchtern betrachtet – problemlos als Mordversuche verbuchen könnte.

Die Gewalt in der Bundeshauptstadt habe in der Silvesternacht „qualitativ und quantitativ eine neue Dimension erreicht“, zeigt sich Landesbranddirektor Karsten Homrighausen einigermaßen entgeistert. Er bedankt sich auch bei den Polizisten aus dem ganzen Bundesgebiet, die die Berliner Kollegen beim größten Einsatz des Jahres unterstützt „und teilweise uns geschützt haben, damit wir nicht angegriffen werden“.

Kugelbomben sind an der Spree wohl der neue Party-Trend. Gleich mehrere dieser extrem gefährlichen Sprengsätze wurden in verschiedenen Bezirken gezündet. In Schöneberg ist eine große Straßenkreuzung mit Glasscherben übersät, 36 Wohnungen sind jetzt unbewohnbar. Die Polizei nennt es „ein Wunder“, dass bei der Detonation niemand ums Leben kam. In Tegel wurde ein Kleinkind durch eine Kugelbombe schwer verletzt, in Schöneberg konnte einem Polizisten nur durch eine Notoperation das Leben gerettet werden.

Jetzt ist das Geschrei groß. Man werde „diese Angriffe auf unsere Einsatzkräfte niemals hinnehmen“, tönt der Regierende Bürgermeister Kai Wegner. Er vergisst zu erwähnen, dass man diese Angriffe rein faktisch natürlich sehr wohl hingenommen hat, denn sonst müsste man sich jetzt hinterher ja nicht darüber beklagen. „Solche Straftäter müssen die volle Härte des Rechtsstaats spüren. Dabei vertraue ich auf die Berliner Polizei und Justiz“, meint der CDU-Politiker weiter.

Was man halt so sagt, wenn man nicht wirklich etwas tun will.

Wegners Vertrauen in seine Sicherheitsbehörden dürfte durchaus einseitig sein. Denn umgekehrt sind die Berliner Einsatzkräfte von ihren politischen Dienstherren auch in diesem Jahr wieder völlig allein gelassen worden. Auch die Berliner Justiz hat (schon wieder) ihren Anteil daran:

Innensenatorin Iris Spranger von der SPD wiederum argumentiert komplett am Problem vorbei. Sie fordert ein staatweites Böllerverbot – und wird davon unter anderem vom „Tagesspiegel“ unterstützt.

Das allerdings ist ebensolcher Quatsch wie das Messerverbot. Denn die (übrigens nur selten blonden) Explosionsfreunde in Neukölln scheren sich bekanntermaßen kein Bisschen um Verbote. Sie beschießen Rettungskräfte mit Feuerwerkskörpern, das ist auch jetzt schon verboten. Sie zünden lebensgefährliche Kleinbomben, das ist auch jetzt schon verboten. Sie liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei, das ist auch jetzt schon verboten.

Aber an ein allgemeines Böllerverbot sollen sie sich dann wie durch Zauberhand plötzlich halten?

Natürlich glauben die Berliner Politiker das selber auch nicht. Sie lenken damit ab von der eigenen Verantwortung für die Gewaltexzesse. Denn über mehrere Jahrzehnte haben beinahe alle Berliner Parteien eine Kultur des Laissez-faire nach Kräften gefördert.

Dass man sich nicht an Regeln hält, wurde zu einer Art lokaler Folklore hochstilisiert. Gesetze galten allmählich nur noch als unverbindliche Vorschläge. Dass man vor allem gegenüber der Polizei auf jedweden Respekt verzichten kann, wurde zunächst von einem ganz bestimmten „alternativen“ Milieu sozusagen als schichtspezifisches Erkennungsmerkmal kultiviert.

Regelmäßig zu besichtigen ist das am 1. Mai. Da veranstaltet die linke Szene seit vielen Jahren ein rituelles Kräftemessen mit der Polizei. Erst wurde es unterbunden, dann geduldet – Stichwort: Deeskalation. Die Polizei ist aber nicht zur Deeskalation da, sondern zur Durchsetzung des Rechts.

Inzwischen werden die Krawalle am 1. Mai quasi als Tradition gefördert. Die Polizei darf das Treiben im Prinzip nur noch begleiten. Am 2. Mai wird dann die Stadtreinigung losgeschickt, um auf Kosten der braven Steuerzahler alles wieder halbwegs sauber zu machen.

Zuwanderer haben das Vorbild verstanden. Längst ist aus Silvester in bestimmten Stadtteilen ein offener Machtkampf geworden: Wem gehört die Straße – uns oder den deutschen Bullen?

Statt das Gewaltmonopol des Staates – und damit die Sicherheit der gesetzestreuen Bürger – zu verteidigen, schränkt die Berliner Politik aus einem unverständlichen, rückständigen, antiautoritären Impuls heraus den Bewegungsspielraum der Polizei immer weiter ein.

Auf keinen Fall darf der Verdacht von fremdenfeindlichen Ermittlungen entstehen, Migranten müssen stets politisch überkorrekt angesprochen werden. Und wenn überwiegend arabische und türkische Jungmänner jetzt in jeder Silvesternacht die Ordnungsmacht verhöhnen, Notarztwagen attackieren und Passanten akut gefährden, dann sind halt nicht die Jungmänner schuld, sondern die Böller.

Die Idioten, deren Kugelbomben das Kleinkind in Tegel und den Polizisten in Schöneberg schwer verletzt haben, wurden bisher nicht ermittelt. Ihre geistigen Mittäter sind dagegen bekannt: Sie sitzen im Abgeordnetenhaus, dem Berliner Stadtparlament.

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